Interview mit COR

27.11.2010
 

 

Die Fotos sind von Christian Thiele (http://trashpics.com) zur Verfügung gestellt worden!


Hallo COR. Mit wem von euch habe ich das Vergnügen?

Mit Sänger Friedemann.



Warum habt ihr euer neues Album eigentlich nicht „Herzblut“ genannt, schließlich scheint euch das lebenswichtige Organ vor lauter Schmerzen auszubluten?

Manchmal blutet es vor Schmerz, manchmal springt es vor Freude! Das hält sich die Waage.
„Herztier“ soll unterstreichen, dass wir unsere Musik mit Leidenschaft und dem dazugehörigen Killerinstinkt spielen. Wir fanden es passend! Außerdem dürfte es eine handvoll Alben namens „Herzblut“ geben, bei „Herztier“ sieht es anders aus!



Ihr bezeichnet euren Stil als Trashrock. Wäre nicht Streetrock besser, da ihr von der Straße für die Straße singt?

Trashrock bezeichnet all die guten Zutaten aus denen wir unsere Musik „bauen“: zum einen der ewige und unvergängliche Rock N Roll zum anderen ( wie du weiter unten gut bemerkst) etwas Schieflage, etwas Eigenheit und eine ordentliche Portion Dreck! Aber Namen sind eigentlich Schall und Rauch , Cor spielen Cor und aus.

„Herztier“ wütet textlich mal wieder in altbekanntem Terrain. Z. B. ist der „Paul“ weg weil er nicht an das Ende der Welt, sondern an den Anfang wollte, und „Beissen“ bietet diese Steh-auf-und-Kämpf Attitüde. Ist denn wirklich alles schlecht oder gibt es auch lyrische Lichtblicke?

Ich empfinde z.B. „Paul“ als lyrischen Lichtblick , aber das ist sicher Ansichtssache. Wen ich texte möchte ich nicht jammern, dass liegt mir nicht und entspricht nicht meiner Persönlichkeit. Ich erzähle Geschichten, mache Beobachtungen, Beschreibe die Welt um mich herum und wie ich sie wahrnehme. Und manchmal ist sie zum Kotzen und oftmals muss man lachen und ist glücklich und zu frieden. Bei aller Kritik und Wut stehen COR – Songs auch immer für Hoffnung.



Wenn ihr euch für eine Szene entscheiden müsstet, wäre das Hardcore, Punk oder Metal? Und warum?

Wir wollen uns für gar nichts entscheiden! Warum sollten wir? Ich persönlich höre Musik aus allen Bereichen, Metal, Punk, HC, Blues, Ska, Soul, Songwriter , Hiphop ! Wo ist das verdammte Problem dabei? Wichtig ist doch, dass die jeweilige Musik mit Herz und Seele gespielt ist und mehr vermittelt als die Ruhm- und Geldgeilheit der Interpreten! Es gibt in jeder der oben genannten Richtungen Bands die mir viel wert sind und die ich sehr mag und sie öffnen mir die Augen für andere Weltsichten und Auffassungen. Sich dagegen zu verschließen wäre in meinen Augen dumm.

Auffällig für mich ist der relativ hohe Metalanteil in euren neuen Songs. Es fehlen mir aber die richtig dreckigen, bösartigen Nummern und diese 1-2-3- Schrabbel Mentalität wie z. B. auf meinem Lieblingssong „Verlust“. Ihr scheint euch durchaus musikalisch verändern zu wollen. Wie weit darf der Spagat gehen, ohne dass die Beine vom Verbiegen brechen?

Wir nehmen zu jeder Platte die Musik und die Texte auf die uns gerade bewegen, keiner von uns kommt in den Proberaum und sagt:“ So Leute , ab heute verändern wir unseren Stil!“Was soll der Scheiß? Niemand bleibt stehen, Leben ist Entwicklung. Man unterliegt Einflüssen und Veränderungen um einen herum, gewinnt an Erfahrung und da sind wir als Musiker nicht ausgeschlossen. Doch wem bringt es was 1000 – mal einen Song wie „Verlust“ ( der wirklich sehr gut ist) aufzunehmen? Niemanden! Wir machen neue Songs, neue Platten und die werden zwangsläufig immer etwas anders klingen aber trotzdem Cor – typisch sein. Wir müssen es doch wissen, denn wir sind ja die, von denen die Songs stammen.



Ihr hört euch immer noch streckenweise sehr holprig und untight an. Und das nach 7. Alben im Rücken. Friedemann liegt auch am Gesang des Öfteren wie eh und je etwas neben der Spur. Ich mag das, zumal ihr so Wiedererkennung und Charakter gepachtet habt. Aber ihr könntet doch auch versierter, eleganter und kommerzieller wie z. B. die APOKALYPTISCHEN REITER vorgehen, die jetzt angesagt sind wie nie zuvor. Quo vadis COR?

Gib uns ein paar tausend Euros für ein fettes Studio und wir klingen runder und schöner und fetter und geiler und perfekter. Würden wir wirklich gern mal probieren, mit richtig Zeit und geiler Technik aufnehmen! Ist aber nicht drin! Also gehen wir ins Studio oder das Studio kommt zu uns, wir rocken den Kram rein mischen es und Tschüß! Wir kommen damit gut klar und ich mag die Scheiben die wir gemacht haben sehr. Das mit dem holprig und untight finde ich interessant, weil uns oft genau das Gegenteil vorgeworfen wird! Zu sauber, zu metallisch etc.! Naja jeder hat ne Meinung! Und die Singerei ( oder besser das Gebrüll) ist halt ein wenig schief oder nett gesagt charaktervoll, aber das interessiert mich nicht, ich bin wie ich bin und komme gut damit klar!

