Düsseldorf war die vorletzte Station der Wave Goodbye Tour von Nine Inch Nails. Wave Goodbye deshalb weil Trent Reznor, schenkt man seinen letzten Aussagen Glauben, die Band nach Ende der Tour an den Nagel hängen wird. Grund genug also für zahlreiche Fans aus ganz Deutschland, Europa und sogar den USA in Richtung Düsseldorf zu pilgern um NIN nochmal so richtig abzufeiern. Laut Trent Reznor sollen auf dieser Tour weniger Hits, sondern viele seltene Songs gespielt werden. So wurden die üblichen Verdächtigen wie zum Beispiel Closer schon bei den von Trent gehassten Festival Shows aufs Abstellgleis gestellt.
Fangen wir von vorne an: Die Phillipshalle war gut gefüllt, aber nicht ausverkauft. Punkt 20:00 Uhr betraten die wie immer von Trent Reznor persönlich ausgewählte und via Twitter hochgelobte Band MEW die Bühne. Die Dänen boten eine gute halbe Stunde lang von Sigur Ros, Dinosaur JR und den Pixies beeinflussten Alternative Rock, der von MEW mit Hilfe von zahlreichen atmosphärischen Rock Elementen zu einem sehr eigenständigen Stil Anleihen verwurstet wurde. Musikalisch und kreativ befinden sich MEW auf Augenhöhe mit zahlreichen namhaften Alternative Bands. Allerdings ist der extrem hohe Falsettgesang von Jonas Bjerre mehr als gewöhnungsbedürftig und hat auch viele Besucher des Konzerts irritiert. Ich denke, dass man MEW einfach ein paar mal öfter hören muss, damit man ihnen gerecht wird.
Nach MEW wurde die Bühne für Trent Reznor und seine Live Band vorbereitet und schon mächtig Rauch in die Halle geblasen. Die diesjährige Live Band besteht aus Ilan Rubin (ex-Lost Prophets, The New Regime) am Schlagzeug, NIN-Veteran Robin Fink an der Gitarre und Justin Medal Johnson am Bass. Auffällig ist dass dieses mal kein fester Synthie- / Keyboard- Musiker mit dabei ist. Allessandro Cortini hat die NIN live Band nach der aufwändigen Lights In The Sky US-Tour verlassen um sich auf seine eigenen Projekte (z.b. Modwheelmood) zu konzentrieren. Ersetzt wird Allessandro durch alle anderen Musiker, die hier und da mal auch in die Tasten greifen müssen.
Trents Versprechen bezüglich Überraschungen in der Playlist wurde gleich beim ersten Song eingelöst. Die Show wurde, eher unüblich, von einem langsameren Song eingeleitet. Dieser war Home, welcher ein Bonus-Track der europäischen Version von With Teeth war. Nach Home gings mit einem genial gespielten Terrible Lie zurück in die Anfangstage der Band. Spätestens nach dem dritten Lied Discipline war klar dass an diesem Abend nichts mehr zwischen Band und Publikum schief gehen konnte. Die Stimmung war in den vorderen Reihen am Kochen, etwas weiter hinten wurde dezent mit dem Kopf genickt. Überraschung Nummer zwei stellte das Gary Numan Cover Metal dar, welches von NIN auf der Fragile Remix CD Things Falling Apart zitiert wurde. Die folgenden Songs waren insbesondere für die Die Hard Fans von Nine Inch Nails Weihnachten, Geburtstag und Ostern zugleich: The Becoming, Im Afraid Of The Americans (ein Song den Trent zusammen mit David Bowie im Rahmen der Earthling CD aufgenommen hat), Burn, The Way Out Is Through oder Non Entity gehören nicht zwingend zu einem Best Of Set mit dem man neue Fans gewinnt wohl aber zu einem anspruchsvollen Konzert in dessen Rahmen man sich insbesondere bei den Fans bedankt, die der Band lange Zeit treu blieben. Highlights waren noch La Mer und The Fragile bei denen Justin mit Akustik Bass spielte. Insbesondere der Titeltrack des NIN Meisterwerks The Fragile wurde vom ganzen Publikum mitgesungen. Die Perle der Show bildete ein eher unscheinbares Lied ohne Gesang, welches auf der verhältnismässig raren akustischen Still-EP zu finden war: Gone Still schon alleine wegen diesem Lied hat sich die Anreise gelohnt, ich persönlich hätte nicht mehr damit gerechnet jemals ein Lied von der Still-EP live zu hören. Dass die Band Spass hatte zeigte sich nicht nur an der Präsenz auf der Bühne sondern auch an der Setlist. Üblicherweise ist nach The Hand That Feed und Head Like A Hole Hurt der letzte Song der meisten NIN Konzerte, nicht aber an diesem Abend.. dazwischen gab es noch drei weitere Lieder, nämlich The Good Soldier, Echoplex und den Setlist Oberknaller Nummer zwei: The Day The World Went Away. Die Darbietung von The Day The World Went Away und Hurt war dann in Sachen intensiver Atmosphäre nicht mehr zu übertreffen. Ich hasse solche Phrasen eigentlich, aber spätestens bei diesen beiden Nummern wuchsen Publikum und Band zusammen. Während Hurt hörte man niemanden quatschen oder grölen, alle hingen an Trents Lippen und sangen den Song dezent mit. Ich habe in meiner Konzertelaufbahn selten solch intensive Momente miterleben dürfen. Das war pure Magie.
In Sachen Bühnenshow gab es keine aufwändige Produktion in Form von Videoscreens oder ähnlichem. Als gute Idee entpuppte sich die sehr niedrige mit Scheinwerfern gesäumte Bühnendecke. Diese sorgte in Kombination mit gleissend hellen LEDs und Strobos, welche eine Wand hinter der Bühne bildeten für eine sehr intime Atmosphäre. Man konnte fast vergessen, dass man sich in einer ziemlich grossen Halle befand. Die gesamte Lightshow war wieder einmal perfekt ausgeklügelt und ästhetisch. Nie hatte man den Eindruck, dass sich da jemand hinter einer Show verstecken will. Die Band und ihre Musik stand im Vordergrund und wurde passend von der Beleuchtung untermalt, manchmal auch gewollt überblendet.
Fazit: Gerade sitze ich in Berlin im Hotel 2km von der Arena Treptow entfernt wo Nine Inch Nails in 5 Stunden für ihr aller letztes Konzert in Deutschland die Bühne betreten werden. Die Latte wurde in Düsseldorf mehr als hoch gelegt, es war gestern kein Abend für den 08/15 Nine Inch Nails Hörer, der mal laut I wanna fuck you like an animal mitgrölen will. Die Show in Düsseldorf war ein anspruchsvolles Konzert für Liebhaber und gerade deshalb so wertvoll.
Setlist Nine Inch Nails:
Home
Terrible Lie
Discipline
March Of The Pigs
Metal (Gary Numan Cover)
Reptile
The Becoming
I'm Afraid Of Americans (David Bowie Cover)
Burn
Gave Up
La Mer
The Fragile
Non Entity
Gone still
The Way Out Is Through
Wish
Mr Selfdestruct
Survivalism
The Hand That Feeds
Head Like A Hole
Echoplex
The Good Soldier
The Day The World Went Away
Hurt
Photocredit: Rob Sheridan - www.nin.com (wurde nicht bei der Show aufgenommen)