"Sach mal schwitze ich so oder sind das Deine Tränen auf meinem T-Shirt?"
Es ist Dienstag Abend 20.15 Uhr, als mich der Anruf erreicht: "Hallo Raphael, bist du in Köln?", "Nein bin ich nicht, warum ?". "Dachte nur du willst mit zu ALESANA". Meine Antwort war natürlich: "Ich komme sofort." Danke Torben.
Es galt nun, innerhalb kürzester Zeit die ca. 80 Kilometer von mir, bis in die Domstadt, genauer nach Ehrenfeld, noch genauer in die Werkstatt zurück zu legen. Irgendwie klappt es also, dass ich recht pünktlich bin (inkl. Anziehen, Waschen etc.) und die Sause beginnen kann. Hat sie auch schon. Die PARACHUTES sind bereits fertig und die erste Töne von ALESANA erklingen, obwohl der Einlass laut Internetseite für 20.00 Uhr angesetzt war.
Als wir die Werkstatt betreten, kommt eine enorme Hitzewelle über uns hergefallen als wäre ein Vulkan ausgebrochen. Mit jedem Meter, den man mehr nach vorn geht, wird es immer schlimmer und die, die ganz vorn standen wissen wovon ich rede. Selbst die ebenfalls ausverkaufte HEAVEN SHALL BURN Show in der Werkstatt war eine milde Brise gegen dieses Aufgebot an erhitzten Jugendleibern. Kaum stand ich an einem guten Platz, sah ich wie ein junges Mädchen von den Ordnern über die Bühne getragen wird und ? sie sah nicht wirklich fit aus. Klar, bei der Hitze und den süßen Typen auf der Bühne..
ALESANA spielen derweil auf der Klaviatur der kollektiven Publikumssuggestion und formen den Pulk nach ihren Wünschen und Vorlieben. Kein Wunder - die erste Deutschland Tour - und heute Abend Sold Out. Und wer nun einen Artikel erwartet der alle gängigen Emo-Klischees aufwirbelt und zerreißt der irrt sich. Es hat wirklich Spaß gemacht sich auf einem Konzert alt zu fühlen und zu sehen wie die jüngeren ihre Freude haben und ihre derzeitigen Helden zurecht abfeiern.
ALESANA legen ein energisches Set mit einer gesunden Balance aus altem und neuen Material hin. Natürlich wird bei einem Song wie "This Conversation is over" mehr mitgesungen als bei den neueren, kollektive Verausgabung ist so oder so gegeben. Die Jungens toben im Pit, die Mädels drängen sich mit Cameras und Handy bewaffnet vor der Bühne und ein paar hampeln über alle dem bzw. versuchen es. Von X-en auf den Handrücken über die neusten Scheiteltrends bis hin zum älteren Kaliber wurde an diesem Abend einiges dargeboten, geeint durch die gemeinschaftlichen Ausdünstungen. Die Poser stehen am Rand und fühlen sich zu cool, allerdings sind sie dies nicht. Cool wäre, auf alle gängigen Hetzereien zu scheißen und sich einfach mitreißen zu lassen. ALESANA waren nämlich gut.
Die Stimmen der 3 Sänger variierten wie auch auf Platte zwischen Gesang, Geshoute und üblem Gegrunze, und wie auch auf Platte, funktioniert das mit Ausnahme ein paar schiefer Ausreißer wunderbar. Der Sound ist teils etwas breiig und gerade die Gitarren erscheinen oft zu leise, dafür sind aber die Stimmen super Clean zu hören und gerade die schön poppigen Parts kommen super rüber. Leider ist nach 40 Minuten schon Schluss, da die meisten Besucher unter 16 Jahre sind. Darüber könnte man, wenn man wollte, sich nun auslassen bis zum geht nicht mehr - aber heute nicht. Einen hab ich trotzdem noch: "Apology" war wie erwartet eine der Zugaben, während jener sich ein geschminkter Junge, seine nicht minder geschminkte Freundin packte und "YOURE EVERYTHING TO ME" zuschrie bevor dann der Speichelaustausch seines Lebens begann. Dann ist also Schluss und eine glückliche, durchgeschwitzte Meute verlässt die Werkstatt im Hellen. Und wie dort Kollege Torben auffiel: "Ey komm, die Band war nicht mal geschminkt." Nur der eine Gitarrist viel durch seine rote Haarsträhne und die verzierten Fingernägel ein wenig auf. Die Fans jedoch schon, alle. Jetzt ist aber echt Schluss.