Schließt ihr kommerziellen Erfolg eigentlich bandintern aus? Was wäre denn, wenn euch die Plattenfirmen die Bude einrennen würden und auf einmal alle nach euch schreien würden?

Wenn wir mit dem Sound, der Schieflage und ohne Zugeständnis Geld machen würden und davon leben könnten - warum nicht! Wir würden uns dafür aber nicht nackig machen. Und für den internationalen Durchbruch machen wir die falsche Musik!

Seit 7. Alben treibt ihr nun bereits euer Unwesen und euch wurde schon viel nachgesagt. Machen euch Aussagen wie „Einer von den Prollhanseln zockt auch bei den Troopers und dat is ja wohl die ärmste Kopie der Onkelz überhaupt“ wütend und wie geht ihr allgemein mit Kritik um?

2 Prollhansels haben bei den Troopers gespielt, dass sehr gern getan und die Sache vor ca. 3 Jahren beendet. Troopers haben ziemlich zeitgleich mit den Onkelz angefangen und fahren meiner Meinung nach einen etwas andern Sound. Ich mag Atzes Sachen sehr und er ist ein ehrlicher aufrichtiger aber auch sehr eigener Mensch. Kritik ist immer etwas schmerzhaft, besonders wenn sie persönlich wird! Ich lese mir die Reviews meistens gar nicht durch, denn aus der Erfahrung weiß ich, dass viele Musik dee verrissen wurde in meinen Ohren großartig ist und umgekehrt! Selbst hören macht schlau!



Stimmt das eigentlich mit den TROOPERS und wie lässt sich das mit COR inhaltlich vereinbaren?

Wie oben gesagt haben wir die Zusammenarbeit vor ca. 3 Jahren beendet und für mich ist die erste Troopers Scheibe eine der besten deutschsprachigen Platten. Wir hatten ne gute Zeit und manchmal vermisse ich sie.

Auf „Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere“ findet sich ein Song namens „DIY“. Meiner Meinung seid ihr genau das. Oder vielmehr wollt ihr das unbedingt sein. Wirkt das nicht mittlerweile ein wenig aufgesetzt dieses „lebe deine Träume anstatt das Leben träumen“?

Für uns nicht! Was ist darin aufgesetzt seine Träume zu leben, oder es wie wir zumindest zu versuchen? Ich habe immer davon geträumt zu touren und Musik zu machen, mit guten Bandkollegen die gleichzeitig meine Freunde sind! Und genau das mache ich im Moment! Das ist nicht immer pefekt, hat auch seine Schattenseiten aber im Großen und Ganzen ist es ein gutes Leben! Und DIY versuchen wir nicht zu sein sondern sind es , weil wir diese Lebensart nicht nur predigen wollen sondern versuchen, sie mit Leben zu füllen

Ihr bezeichnet euch selbst nicht als „Künstler“. Was ist so schlecht an dem Begriff, schließlich soll eure Musik und die Texte doch auch der Interpretation dienen.

Ich denke wir sind Musiker, aber wenn jemand will kann er gern Künstler sagen, da hat keiner ein Problem mit. Vielleicht machen wir ja naive Kunst?

Ihr habt euer eigenes Label und gebt immer wieder an, alles bandseitige selber zu machen. Allerdings schicke ich diese Fragen über eine Promoagentur. Passt doch irgendwie nicht zum echten Punkrock, oder?

Wir haben einen Freund, der heißt Florian, der mag uns sehr und bot uns an uns mit seiner eigenen, kleinen 1-Mann Promotionsfirma bei der Promotion zur neuen Platte zu unterstützen! Und der will nicht mal Geld und sagt Dinge wie: „ Das passt schon!“ oder „Ich mache das gern für euch!“ Wir mögen ihn, er mag uns und zusammen machen wir nur Sachen, die zur Band passen und die wir vertreten können! Vielleicht sollten wir es DIYMHVF ( do it yourself mit Hilfe von Freunden ) nennen? Ich denke das wäre korrekter und werde es mir für die Zukunft merken.

Was macht ihr eigentlich neben COR? Geregelte, gut bezahlte Arbeit dürfte wohl nicht zu eurem Repertoire als Prekariat-Poeten, die vornehmlich die durch das Leben gefallenen aufrichten wollen, gehören.

Ich bin Sozialfuzzi und arbeite mit Suchtkranken, Matze verkauft Wein und macht unser Booking, Hanse druckt Merch und ist Labelboss und Pilse macht Grafikdesigns und ist auch Labelboss. Ganz normale schwer verdienende Menschen.

Ungerechtes treibt euch an. Liegt da auch nicht eine Gefahr, irgendwann einmal das Leben zu schwer zu nehmen, permanent zu kotzen und überhaupt nicht mehr klar zu kommen?

Wir nehmen das Leben nicht nur als Last sondern sehen schon die guten und schönen Seiten, die es reichlich gibt!

Und nach dem Kotzen wird gelacht und manchmal auch beides gleichzeitig! Im Moment kommen wir gut klar und passen auf uns auf.



Das müsst ihr unbedingt noch loswerden:

Eigentlich ist alles gesagt, ich wünsche euch ne gute Zeit und immer dran denken: Die Hoffnung stirbt zu letzt!

Ich danke dir und wünsche COR für die Zukunft alles Gute!

Dank und Gruß

Friedemann