Interview mit War From A Harlots Mouth

04.10.2007
 

 

Interview mit Simon (Gitarrist) von WAR FROM A HARLOTS MOUTH:

Auf eurer Myspace-Seite steht Hardcore/Jazz/Grindcore: wie wuerdet ihr am besten euern Stil beschreiben und wie habt ihr ihn gefunden?

Nun ja, ich denke diese drei Genres ergeben im Mix im Groben das, was wir machen. Wir sind am ehesten dazu gekommen, weil wir uns Mathcore-Kram und so was seit Jahren anhoeren. Es war an der Zeit, mal endlich etwas aus unseren Vorlieben zu machen, was aber garnicht so einfach war, da nicht viele Leute an dieser Mucke interessiert waren und es so nicht unbedingt einfach war, das Line-Up vollzukriegen.

Mit eurer Musik und den passenden Statements auf eurer Seite grenzt ihr euch ja ganz klar von irgendwelchen Genres und Schubladen denken oder Fashion-whatever-Core ab. Gibt es dennoch Situationen, in denen euch Leute versuchen musikalisch in irgendeine Ecke zu drängen? Mittlerweile ist ja auch „Chaoscore“ ein Begriff...

Diese Statements ruehren in erster Linie daher, dass es immer wieder Spezialisten gibt, die uns Nachrichten wie „Death to false Grindcore!“ schicken. Wir wollen damit klarmachen, dass wir nicht für uns beanspruchen, ein Genre konsequent zu bedienen und dementsprechend nicht unbedingt als Grindcore- oder Was-auch-immer-Band bezeichnet werden wollen, denn das macht bei uns kaum Sinn. Wir wissen selbst, dass wir weder eine „richtige“ Grindcore-Band, noch eine konsequente Hardcore-Band sind, wenn es darum geht, uns in eine musikalische Schublade zu stecken. Im Endeffekt sind die Genres, die wir z.B. bei Myspace angeben auch nur als Leitfaden zu verstehen, weil eben Elemente dieser Genres in unseren Songs auftauchen. Wenn sich jetzt jemand deswegen ins Hemd macht, ist das nicht unser Problem. Aber man kann das ja von vorn herein mal sagen, um im Zweifelsfall genau darauf zu verweisen.

Könnt ihr mir etwas zum Titel und zum Artwork eures neuen Albums sagen?

Wir haben einen Titel gesucht, der gut zum Thema Großstadtleben passt. Es gibt einen Comic mit dem selben Titel, den ich mal vor Jahren gelesen habe und so kam mir die Idee, den Titel vorzuschlagen…was dann auch auf Gegenliebe gestoßen ist, haha! In dem Comic dreht sich alles um eine völlig abgefuckte Stadt und einen zynischen Hauptcharakter, der für eine Zeitungsredaktion arbeitet. Seine Sicht auf die Stadt in der er lebt deckt sich ziemlich genau mit meiner Sicht auf das Großstadtleben, das ich kenne. Allerdings lässt der Titel „Transmetropolitan“ natuerlich etwas mehr Spielraum für vielfältigere Ansichten auf dieses Thema.
Das Artwork sollte natuerlich moeglichst eng mit dem Titel verknuepft sein und so hatten wir relativ klare Vorstellungen, was das anging. Die Umsetzung ist auch wirklich gut geworden… das gesamte Booklet ist wirklich sehr sehenswert.

Und zum Album allgemein: wie lange habt ihr daran gearbeitet? Warum ist es zu einem Konzeptalbum geworden?

Ein Konzeptalbum im eigentlichen Sinne sollte „Transmetropolitan“ ja nicht unbedingt werden. Aber der Leitfaden unserer Idee vom lyrischen Inhalt und der Verknuepfung mit dem Artwork haben es schlussendlich zu etwas in der Art gemacht und das ist auch eigentlich ganz gut so.

Wie funktioniert Songwriting bei euch? Wie sehr ist euer „Chaos“ berechnet(um hier mal auf Mathcore anzusprechen)?

Unser Chaos ist schon recht berechnet, es kann ja auch kaum von ungefaehr kommen. Wir machen uns schon Gedanken um die Zaehlzeiten und Versetzungen und manchmal entstehen diese Sachen im Kopf unseres Drummers und wir versuchen dann auf diese etwas zu spielen. Sonst entstehen Songs auch viel auf Riffs, die man sich so ausdenkt und dann im Proberaum versucht, zu mehr auszuformen.
Eigentlich wuerde ich die Herangehensweise an unser Songwriting als recht herkoemmlich bezeichnen. Uns kommt es halt nur entgegen, das ganze etwas zerfahrener zu machen. Und der Begriff Mathcore wird von uns eigentlich recht wohlwollend angenommen. ;)

Ein Bekannter von mir, der bei TIME HAS COME, die ihr ja auch kennt und die „aehnliche“ Musik wie ihr macht, hat mal gesagt: „Ich finde einen Song erst richtig gut, wenn es sich nicht mehr nach Musik anhoert. So was wuerde ich am liebsten machen!“

Erstmal ist zu sagen, dass Time has come ne super Band ist und das gilt auch für die Typen. Wir sind wirklich gut befreundet mit den Fischköpfen, und das heisst nicht nur bei MySpace in den Top Friends, sondern so richtig in privat, falls das heutzutage noch jemand kennt, haha! Dennoch sehen wir es nicht ganz so extrem, sag ich mal. Ich denke auch, dass diese Aussage ein bisschen mit einem zwinkernden Auge zu verstehen ist – verstehe aber auch den wahren Punkt dahinter. Wir sind schon irgendwie darum bemüht, unserer Musik gewisse straighte Momente und Eckpfeiler zu geben, damit sie nicht voellig am Hoerer vorbei zieht, ohne einen Eindruck zu hinterlassen.

