20.06.-22.06.2008: Southside Festival - Neuhausen ob Eck, Take Off Park

20.06.0023
 

 


Festivals sind die wohl schönste Sache, die es gibt für den Musikliebhaber. Das fing an mit dem Woodstock, ging über Rock am Ring und endlos viele kleinere Ableger und scheint noch lange nicht zu enden. Eines der größten Festivals in Deutschland ist das Hurricane Festival und dessen kleine Schwester, das Southside Festival. Letztgenanntes verfügt auch dieses Jahr über ein herrliches Line-Up der Alternativen Musikszene und bietet zwischen Punkrock, Indierock, Electro und vielem mehr, alles was das Herz begehrt.

Freitag:

Da Freitags die erste Band erst am späten Nachmittag beginnt, liegt das Augenmerk heute eindeutig auf dem Spaß auf dem Zeltplatz. Dies merkt man allein daran, dass bereits um Punk neun Uhr die ersten Alkoholleichen aus den Zelten kriechen um direkt dort anzufangen, wo sie am gestrigen Abend aufgehört hatten. Allerlei lustige Ideen gab es zu bestaunen. Von nackten Menschen bis hin zu Bierdosengolfen gab es sämtlichen Eskapaden des Festivallebens zu beobachten. Betrunkene wurden ordentlich dekoriert und man kann sich sicher sein, dass so mancher ein böses Erwachen erlebt wenn er an sich herunter schaut.
Doch nun zu der Sache, wegen der 50.000 Menschen nach Neuhausen ob Eck schlenderten – der Musik !

Die DONOTS spielen auf der kleinen blauen Bühne und legen sich mächtig ins Zeug. Mit dem neuen Output namens „Coma Chameleon“ konnten sie durchweg gute Kritiken einheimsen, was sich allerdings nicht auf das Live-Programm übertragen kann. Irgendwie zu überfordert wirken die Sympathen mit den neuen Songs und auch etwas drucklos. Sehr schade, denn gerade bei den älteren Krachern, die nun wirklich jeder Festivalgänger kennen sollte, ist die Stimmung ausgelassen und munter.

RAZORLIGHT aus England sollte nun auch ziemlich jeder kennen und für mich persönlich stellen sie die Überraschung des Tages dar. Wird das Set eher routiniert mit ihrer Hitsingle „In the Morning“ begonnen, mausert sich die Band im Laufe des Auftritts zu einer Band mit großen Gesten die U2-mäßig (im positiven Sinne) großartig herüber gebracht werden. Da springt der Sänger, der sehr nach einem Jim Morrison Double aussieht, spontan ins arg leere Publikum um für den zweiten Wellenbrecher zu singen und mutiert zu schier ungeahnter Größe auf der Bühne.

Ein guter Auftritt der, wenn die nötigen Hits vorhanden wären, schon fast eine legendäre Vorstellung hätte werden können.

THE PIGEON DETECTIVES sind hier zu Lande noch eher unbekannt, auf der Insel aber (wie könnte es anders sein) eine Größe, die bereits die ganz fetten Hallen füllt. Vor kurzer Zeit brachten diese ihr zweites Album „Emergency“ auf den Markt, welches hierzulande noch eher verhalten aufgenommen wird. Der Auftritt war trotzdem ein voller Erfolg und dank des kleinen Zeltes kam eine intime und irgendwie schon clubmäßige Atmosphäre auf. Schon beim Opener „Emergency“ beginnen die Fans ausgelassen zu tanzen und hängen förmlich an den Lippen des Sängers. Hits wie „Romantic Type“ vom ersten Album fehlen natürlich auch nicht und werden mit offenen Armen in Empfang genommen. Generell ist das Set eher auf das erste Werk ausgerichtet und weiß zu überzeugen.

Während im Zelt der Mob tobt, formieren sich auf der kleinen Bühne die Iren von FLOGGING MOLLY. Deren Auftritte sind schon fast legendär als „tanzbar“ eingestuft worden und dementsprechend voll war es vor der Bühne auch. Gleich zu den ersten Tönen flippt die Menge kollektiv aus, obwohl heute scheinbar nicht der beste Tag erwischt wurde. Irgendwie zu gelangweilt wird das Set vorgetragen und auch ein paar der älteren Hits werden sehnlichst vermisst.

