Plattenkritik

Muff Potter - Gute Aussicht

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Release Date: 17.04.2009
Datum Review: 27.03.2009

Muff Potter - Gute Aussicht

 

 

Die Welt ist im Arsch. Finanzkrise, Klimawandel, verschüttete Archive und Mario Barth auf Platz Eins der deutschen Kinocharts. Schlechte Aussichten? MUFF POTTER machen mit neu entdecktem Dreck unter den Nägeln des Beste draus. Im Tapedeck nicht mehr so sehr Jets To Brazil, 'Little Light'. Im Kofferraum Bücherleichen von Bukowski und Vonnegut.

Für drögen Deutschpunk waren MUFF POTTER ja seit jeher irgendwie zu clever. Wenn schon borgen dann wenigstens von den Guten, Reflektierten und Intelligent-Ätzenden. …BUT ALIVE, OMA HANS und (spätere) SLIME zum Beispiel. Gut, das ist natürlich schon einige Jahre her. Auf dem Letztwerk "Steady Fremdkörper" bewegten sich Nagel und Co. allerdings gefährlich nah auf den Befindlichkeitspop-Abgrund zu, noch einen Schritt und dann…Zeit also, den Karren noch mal so richtig in den Dreck zu setzen. Gewollt natürlich. Sich da wieder selbst rauszuarbeiten kann durchaus ein befreiendes Gefühl sein. Und nach Arbeit klingt es dann auch, das mittlerweile siebte MUFF POTTER Album. Nach guter, analoger Livearbeit vor allem. Schön warm und verschwitzt. 'Ich und so' verstört zunächst mit dreckigem Rockfundament und enervierendem Gesang. Da werden wirklich Gedanken an alte Großtaten wach, wenn Nagel in gewohnter Bildungspunkmanier seine literarische Sozialisation Revue passieren lässt. Von Henry Chinaski bis Huckleberry Finn ist jeder dabei. Auch 'Niemand will den Hund begraben', eine nicht mehr ganz so dreckige Hymne mit gut gesetzten Chören, dient einmal mehr als schlagender Beweis für die scharfe Beobachtungsgabe des MUFF POTTER Sängers und seine Fähigkeit den Zeitgeist zu sezieren. „Alle wollen ein Praktikum – oder zwei oder drei…“. Jeder lässt sich ausnehmen für den großen Traum vom Leben wider die Leidenschaft tötende Normalbiographie. In eine ähnliche Kerbe schlägt dann auch die erste Single, welche auf den kongenialen Namen 'Blitzkredit Bop' getauft wurde und nach basslastig-verträumter Strophe mit dem packendsten Refrain des Albums aufwarten kann. „Der schönste Platz ist immer an der Hypotheke“. Ein müdes Wortspiel? Die verdammt Wahrheit! MUFF POTTER als Bad Bank, aus der giftigen Verschwendungssucht werden gute, geerdete Songs destilliert. 'Alles war schön und nichts tat weh' wiederum ist ein kurzer, charmanter Punkklopfer, den man den POTTERS so auch nicht mehr zugetraut hätte. Und, wenn 'Mein Freund, das Wrack' mit Spieluhrintro, akustischem Picking und Schifferklavier leicht gewöhnungsbedürftig und neben der Spur über diesen Typen referiert, den wir alle kennen, dann werden MUFF POTTER zum Ende auch noch mal experimentierfreudig. Ihr wisst schon, den mit dem „besten Humor“ und dem fehlenden Kleingeld, der das Leben irgendwie verstanden hat. Im Zweifelsfall sind wir das selber. My poor friend me. Wie dem auch sei: Irgendwo zwischen Optimist, Pessimist und Fatalist oszillierend, bremsen MUFF POTTER alle Befindlichkeitspopper weiterhin gekonnt aus. Das tut gut. Das soll so bleiben. Breite Beine, schmale Schultern und ab dafür.

Tracklist:

01: Ich und so
02: Rave Is Not Rave
03: Ich bin charmant
04: Niemand will den Hund begraben
05: Blitzkredit Bop
06: Die Party ist vorbei
07: Alles war schön und nichts tat weh
08: Wie spät ist es, und warum?
09: Wir werden uns kümmern
10: Mein Freund, das Wrack
11: Eiskunstlauf ohne Ton
12: Gute Aussicht

Autor

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René

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