Wie habt ihr euch als Band gefunden? Wie ist WAR FROM A HARLOTS MOUTH entstanden? Und – ihr seid ja noch eine „relativ“ junge Band – wie habt ihr euch in der Zeit bis zum ersten Album entwickelt als Band und Musiker?

Erstmal vorneweg: Sooo wahnsinnig jung sind wir garnicht, haha! Unser Gitarrist Daniel ist grad auf der Tour 31 Jahre alt geworden. Frag den mal wie jung das ist, hahaha. Ansonsten haben wir zwei 25er und zwei 22er in unseren Reihen.
Paule und ich kennen uns von unseren früheren Bands und wollten schon seit bestimmt 2003 ein Projekt starten, sind aber nie dazu gekommen. Als ich mit Steffen, den ich auf ähnlichen Wegen kennengelernt habe, dann Ende 2005 mit WFAHM anfing, dauerte es nicht lange bis Paule mit an Bord war. Die anderen beiden sind erst nach unseren Aufnahmen zur Split dazugekommen, nachdem wir ihnen die Songs per Mail haben zukommen lassen. Die hatten wir noch zu dritt aufgenommen und ich habe den Bass und beide Gitarren damals alleine eingespielt.

Wie kam es zum Plattenvertrag mit Lifeforce? Wie sind sie auf euch aufmerksam geworden?

Das war eine recht simple Sache. Wir haben denen bei Myspace geschrieben, dass sie sich unser Zeug anhören sollen und dann Bescheid geben sollen, ob sie an mehr Demomaterial etc. interessiert sind. Auch das war noch vor der Split-CD Veroeffentlichung. Die Gespräche wurden dann über die Zeit immer konkreter und Ende 2006 war dann alles unter Dach und Fach.

Nachdem ihr ja die ersten Songs Anfang 2006 mal online gestellt hattet, hattet ihr quasi sofort unglaublich viele Leute, die sich die Songs angehoert haben. Wie sah es da mit Feedback seitens der Fans aus? Und wie war das Gefühl, dass so viele Leute an euch und eurer Musik interessiert waren?

Das war schon sehr beeindruckend und fuer uns auch nicht so ganz verstaendlich. Das Feedback aus Deutschland hielt sich damals noch sehr zurück, weil hier niemand an chaotischer Mucke interessiert war – oder sagen wir mal – sehr wenige. Die meisten Reaktionen kamen aus den USA. Frag mich nicht, wie wir so konsequent bis dahin durchdringen konnten. Natürlich haben wir die Werbetrommel auf MySpace geruehrt, so gut man das da machen kann…aber richtig erklaeren konnten wir uns das natuerlich trotzdem echt nicht. Nach und nach, so mit den ersten paar Shows, wurden auch hierzulande die Kids ein bisschen wach, was uns natuerlich erleichterte und freute. Denn schlussendlich kommen wir hier her und wollen auch hier viel spielen – und dafür muss man hier ja erstmal auch auffallen.

Gab es dann einmal (als der Plattenvertrag mit Lifeforce auf euch zu kam) eine Phase, wo ihr euch – oder einer oder einige von euch – sich zwischen Band, Touren, Unterwegssein und dem „normalem“ Leben entscheiden mussten?

Das muss man ständig. Diese Frage stellt man sich ja quasi vor jedem Tourangebot. Wir haben keine unbegrenzte Freizeit und müssen unser Leben halt auch neben der Band voranbringen. Auch wenn wir uns schon wirklich viel Zeit nehmen und mehr oder weniger in der Position sind das machen zu können, gibt es halt auch Grenzen und da muss man jedes mal abwaegen. Und weil so viele fragen: Nein – davon kann man nicht leben! Auf einem Label zu sein, bedeutet nicht das man finanziell ausgesorgt hat und alles gratis ist. Wir haben also keine Sportwägen, Stadt-Villen oder Schweizer Nummernkonten und daran wird sich auch nix ändern.

Was erwartet ihr euch von eurem Debütalbum?