Als nächstes geben sich SIGUR ROS die Ehre auf der großen Bühne und was soll man sagen? Wäre die Festivalwelt auch nur ein wenig gerecht, würden ab jetzt alle Besucher für nur eine Stunde mal die Klappe halten. So fragil und leise wie SIGUR ROS kann keine Band ihre Songs vortragen, ohne langweilig zu erscheinen. Nur wenig der Anwesenden scheinen jedoch auch nur halbwegs zu wissen, welch Spektakel sich hier darbietet und welche Intensität sich hier abspielt. Die Vielzahl der Musikanten auf der Bühne ist kaum fest zu halten und kaum glaubt man nun alle Mitglieder gezählt zu haben erscheint aus dem letzten Eckchen schon wieder ein, komplett in weiß, gehüllter Mensch mit einer Trompete um den nächsten Song einzustimmen, der von Trauer nur so überschüttet ist. Nach gut einer Stunde muss allerdings auch das letzte Trauerspiel beendet werden und zum letzten Mal berührt der Bogen die Gitarre bevor es allmählich wieder lauter wird. Mit dem Auftritt von SIGUR ROS endet auch der erste Festivaltag für mich. Der Rest wird sich, wie der Volksmund es am nächsten Morgen verlauten lässt, bei RADIOHEAD „zu Tode langweilen“. Ich dagegen ärgere mich darüber die Band zu verpassen und verweile im Sanitäterzelt.

Samstag:

Erstaunlich viele schaffen es bereits um 13.30 Uhr vor der Bühne zu stehen, um JENNIFER ROSTOCK zu begutachten. Diese sind sichtlich erfreut über die große Resonanz im Publikum, obwohl der Auftritt eher langweilig war. Und ich bin mir sicher, hätte das Publikum mit dem Rücken zur Bühne gestanden und heimlich hätte sich CHRISTINA STÜRMER auf die Bühne geschlichen und weitergesungen, es wäre niemandem aufgefallen.

Um 14.00 Uhr wird rasch nochmal das Köpfchen an einer (viel zu kleinen) Wasserstelle gekühlt und dann geht es zu TURBOSTAAT. Die Flensburger sind es inzwischen- einer gewissen Band aus Berlin sei dank - schon gewöhnt auf großen Bühnen zu stehen und schlagen sich verdammt gut. Das, was sie mal ausmachte ist scheinbar ein Stück weit fort und so sieht man, dass Sänger Jan zum Mitklatschen animiert und das ein oder andere Spielchen mit den Klatschern gespielt wird. All das ist den Herren jedoch keineswegs negativ anzukreiden, da mit der nach wie vor vorhandenen, unglaublich großen Sympathie vorgetragen. Fast alle Songs des aktuellen „Vormann Leiss“ werden gespielt und leider leider kommen die älteren Songs etwas zu kurz. Trotzdem gibt es am Ende des Sets noch „Schwan“ und „Blau an der Küste“ zu hören. Als Zugabe wird „Schalenka Hase“, einer der besten Songs des aktuellen Albums, in die Menge geschleudert und dazu darf ein Fan auf die Bühne und so tun, als würde er die Gitarre spielen. Das macht der junge Fan so gut, dass nicht nur die Band sich vor lachen krümmt sondern auch Bassist der besagten Berliner Band, der mit einem gewissen Arnim Teutoburg-Weiß die Show vom Rand aus begutachtet.
Der Junge Gitarrenspieler aus dem Publikum stiehlt den Nordlichtern die Show und feiert sich selbst gehörig ab. Das darf er auch und bedankt sich sogar artig beim Publikum.
Die Band, das Publikum wie auch der junge Herr dürften schon jetzt ihr Highlight des Wochenendes gefunden haben.

Als nächste Band stehen ENTER SHIKARI auf der Bühne und diese geben sich gewohnt hyperaktiv und springen zu Anfang erstmal wie verrückt über die Bühne um diverse Moves zu präsentieren. Als dann mit „Enter Shikari“ das Set begonnen wird, verwandelt sich der komplette erste Wellenbrecher in ein riesigen Moshpit und mutiert über eine Stunde zu dem wohl heftigsten, dass das Southside jemals gesehen hat. Die Fans organisieren sich selbst, wie inzwischen auf Festivals wohl üblich, eine Wall of Death nach der anderen und auf Wunsch der Band hin, auch den ein oder anderen Circle Pit.


Bewegung ist zu jeder Sekunde zu vermelden und ENTER SHIKARI liefern einen energiegelandenen Gig. Als ich sie das letzte Mal sah war ich doch ein wenig enttäuscht, doch jetzt und hier machen sie alles wieder gut.

In der darauffolgenden Stunde darf sich dann ausgeruht werden denn die Herren von KETTCAR spielen. Für mich eindeutig eines der besten Alben des Jahres auf den Markt gebracht, ist es klar dass ich mir die schon etwas älteren Herren anschauen muss. Gleich zu Anfang werden ihre Hits wie „Deiche“, „48 Stunden“ und dem Übersong „Landungsbrücken raus“ vorgetragen. Trotzdem wird es in der Mitte oder auch gegen Ende des Sets nicht langweilig und Klassiker wie „Balkon gegenüber“ werden wie immer lauthals mitgesungen.
Ein Wohlfühlauftritt den KETTCAR hier ablegen, der aber trotzdem nicht dazu reicht der beste Auftritt des Wochenendes zu werden.

