Die Nachricht über eine ausgedehnte SAMIAM Europa-Tour mit noch ausgedehnterem Halt in Deutschland war ja schon schön. Zwar schwirrt da natürlich immer so der Gedanke mit, dass die letzte Platte durchaus nicht ganz so geil war (so der Haupttenor, ich feier das Teil noch immer ziemlich und „Take Care“ ist ein übel unterschätzter Hit), die Band live vielleicht Hits abfeuert, aber gerade Jason Beebout lieber trinkt als seine Stimme nochmal zu pflegen und überhaupt war man live ja nie wirklich tight. Drauf geschissen. Vor ein paar Tagen sah ich die Band dann bereits in Berlin. Wohl bewusst die Vorbands verpasst. A DEATH IN THE FAMILY und THE CASTING OUT (ja, diese Farce, die scheinbar tatsächlich Fans hatte). Und SAMIAM?
Die kamen an jenem Abend zu viert auf die Bühne und ließen das Fehlen ihres Bassisten entschuldigen. Er sei mit einem „heißen Girl“ weg und kommt vielleicht noch auf die Bühne. Wenn nicht, dann gibt es einen Teil vom Geld zurück. Ob er tatsächlich mit einem Mädchen weg war oder nur die Stage-Time verpeilt hat ist fraglich, trotzdem kommt er nach 4 Songs auf die Bühne getorkelt. Das Gesicht für ein „heißes Girl“ hat er jedenfalls, attestiert eine Dame neben mir. Wie auch immer. Hits Hits Hits. Begonnen wird mit „Sunshine“ und dann immer so weiter. Als Zugabe gibt es nochmal „Sunshine“, weil es ja zu viert irgendwie verkackt wurde und auf Zuruf Wünsche. Während den Songs wird dann gerne mal gestoppt, Whiskey darf ja nicht verkommen und auch sonst ist die Band nach jedem Song ein Stückchen besoffener. Als Fan: Ein Fest. Als Besucher, der sich das „nur mal so“ anschauen wollte vielleicht eine Unverschämtheit. Achja: Der Veranstaltungsort war das Lido, ein vergleichsweise ziemlich großer Laden. Vor allem aber ein zu großer Laden für SAMIAM. Sie gingen unter, Stimmung wollte nicht entstehen. Daher folgende Entscheidung:
SAMIAM im Underground zu Köln. Ausverkauft, alle sind sie da. DEATH IN THE FAMILY erneut verpasst, auch wenn sie später nochmal die Bühne entern sollten. THE CASTING OUT strengen sich an und es scheint fast, als seien ein paar Leute für die Band hier. Tut mir leid, ich kann dem halbgaren Kram einfach nichts abgewinnen, zumal es etwas weh tut Nathan Gray auf dieser Bühne stehen zu sehen, wo er vor ein paar Jahren noch wütende Songs von sich gab mit einer Band, die damals so unglaublich viel mehr Substanz hatte als THE CASTING OUT. Doch jene Substanz geht ja spätestens auf dem Sponsor-Event in Magenta auch verloren. Aber zurück zum Abend.
SAMIAM betreten die Bühne. Wie erwartet ist „Sunshine“ der Opener und noch ist alles etwas verhalten. Die Band sah man bereits mit alkoholischen Mischgetränken im Publikum rumstehen, jetzt gerade sieht man schon ansatzweise das Ergebnis dessen. Die Songs sitzen, das Publikum hat Bock, doch der ausschlaggebende Song fehlt. „Mexico“, „Super Brava“ und a car full of zeros ziehen vorbei bis endlich „Dull“ angestimmt wird. Kein Halten mehr jetzt. Stage-Diving, Sing-A-Longs, große Typen in Armen. life can be so dull: Jetzt gerade nicht. Dann geht es Schlag auf Schlag. Auf der Bühne werden die Gläser aufgefüllt (der arme Roadie) und im Publikum das Stimmvolumen zum erliegen gebracht. Verdammt, woher hat diese Band all diese Hits? Warum spielt eine Band wie HOT WATER MUSIC in größeren Locations, vor mehr Idioten (immer das Anzeichen von einem Hauch Erfolg) und dann auch noch Solo-Touren, während diese aufrichtigen Egalo-Typen auf der Bühne noch immer um ihre Gage bangen (Klar, heute nicht!). Aber das ist ja auch in erster Linie ein Vorteil. Denn SAMIAM kann getrost alles egal sein. Diese Band kann es sich leisten immer besoffener zu werden, denn sie sind niemandem etwas schuldig. Die Fans wurden schon längst befriedigt, auch wurde das Reunion-Rad hier nie unnötig angekurbelt. Also: Alles richtig gemacht und einfach unbeschwert. Die eigentliche Show beginnt dann aber mit der Zugabe. Auf die Bühne kommen A DEATH IN THE FAMILY, die einen alten Hit spielen und danach, laut Sergie Loobkoff, endlich den Applaus erhalten, den sie verdienen. Während des Songs sieht man den Rest von SAMIAM besoffen und crowd-surfend und pogend im Publikum, während der eigentliche Hit des Abends, nämlich der Bart von Sean Kennerly, hübsch von Sergie mit einer Portion Isolierband verulkt wird. Was dann folgt: Man zieht Jason genüsslich die Hose aus, der lässt sich nicht beirren und singt weiter, die Band reicht eine Flasche Whiskey ins Publikum woraufhin der Typ mit dem Bart verzweifelt fragt ob noch etwas übrig ist und traurig drein guckt, als sein Bass-Kollege den letzten Schluck aus dem Publikum gereicht bekommt. Dann nochmal schnell zwei Songs (darunter „Capsized“, kein Halten mehr) und die Ansage zum nächsten Song die erneut von Sean Kennerly kommentiert wird mit „Vorher brauche ich bitte einen Schluck Whiskey“ und er sich auch noch nett eine Zigarette aus dem Publikum reichen lässt. Insgesamt also nicht nur ein Abend mit Hits, Hits, Hits, sondern auch einer mit viel Unterhaltung und grölendem Gesang/Gelächter. Großartig und ohne zu übertreiben ein Anwärter für Top-5 Shows des Jahres.
Übrigens: Drummer bei der SAMIAM Tour war ein gewisser Charlie, der normalerweise für einer nicht weniger wichtige Band namens CHAMBERLAIN spielt.