16h: Die Türen öffnen sich. Nach einigem Geschiebe hat man das Bändchen des heiligen Geistes am Handgelenk. Im Garten des Indra werden 500 Dosen Freibier ausgeschenkt, der Grill raucht. Halleluja! Das erste Festival in dieser ungefähren Größenordnung fand erst im vergangenen Jahr statt. Dafür ist es in diesem Jahr mit 1200 Tickets ausverkauft. 500 Dosenbier halten eine Stunde. G31 eröffnen die Bühne rotzig im Indra. Ein Wechsel ins Gruenspan wird dadurch erschwert, das man das Freibier nicht mit hinein nehmen darf. Vermutlich spielen PROJEKT PULVERTOASTMAN vor vergleichsweise leeren Rängen. EXAT und SÜNDENRAUSCH nimmt man als Trinkuntermalung noch so mit. Das Publikum erwartungsgemäß buntschwarz, jung, mittelalt und alt, gut gelaunt, prostend freundlich. Stylepunk ist hier kein Thema. Feinstes come as you are.
Der Zeitplan sorgt für erste Diskussionen. Die Bands spielen in beiden Clubs immer parallel. Was möchte man sehen? Was will man entdecken? MAN KACKT SICH IN DIE HOSE im Gruenspan oder DEE ANDERN im Indra? Dank einer kleinen Zeitverzögerung geht bei guter Planung alles. MAN KACKT SICH IN DIE HOSE mit jungem Blut, machen das Gruenspan warm. Viel Gerede, viel Quatsch, gute Laune, Antifaschismus, man muss wissen, wo man steht und wer dabei ist. DEE ANDERN hingegen voller Liebe, statisch, weise.
Vor den Clubs sitzt die Masse zwischen den Konzerten auf den Bordsteinen. Die Pfandsammelnden freut das Dosenmeer, ortsfremde Autofahrende, gleiten irritiert durch die Menge an der großen Freiheit. Das hier ist ein kleiner Vorgeschmack auf die kommenden Turbojugendtage. EMSCHERKURVE 77 reißen später im Indra alle Mauern ein. Ein Feuerwerk des guten Geschmacks. Ein Prosit der Gemütlichkeit! KEIN HASS DA machen ihrem Namen im Gruenspan alle Ehre. Rotzig zelebrieren sie den Frieden, das Bunte. Hier gibt es Luft zum Atmen.
Die Sicherheitsmenschen werden entspannter, so wie es das Publikum schon von vornherein war. DEN ABSTÜRZENDEN BRIEFTAUBEN merkt man ihr Alter an, auch wenn sie alles an den Tag legen, dies zu verbergen. Der Pogomob vor der Bühne könnten ihre Brut sein. Erste Bierduschen, fliegende Gliemaßen. Schönen guten Abend zusammen.
Die Redakteurin kämpft im Folgenden mit harten Entscheidungsschwierigkeiten. Am Ende gewinnen die freundlichen jungen Männer von DREI METER FELDWEG. Wie sympathisch. Die Fanbase wurde mitgebracht und so stehen die Jungspunde den vorrangegangenen Bands in nichts nach. Für ein paar Songs THETCHIK reicht es auch noch und es wird klar, dass man keine gute Entscheidung fällen konnte. Die Damen singen und zappeln sich die Seele aus dem Leib und legen ebenfalls eine unfassbar großartige Restshow hin. Wenn heiliger Geist, dann hier!
Der Abend wird eingeläutet. Der Altersschnitt des Publikums hat sich deutlich gehoben. Woran auch immer das liegen mag. Je oller, umso doller? Vermutlich. Die TERRORGRUPPE trifft das leider nicht so ganz. Das wäre mehr ein Schlaflied. Doch die Alternative steht nebenan. Und der Wechsel wird belohnt. DAS FRIVOLE BURGFRÄULEIN hat die Konfettikanone dabei. Bierbäuchig wird anständiger Pogo getanzt auf Rädern und auf Beinen. Wer fällt, steht schnell wieder, wer wackelig auf den Beinen ist, wird trotzdem mit einbezogen und gestützt, wer genießen will, darf das tun. Es geht einem das Herz auf. Punk at it´s best, wo sind die jungen Menschen, wenn Solidarität im Zusammenhang mit Spaß erfahrbar gemacht wird?
RANTANPLAN sind raus. Wer in Hamburg lebt, sieht sie oft genug. Überall. Es ist Zeit für eine Pommespause, um pünktlich zum Festivalabschluss und zum Beginn des Abschlusses von DER DICKE POLIZIST wieder fit zu sein. Der Boden im Indra besteht aus einem wilden Sand-Konfetti-Bierschweißgemisch. Vor allem der Bierschweiß hängt in der Luft, die Haut klebt, die Brille beschlägt. Wer noch nicht betrunken ist, wird nun passiv betrunken. DER DICKE POLIZIST bleibt hinter den Erwartungen zurück. Man gratuliert Thomas noch zum Geburtstag, denn eigentlich hat sich dieses Festival ja aus seinem Geburtstagsfest entwickelt. Es war ein gelungener Tag und zum Ende möchte man sich den dann aber nicht mehr von halbenergetischem Punk zunichtemachen lassen. DER DICKE POLIZIST wird stehen gelassen. Pogotanzend in Herz und Geist geht es in die Nacht hinaus, mit Bier auf der Haut, auf der Suche nach einem Stück Kuchen. In der U-Bahn knubbelt man sich mit den Besuchenden des ELBJAZZ. Verdreckte, verschwitzte Bierfahne trifft auf gut angezogenen Weinglasjazz. Und da sind sie wieder: Die hochgezogenen Augenbrauen der Hochkultur. Doch das kann die Stimmung nicht vermiesen. Konnte sie noch nie. Es ist eher die Bestätigung alles richtig gemacht zu haben."Diese Männer sind nicht betrunken, wie ihr meint; es ist ja erst die dritte Stunde am Morgen[...]. Lasst euch retten aus dieser verdorbenen Generation!"* Der heilige Geist war defintiv beim GOTT SEI PUNK und nicht beim ELBJAZZ. Amen.
Mit * gekennzeichnete Zitate stammen aus der Apostelgeschichte des Lukas und sind mit einem Augenzwinkern zu verstehen.