Dieser nämlich soll nach dem entspannten und chilligen Gig von PATRICE folgen.

DEICHKIND nämlich. Es war schon erstaunlich wieviele verrückt gekleidete, in Müllsäcke gewickelte Menschen sich vor der Bühne drängten und wieviel Schwachsinn in die Luft gehalten wurde. Luftmatratzen, Helme aus Melonen und vieles mehr gab es hier zu bestaunen und bereits als DEICHKIND die Accessoires auf die Bühne bringen ist klar – das wird verrückt. Nach kurzer Zeit kommen die Vier dann durch ein Raumschiff (!!!), erstmals mit Ferris MC, auf die Bühne und verwandeln das Publikum in einen hüpfenden Ball. Die diversen Hilfsmittel auf der Bühne sind unmöglich aufzuzählen, da quasi alle 2 Minuten etwas neues geschah. Ob der DJ mit einem Schlauchboot, oder einem viel größeren Schlauchboot im Publikum verschwand, ob lauthals die „Zitze“ gefordert wurde oder ob 2 mal „Krawall und Remmidemmi“ gespielt wurde, es war egal. Das Publikum sowie Band flippte völlig aus und hinterließ eine Art Schlachtfeld. An das vorgeschriebene „Crowd Surfing“ Verbot hielt sich in dieser Stunde eh niemand und so kam es, dass die Security massig zu tun hatte. Ein verrückter Auftritt mit soviel Stimmung wie sie an diesem Wochenende sonst niemand einfangen konnte.

Auch nicht die Altmeister von NOFX. Diese lieferten nämlich ein mit Hits gespicktes Set und redeten wie gewohnt viel dummes Zeug, doch schienen nicht so ganz in Form zu sein. In Deutschland haben sich die Mannen um Fat Mike etwas rar gemacht und so hätte man doch auf einen etwas spielfreudigeren Gig hoffen können. Leider war dies die Fehlanzeige und ich entschied mich, irgendwo nieder zu lassen wo die Sonne mich nicht quälen konnte.

Die BEATSTEAKS aus Berlin bildeten für Samstags den Headliner und wie gewohnt wurde es voll und eng vor der Bühne. Die 5 machten ihren Job wie immer sehr gut. Nicht umsonst ist man Deutschlands größte Live-Band und dies gilt es heute mal wieder zu beweisen. Schade nur, dass dabei meist die Abwechslung auf der Strecke bleibt. Die Ansagen die Fronter Arnim zum besten gibt sind die gleichen, wie schon auf der ganzen Tour und dies kann einen schon nerven. Der Stimmung tut dies allerdings keinen Abbruch. Die BEATSTEAKS spielen sich durch zwei Stunden Hits und bringen nahezu alles von "Smack Smash" und "Limbo Messiah". Alte Kracher muss man leider Gottes vermissen und „Panic“ bleibt der einzige „Launched“ Song der es heute ins Set geschafft hat. Soviel man darüber auch meckern will (oder kann – oder vielleicht sogar tut), die BEATSTEAKS sind einfach eine der besten Deutschen Bands und das haben sie sich auch verdient. Mehr Worte sollten hier nicht mehr vergeudet werden.

Sonntag:

Der Sonntag unterliegt meiner Trauer. Headlinen werden heute Abend die FOO FIGHTERS die mit „Everlong“ meinen absoluten Lieblingssong geschaffen haben und dank einer Heimreise von über 400 Kilometern und dank der Arbeit am nächsten Tag wird auf diese Band verzichtet werden müssen.

Enttäuscht schaue ich mir die jungen Engländer von THE ENEMY an und bin überrascht wie gut die Songs des Albums „We’ll live and die in these Towns“ auch live funktionieren. Eine kleine Schaar von Fans fand sich bereits am frühen Morgen ein um lauthals mitzusingen sich die Hymne „We’ll live and die in these Towns“ an zu hören. Ein schön solider Auftritt.

THE WOMBATS sind für mich dann die letzte Band auf dem SOUTHSIDE 2008 und diese sind derzeit in aller Munde. Ein super Debutalbum und von diesem wurden sie alle gespielt. Das Publikum tanzte ausgelassen zu Joy Division und nicht nur für die jungen Briten kam Weihnachten etwas zu früh. Ich bin mir sicher, wenn ich alle Auftritte des Tages gesehen hätte wären die WOMBATS trotzdem ganz vorn mit dabei gewesen. So endet ein wundervolles Wochenende viel zu früh und mit einer Unwetterwarnung.

Fest halten sollte man auf jeden Fall, dass das Southside zu den besten seiner Art zählt und dass TURBOSTAAT endlich mit den großen Bühnen umgehen können, dass DEICHKIND live einfach eine Macht sind und dass den aktuellen Indiebands leider viel zu wenig Tribut gezollt wird.