Trier at its best. Ein kolossales Konzerterlebnis zwischen Extase und Synkope.
Für uns beginnt der Abend erst mit THE HAVERBROOK DISASTER , doch was man so hört, müssen die zwei schon vorangegangenen Vorbands mächtig eingeheizt haben (im mehr als im wörtlichen Sinn): Die quasi Lokalmathadoren von CHOKING ON ILLUSIONS müssen eine so gute Show gespielt haben, dass die nachfolgenden DEPARTURES und THE HAVERBROOK DISASTER in Sachen Publikumsbeteiligung und –anwesenheit blass aussehen müssen. Die Show von THB ist tatsächlich etwas matt. Sie geben sich zwar alle Mühe und wirbeln über die Bühne, jedoch trüben einige kleinere Verspieler und die eingeschränkte Stimmvarianz des Sängers etwas.
Mit HUNDREDTH geht es dann auch für das Publikum so richtig los. Schon vor Beginn ist es in der vorderen Hälfte des großen Exils ziemlich gestopft voll, als Sprechchöre anfangen die Band auf die Bühne zu fordern. Dann treten die Jungs aus South Carolina ins glühende Scheinwerferlicht und verkünden, dass heute ein Video aufgenommen würde, also sollen so viele wie wollen auf die Bühne kommen und stagediven. Gesagt – getan. Nicht zuletzt der von der Band ab dem ersten Instrumentenanschlag vorgelegten Energie zum Dank, startet nun eine große Völkerwanderung über die Köpfe der auf den Boden stehenden hinweg. Eine super aufgelegte Band, ein perfekt gespieltes Set, sowie eine brodelnde und lauthals mitsingende Crowd machen richtig Spaß. Außerdem präsentieren HUNDREDTH neben ihrer gut gewählten Songauswahl vom ersten und zweiten Album (von „Desolate“ bis „Carry On“) auch noch Songs der neuen EP „Revolt“ (übrigens von der Band als Gratisdownload bereitgestellt), die Vorfreude wecken.
Im Gegensatz zu ihren Vorgängern, wo es ab der ersten Sekunde Crowdsurfs gab und sonst eigentlich keinen Pit, gibt es jetzt bei FIRST BLOOD einen Pit, der beinahe den kompletten Durchmesser des vorderen Exils einnimmt. Sänger Carl Schwarz eröffnet mit „First Blood“ und eigentlich ist er ja ein in sich liebenswerter Widerspruch, wie er da zu Hau-Drauf-Tunes so freundlich und gutgelaunt in die Menge strahlt – und schief grölenden Fans lächelnd das Mikro hinhält und Highfives gibt. Generell macht ihr ganzes Set Laune. Es ist eben die FIRST BLOOD ganz eigene Mischung aus Kurzweiligkeit der Songs und Breakdowns, die einen beinahe vergessen lassen, dass es mittlerweile gefühlt 50°C und 80% Luftfeuchtigkeit im Raum sind. Und auch finde ich, schwappt ein Stück weit der Idealismus der Band auf der Publikum über und trotz intensivem Pit wird doch das Gefühl von Fairness und Einheit vermittelt. Bemerkenswert ist auch, wie die Band mit jüngeren oder noch ganz neuen Fans umgeht: Da ist nichts von dieser Arroganz zu spüren, die teilweise andere Bands mit ähnlichem Altersdurchschnitt der Bandmitglieder und ähnlich langer Bühnenerfahrung an den Tag legen, nein, man heißt sie willkommen, sagt, dass der kommende Song „Suffocate“ quasi für sie ist. Eben rundum eine tolle Live-Darbietung von einer super sympathischen Band!
Um eines vorweg zu sagen: Was jetzt gleich kommt, ist eines der besten Konzerte, dass ich seit langem gesehen habe. Zehn Monate nach ihrem letzten Gig im Exhaus erobern STICK TO YOUR GUNS die Bühne und die Herzen zurück. Trotz an sich kurzer Umbaupausen ist die Crowd kurz vor Beginn des Headliners schon absolut rastlos. Als dann aus einem Radio-Tuning das „Sprech-Intro“ von „Diamond“ wird und STYG die ersten Drums ertönen lassen, rastet das Publikum bereits aus. Schon bei den ersten Worten „I know“ explodiert die Menge geradezu, alles und jeder drückt nach vorne zu Frontmann Jesse, um ein Teil dieses großen Gemeinschafts-Feuerwerks zu sein. Erhobene Hände und aus vollem Hals und Herzen mitsingende Münder im ganzen Raum, stimmen überschwänglich den Hit „Amber“ an, der schon als zweiter Song gespielt wird. Eigentlich lassen sich diese Euphorie, Energie und alles umfassende Extase, die an diesem Abend, während dieses Sets, stattfinden, kaum beschreiben und in Worte fassen. Von der Band, ebenfalls komplett überwältigt, hört man nur ein verdutzt staunendes „People, this is insane!“. Dieses große Gefühlskino wird im Laufe des Sets übrigens noch auf die Spitze getrieben, als die Band kurz unterbricht, um einem Pärchen auf der Bühne Platz zu machen. Was dann folgt, ist ein Heiratsantrag von ihr an ihn vor versammelter Horde in subtropischen Klima.
Um zurück zur eigentlichen Show zu kommen: „Bringing You Down“ wird von Carl Schwarz live gefeatured, der ja praktischerweise mit auf Tour ist. Ebenfalls bekannt sind Jesses starke Reden, jedes Mal anders und jedes Mal mit großer Ehrlichkeit gesprochen. Und so geht es um lebensnahe Themen, von Obdachlosen, dem Misstrauen in Regierungen, Gleichberechtigung von Homosexuellen, und und und. Doch Jesse gelingt es, dass man dies nicht als drögen Sermon wahrnimmt, sondern im Gegenteil, das Publikum Beifall klatscht. Nun, eigentlich soll dies keine Lobhudelei werden – doch an diesem Abend ist es nur angebracht. Wer kann, sollte sich unbedingt noch Karten für die laufende Tour besorgen!