Schon zum 11. Mal jährte sich das Vainstream Rockfest dieses Jahr – gefeiert wurde der Auftakt in ein neues Jahrzehnt Festivalgeschichte gebührend mit weit mehr als 20 Bands, die auf vier Bühnen die Stadt Münster rockten. Los ging das alles schon zeitig am morgen, was die Festivalbesucher aber nicht davon abhielt, in bester Feierlaune bereits für die ersten Bands zahlreich zu erscheinen. Die Bändchenausgabe funktionierte zügig und weitestgehend reibungslos, wozu auch die super gelaunten Securities einen großen Anteil beigetragen haben – deren Stimmung hielt sich auch den ganzen Tag über und brachte nicht nur viel Lob ein, sondern sorgte auch dafür, dass Crowdsurfing und alles was dazu gehört glimpflich und weitestgehend ohne größere Schäden verliefen. Nachdem die Besucher mit dem Einlass, der um kurz nach 9Uhr begann, das Gelände der ausverkauften Veranstaltung geflutet hatten, ging es auf der EMP- Stage auf die Minute genau um 9:45 Uhr los mit ANY GIVEN dAY, die am Tag zuvor schon auf der Opening Party spielen durften. Dem ersten Slot zum Trotz hatten sich viele Fans vor der Bühne eingefunden und feierten den Auftakt eines langen Festivaltages.
Kaum, dass der letzte Akkord auf der EMP- Bühne verklungen war, stimmten auf der direkt nebenan liegenden Lonsdale- Stage Being As An Ocean zum ersten Song ihres Sets an. Viele begeisterte Fans hatten sich einen Platz zwischen Bühne und erstem Wellenbrecher gesichert, um Sänger Joel möglichst nahe zu kommen, der wie fast immer beinahe mehr Zeit am und im Publikum verbrachte als auf der Bühne an sich.
Das Gelände füllte sich mit mehr und mehr Menschen, während Our Last Night auf der EMP- Stage Gas gaben, zügig gefolgt von Bury Tomorrow auf der zweiten großen Bühne nebenan. Für alle, deren Lieblingsbands später am Tag spielten, gab es die Möglichkeit sich mit Merch von Bands, Labels und Organisationen die zu Besuch waren einzudecken. Auch für das leibliche Wohl war vielfältig und verhältnismäßig preisgünstig gesorgt. Das Wetter zeigte sich außerdem bis dato von der trockenen Seite und brachte so manchen ordentlich ins Schwitzen. Die großartigen Auftritte von Deez Nuts und August Burns Red machten das nicht besser und so kamen kurzerhand Wasserschläuche zum Einsatz, die dem Publikum von der Bühne aus eine kurze Abkühlung verschafften.
Inzwischen war mit Wolfdown auch die Clubstage in der Sputnikhalle eröffnet worden. Auch in der verhältnismäßig kleinen Location hätte so manchem wohl die Abkühlung gut getan, ging es dort doch sehr beengt zu.
Kurz vor 13 Uhr erlebte auch die Throwdown Stage als kleine Outdoor- Bühne ihr Debüt mit Frank Carter. Währenddessen ließen Apologies, I Have None es in der Sputnikhalle krachen. Dass diese Location ein Brennpunkt auf dem Festival war, stellte sich schon früh heraus – die Leinwand für das Public Viewing zum EM- Spiel später am Abend, die anfangs noch für Live- Übertragung der Konzerte aus dem Club genutzt wurde, war wohl für die wenigsten der „draußen gebliebenen“ eine Entschädigung. Wer sich nämlich keinem unglaublichen Gedränge aussetzen wollte, tat besser daran, die Bühne in der Sputnikhalle zu meiden.
Auf den großen Outdoor Bühnen ging es derweil weiter mit Silverstein und nach längerer Pause auf der EMP- Bühne mit The Amity Affliction. Auf der EMP machte sich bei den Australier um TAA nicht zum ersten mal der schlecht abgemischte Sound bemerkbar, allerdings waren die Mängel an dieser Stelle sehr auffällig – schade, liefterten die Jungs ansonsten doch eine solide Show ab.
Draußen machte sich nun auch langsam bemerkbar, dass das Festival restlos ausverkauft war, jedoch gelang es nach wie vor, gut von einem Ort zum nächsten zu kommen.
Auf der kleinen Green Hell Clubstage gaben sich inzwischen Backtrack die Ehre, gefolgt von Lionheart. Letztere in den kleinen Club zu pressen (sprichwörtlich) erwies sich als kapitaler Fehler der Veranstalter, denn sowohl herauskommen als auch hinein gelangen in den Raum waren aufgrund der Menschenmassen beinahe unmöglich. Hatte man es in die Halle geschafft, konnte man sich keinen Zentimeter frei bewegen sondern musste sich zwangsweise mit der Menge bewegen – glücklicherweise blieben alle so weit ruhig, dass es nicht zu einer Massenpanik gekommen ist. Für die, die extra wegen Lionheart, die gerade auf Abschiedstour sind, gekommen waren dürfte der Auftritt wohl recht enttäuschend gewesen sein. Nicht nur war das Set sehr kurz, beziehungsweise durch Sprechchöre des Publikums oder technische Probleme minutenlang unterbrochen, auch ließ sich die Musik kaum genießen wenn man wie Sardinen in einer Büchse eingepfercht aufpassen musste, nicht ertrampelt zu werden.
