03.07.2012: Die Ärzte, Sator - TUI Arena, Hannover

03.07.2012
 

 


„Herzlich Willkommen zu einem Abend mit der besten Band der Welt...“ Und auf einer der ausverkauftesten Touren der Welt? Ein solcher Abend, eigentlich ein Selbstläufer. „Auch“ hatte es nicht leicht und liegt bis dato schwerer im Magen, als manch unbeschwerte „Hau-Drauf“-Doktorarbeit ihrer Zeit. War früher nicht „auch“ alles besser? „Herzlich Willkommen zu einem Abend mit der best... – ähm, mit DEN ÄRZTEN“.


BelaFarinRod – da darf es eine Einlassschlange mit 3000 sich aufwärmenden Mitmachern sein, allein vom Dosenpfand auf dem Vorplatz der TUI Arena sollte mindestens eine Woche 4-Sterne-All-Inclusive drin sein. Die Kartenabriss-Logistik triumphiert. Drinnen bereiten SATOR aus Schweden die Arena-OP würdig vor: Es gibt Wüstenrock, es gibt Ramones-Momente und einen wild gewordenen Schellenkranzspieler. Vereinzelt finden sich sogar wippende Köpfe und interessierte Blicke unter den Menschenschwärmen in der Halle. Durchaus interessanter wirken sich auf jene jedoch akrobatische Beleuchter und ein schlicht samtroter Vorhang aus, der heute zur Ankündigung des ersten von zwei (ausverkauften) Hannover-Stops ausreichen soll.



Exakt zwanzig dreißig. „Herzlich Willkommen zu einem Abend...“ Bei Introgestaltung und Federführung kennt man Markanteres von den ÄRZTEN - aus Berlin. „Ist Das Noch Punkrock?“ greift als Opener fast ins Leere, Hannover stockt und scheint überrumpelt – ebenso benötigt „Bettmagnet“ eine viel zu lange Einlaufphase. „Tamagotchi“ stellt sich im Anschluss nicht nur als Fehlgriff auf Platte heraus. Das Hauptstadttrio ist fit, der Sound schwimmt noch etwas durch die Luft – da fuchtelt Farin Urlaub schon mit ersten Klischees durch die Gegend: Hannover-Scorpions-Hannover-Wulff-Wolfsburg-versus-Hannover.
Natürlich findet die Waage zwischen Song- und Ansprachedauern ihr Gleichgewicht, DIE ÄRZTE wissen schließlich nicht nur mit „Hurra“ oder dem „Lied Vom Scheitern“ zu begeistern. Auch abseits des (mit auffällig vielen neuen Songs bestückten) Sets soll Bela nicht ohne Grund kilometerlange Spaziergänge von Bühnenrand zu Bühnenrand zurücklegen. Trotzdem zögert Hannover. Ist ein dringender Feierpegel dienstags gen 21 Uhr nicht zu erreichen, oder sitzt der Schock der Songauswahl schlicht zu tief? „Deine Schuld“ lockert auf, „Hütchenspiel“ rührt Circlepits und Ausgelassenheit herbei. DIE ÄRZTE wirken dennoch reserviert und verfangen sich lieber im Eigenhumor: Ein spontanes Schnalzkonzert, BH-Philosophien und die obligatorische Anstiftung zum La Ola-Wellenbad. Für ein Schmunzeln reicht das aus – aber von der „besten Band der Welt“ ist man sonst wahre Qualitäten gewohnt. Kreative bis witzige Einspieler auf den Leinwänden machen beim „1/2 Lovesong“ endlich mehr Spaß. Es wird wärmer: „Schunder Song“ und „Grace Kelly“ – das Level der Publikumsbeteiligung und die Anzahl anstiftender Zeigefinger in der Luft erhöhen sich drastisch. Leider nur temporär.



Die träge Fangemeinde scheint ansteckend: Auch bei „Schrei Nach Liebe“ bequemt sich nur ein Bruchteil der auf den Rängen ausharrenden ÄRZTE-Jünger in Richtung Begeisterung, beinahe zahm wirkt der „Moshpit“ selbst in Zaunnähe. Für die umweltbewusste Erfrischung aus wedelnden Kleidungsstücken oder den Kung-Fu-Tiger-Move ist trotzdem Zeit. Ebenso für „Wie Es Geht“, heitere Instrumentenwechsel und Intimtänze, das noch immer herausragende „Rebell“ und die letztlich berechtigte Frage: „Ist Das Alles?“ Nein, ein Hoodie für fünfzig Euro darf es bitte auch noch sein.


DIE ÄRZTE tragen jedenfalls nicht die alleinige Schuld daran, dass der heutige Abend nicht aus der Hüfte kommt. Mit einer sonnigen Offbeat-Version von „Westerland“ und interaktiven Mitkreischspielchen bei „Unrockbar“ leiten sie nach über 120 Minuten den (ersten) Zugabenblock ein. Sie können noch begeistern – Bela, Farin und Rod.
„Die Band ist immer lustig, außer wenn sie ernst ist“, sagte das einleitende Regelwerk der besten Band zu Beginn auf.
DIE ÄRZTE sind live immer herausragend. Außer wenn sie mal nicht so herausragend sind.