Das ist eine schwierig zu beantwortende Frage. Und eigentlich auch eine Frage, die man sich vor allem vor dem Aufnahmeprozess stellt. Im Endeffekt will man einfach nur gute Arbeit abliefern und den eigenen Vorstellungen gerecht werden. Schließlich macht man das alles in erster Linie fuer sich selbst. Wie die Platte dann bei den Leuten ankommt, steht schon eher dahinter. Man wünscht sich natuerlich, dass es die alten Fans zufrieden stellt und das man auch neue Fans gewinnen kann. Die Reaktionen bisher waren auch wirklich durchweg sehr positiv, damit haetten wir bei unserer Musik eigentlich nicht unbedingt gerechnet, da sie ja doch irgendwie polarisieren muesste. Mehr kann ich zu unseren Erwartungen eigentlich nicht sagen…

Was ist euch wichtiger: viele verkaufte Platten oder ausverkaufte Konzerte? Oder nichts von beidem und euch geht es mehr um den Spaß an sich oder so ähnlich?

Wie schon gesagt: In erster Linie geht es darum, sich selbst zufrieden zu stellen und sich mit der eigenen Musik identifizieren zu koennen. Alles andere kommt dann entweder von selbst oder auch nicht.Wir sind jedenfalls ziemlich engagiert und willig, jedes Konzertangebot wahrzunehmen und freuen uns selbstredend auch, wenn es dann noch voll ist. Aber das ist keine Grundvoraussetzung für eine gute Show. Wir hatten schon wahnsinnig coole Shows vor quasi leeren Sälen. Was die Verkaufszahlen von Platten anbelangt, lassen wir uns einfach überraschen. Ich brauch ja garnicht erst zu sagen, dass es keinen von uns stören wird, wenn sie sich gut verkauft, denn das ist ja auch eine wichtige Grundlage dafuer, weiterhin live viel spielen zu koennen. Und das wollen wir gerne tun.

Was habt ihr dieses Jahr noch auf dem Terminplaner stehen?

Für Dezember ist eine Tour durch ein paar deutsche Staedte geplant, die Daten werden bald bekannt gegeben, stehen aber weitestgehend fest. Ansonsten spielen wir in der Zwischenzeit viele Weekend-Shows, da versuchen wir auch wirklich jedes Wochenende mitzunehmen, haha! In Schweden werden wir im September noch mal außer Landes zu sehen sein, nämlich auf dem Deadfest – und da wir in diesem Land noch nie waren, freuen wir uns alle sehr darauf…auch wegen der reizvollen Landschaft. Im Detail ist alles auf unserem MySpace im Show-Kalender nachzulesen, also macht euch ein Bild und kommt vorbei.

Gibt es irgendwelche Rituale die ihr vor Auftritten vollzieht oder hinterher?

Nein. Wir haben das nur ein mal bei einer Band gesehen, ich nenne jetzt keinen Namen, und da wirkte das so panne, dass wir noch heute drueber Witze machen. Es liegt also auf der Hand, das wir uns zu doof vorkommen würden, wenn wir uns alle einschwoeren würden oder so was. ;) Jeder macht ein bisschen Stretching und läuft ein paar mal hin und her, um die Muskeln zu lockern und zu wärmen…und der Rest findet dann auf der Bühne statt, wo er hingehört.

Habt ihr irgendwelche lustigen Touranekdoten von irgendwelchen spaßigen, verrückten Sachen, die ihr erlebt oder angestellt habt?

Oh ja…tausende! Der Start in unsere grad beendete Sommer Tour verlief so schraeg, dass er erzaehlt werden muss: Wir waren mittags verabredet, um erst den Merch bei mir aufzusammeln und dann beim Proberaum das Equipment zu verladen. Soweit, so gut. Auf dem Weg Richtung Autobahn fiel Daniel auf, dass er vergessen hatte die Karte für UK auf unser Navi zu laden. Da die Wohnung unseres Drummers Paule auf dem Weg lag und wir die Software und alle Kabel mithatten, fuhren wir zu ihm. Dort mussten wir feststellen, dass die Speicherkarte zu klein war. Also gingen zwei von uns zu einem entsprechenden Fachhaendler und besorgten eine doppelt so große. Zurueck bei Paule ging aber immer noch nix, sodass wir zu Daniel fuhren, um es dort zu versuchen. Denn er hatte die Karte von Europa auch schon bei sich draufladen muessen, also musste es dort ja gehen. Dort angelangt rannte er in seine Wohnung, fing an alles in Gang zu setzen und wir warteten am Van - in der Erwartung, er würde in ungefähr 30 Minuten wieder da sein. Pustekucken. Nach einer halben Ewigkeit rief er uns an und sagte, dass es noch eine Weile dauern würde und wir gingen zu ihm, um Café zu trinken. Da der Fortschritt-Balken nicht mal ein Viertel des Status füllte, entschlossen wir Eis essen zu gehen und danach „This is Spinal Tap“ zu sehen. Schlussendlich hat uns das alles 5,5 Stunden gekostet. Gluecklicherweise hatten wir so großzuegig vorausgeplant, dass wir es trotzdem noch rechtzeitig zur Fähre nach UK packten. Aber das hieß auch 900km abzureißen, ohne großartig zu pausieren. Naja…ein verkorkster Start, aber auf jeden Fall kann man mit einem Laecheln auf den Lippen darauf zurueckblicken.

Ich danke schon mal im Voraus fürs Beantworten der Fragen!

Danke dir fuers Interview!!! Simon / WFAHM