Draußen und mit größerer Bewegungsfreiheit spielten derweil Christian Steiffen auf der Throwdown Stage, im Anschluss Anti- Flag mit bestem Punk auf der Lonsdale- Bühne gefolgt von Stick To Your Guns auf der EMP- Stage. Auch die Räume vor den großen Bühnen waren inzwischen gerappelt voll, nichtsdestotrotz verspürte man ein nettes Miteinander aller Besucher und auch die Securities waren konzentriert und gut gelaunt bei der Sache. War Not am Mann, so waren die Sanitäter schnell zur Stelle.
Anders sah das auf der Clubstage aus, die zwar nach der Eskalation bei Lionheart von Sicherheitsbeamten abgeriegelt wurde und nur noch eine begrenzte Anzahl an Zuschauern hinein gelassen wurde, aber dennoch kaum genügend Raum bot, um das Gebäude im Notfall schnell verlassen zu können. So ging es auch bei Turnstile und den Senkrechtstartern um Beartooth extrem beengt zu.
Viele hatten sich aufgrund der Situation in der Sputnikhalle vernünftigerweise dazu entschieden, sich lieber Caliban anzuschauen und vor der Lonsdale Bühne mit der Band zu rocken.
Bei Frank Turner, der als nächstes bei EMP spielte, war der Juli anscheinend kurzfristig in Urlaub gegangen und hat mit dem April die Schichten getauscht. Das war zumindest der Eindruck vieler, die plötzlich im Platzregen standen. Das tat jedoch der Stimmung keinen Abbruch und so wurde eben jetzt im Regen getanzt.
Nachdem der kurze aber intensive Schauer vorbei war, hieß es Sachen in der zurückgekehrten Sonne trocknen und den Klängen von H2O lauschen, die mit ihrem Namen der nassen Gesamtsituation alle Ehre machten.
Auf der Green Hell Clubstage war kurz Pause angesagt, dafür ging es auf den großen Bühnen minutengenau getaktet weiter. BoySetsFire waren eine der von vielen heiß erwarteten Bands, und sie lieferten ordentlich ab. Erwartungen wurden erfüllt und übertroffen.
Als nächstes stand ein gewaltiger Stilbruch auf dem Plan: K.I.Z. mischten das sonst eigentlich auf Hardcore ausgelegte Festival auf. Ob der inzwischen teils recht hohe Alkoholspiegel oder tatsächliche Liebe zum ironischen Hip Hop der vier Hoheiten für den ausgelasteten Zuschauerraum verantwortlich waren sei dahin gestellt – jedenfalls feierten sich die vier besten Rapper des Abends nicht nur selbst, sondern ließen sich auch feiern.
Parallel spielten in der Sputnikhalle Mantar für alle, die sich moralisch fragwürdige Texte und dürckende Bässe nicht geben wollten.
Auf der Lonsdale Bühne ging es anschließend mit Flogging Molly weiter, die es verstanden mit Folk- Punk- Rock das Publikum aufzumischen und alle kollektiv den Tanzfuß schwingen zu lassen. Diese Art von Musik gehört vielleicht nicht in die tägliche Playlist des durchschnittlichen Vainstream Besuchers, sorgte an diesem Abend aber für ausgelassene Stimmung, gute Laune und einen würdigen Abschluss auf der großen Outdoor Stage.
Währenddessen wurde es vor der Clubstage wieder mächtig eng, denn dort spielten nun Thy Art Is Murder, die mit Sicherheit auch eine der großen Bühnen ordentlich gerockt hätten und mehr Zuschauer in den Genuss der Show gekommen wären.
Als Headliner auf der EMP Bühne gaben sich nun Heaven Shall Burn die Ehre. Die Thüringer brachten die Luft mit ordentlich Pyrotechnik sprichwörtlich zum brennen und verlangten dem Publikum nochmal alles ab. Zu einer großartigen Show wurde nochmal ordentlich gerockt, bevor es still auf der zweiten Hauptbühne wurde.
Im Club ging es mit Municipal Waste und The Casualties noch eine Weile weiter, so konnte auch der Sieg der deutschen Mannschaft über Italien in der Fußball EM noch gebührend gefeiert werden.
Insgesamt können wir zurückblicken auf ein weiteres, fettes Vainstream, das mit einem erstklassigen Lineup verdient ausverkauft war. Die Zuteilung der Bands auf die Bühnen sollte an mancher Stelle jedoch noch einmal reflektiert werden – Bands wie Lionheart auf Abschiedstour, Beartooth im aktuellen Höhenflug oder Thy Art Is Murder als solide Größe in der Szene in einen Club mit nicht ansatzweise ausreichend Fassungsvermögen zu stecken, grenzt an Verantwortungslosigkeit. Aber aus Fehlern lernt man bekanntlich.
Außerdem kann man nur erneut ein großes Lob an die Security Mitarbeiter aussprechen, die den ganzen Tag mit viel Freude bei der Sache waren und an vielen Stellen einen reibungslosen Ablauf sicher stellte, besonders wenn es darum ging die zahlreichen Crowdsurfer sicher zurück auf den Boden der Tatsachen zu bringen.
Wenn die kleinen Unstimmigkeiten beseitigt werden, kann man sich nur auf nächstes Jahr freuen.