Gutes folkbeseeltes Pathos, ätherische Orgeln, krachlederne SABBATH-Rocker, schwülstige Eighties-Romantik und eine ausgewogene Mischung aus Frauen- und Männerstimmen, die die Welt gern haben, aber das nicht immer. Wie geht das zusammen? BLACK MOUNTAIN sagen: Gar nicht so schwer. Einfach mal "Wilderness Heart" hören.
Wie vertont man eigentlich die Sonnen- und Schattenseiten des Lebens, ohne disparat zu wirken? BLACK MOUNTAIN, die auf "Wilderness Heart" wesentlich konziser, songorientierter, bisweilen manischer klingen denn je, entscheiden sich für den Weg der bunt durchmischten Genres- und scheitern großartig. Macht aber gar nichts. Wenn sie die Gitarren anwerfen, dann richtig. Wenn sie zeitlos klingen wollen, dann halt Folk. Wenn sie krude Atmosphäre evozieren wollen, dann halt der Griff in den Synthie-Giftschrank, der hier allerdings sehr genießbar geöffnet wird. Wie sehen eigentlich Menschen aus, die den ganzen Tag solche Musik hören? Es müssen Mischexistenzen sein. Aber bestimmt sehr nette.
Und wie die Kanadier hier bedeutungsschwer und assoziativ ihre Zeile aufladen („Children play softly around the explosions / Tearing at shrapnel wrapped up in clothing / And I am left waiting for the doctor to serve…“ aus dem grandiosen 'Radiant Hearts'), in manchen Melodiebögen die Sonne aufgehen lassen, nur um im nächsten Stück wieder breitbeinig und manchmal ein wenig bräsig zu rocken. 'The Space of Your Wind' durchweht ein verhaltenes Schlagzeug, eine Akustische drängt sich nicht auf, im Hintergrund säuselt irgendwas Engelsgleiches. Man singt gelangweilt euphorisch, verträumt: „I am riding the crazy blue waves through the space of your mind.“
BLACK MOUNTAIN sind ironischerweise genau dann ziemlich brillant, wenn sie die Pathoskarte vollends ausspielen und sich nicht zu sehr in Rock- und Psychedelia-Manierismen verlieren. Wie sich R-O-C-K im BLACK MOUNTAIN Paralleluniversum buchstabieren sollte, beweist der Opener: Ein offener Rocker, ein bisschen BECK-Flair, ein wenig SOUNDGARDEN zu "Down On The Upside"-Zeiten, dazu saftiges von D. Sardy produziertes Drumming. Hört sich komisch an? Ist ein ziemlicher Hit. 'Old Fangs' hat dann schon mehr von der leicht schrägen, entrückten typischen BLACK MOUNTAIN-Atmosphäre mit aufgeblähten Synthies und gemischt-gedoppelten Zeilen (der Harmonietrick), die sich unmittelbar ins Hirn fräsen. Hielten die nachfolgenden Songs die Qualität der ersten drei und letzten zwei Stücke, man könnte glatt von einem kleinen Meisterwerk sprechen. So reicht es noch für überdurchschnittliche Kurzweil, die einen immer wieder überrascht aufhorchen lässt. 'Rollercoaster' ölt dann doch ein wenig zu behäbig durch den 70s-Rock-Dschungel, 'Let Spirits Ride' stormt die gates of Irgendwas, macht als SABBATH-Referenz zwar Spaß, fällt im Gesamtkontext allerdings ziemlich ab. Dann lieber THE SWORD hören. Was war das jetzt wieder für eine Melodie? Dieser und jener Soundeffekt hätte durchaus aus einem nicht eben teuer produzierten 80er Jahre Horrorfilm stammen können. Und doch: das meiste hier fügt sich. 'Sadie' ist dann der finale Beweis für das Zusammengehörigkeitsgefühl von Pathos und Verlorenheit. Gemäßigt dräuend, spärlich instrumentiert, toller gedoppelter Gesang, the epic last song, bedeutungsschweres Schlagzeug, wabernde Synthies. „Please Sadie, oh won’t you come down/ and surrender your throne.“ Auf Pathos allerdings sollte man schon stehen.
Tracklist:
01: The Hair Song
02: Old Fangs
03: Radiant Hearts
04: Rollercoaster
05: Let Spirits Ride
06: Buried By The Blues
07: The Way To Gone
08: Wilderness Heart
09: The Space of Your Wind
10: Sadie