Das Millerntor ist voll. St. Pauli gegen Union Berlin. Top-Spiel des zweiten Spieltags im neuen Fußballjahr 2019. Während die St. Pauli Fans draußen in der Kälte das Spiel verfolgen, feiern drinnen im Knust HEATED LAND ihr Release Konzert. Indie-Folk-Tage in Hamburg.
Release Konzerte sind immer etwas Besonderes. Während die Band Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre am neuen Album geschrieben und das neue Album an unzähligen Tagen im Studio und Proberaum rauf und runtergespielt hat, hört der Großteil der Zuschauer die neuen Songs zum ersten Mal. Wie fallen die ersten Reaktionen aus? Gefallen die neuen Songs auch den "Fans"? Antworten gibt's auf dem Release Konzert. Live. Ohne Filter. Und ohne Sternebewertungen in irgendeiner Kommentarspalte.
Los gehts zur Halbzeit. Pauli führt, RAJA GHRAIZI mit Band eröffnet. Vier Jungs. Sympathisch, jung und reichlich grün hinter den Ohren.
RAJA GHRAIZI spielt ruhige, entspannte Singer-Songwriter-Mucke. Zwischen Folk, Blues und Rock. Zurückhaltend, reduziert, beinahe im Hintergrund plätschert die Musik auf ihrer schönsten Art und Weise dahin, ohne dabei langweilig zu werden. Ruhig, entspannt, schön. Zuerst mit, dann ohne Band. Dann wieder mit, dann ohne. Bespickt wird das Ganze mit Trompeten- und Gitarrensolos.
Wenn RAJA GHRAIZI nicht spielt, dann stimmt er seine Gitarre. Er selbst bezeichnet das Ganze als unprofessionell, dem Publikum hin gehen macht das RAJA nur sympathischer. Vielleicht auch weil der Nigerianer laut eigener Aussage 90 Prozent der Anwesenden eh kennt. RAJA lächelt, Hamburg lächelt zurück.
Seine Band hat sich RAJA GHRAIZI extra für das Konzert zusammengesucht. Zwar kannte er seine jetzigen Bandkollegen allesamt schon zuvor, nur eben nicht als Bandmitglieder. Dafür machen es die Vier gut. Sympathisch, unaufgeregt, süß. Da kann man über den einen oder anderen schiefen Ton auch mal hinwegsehen. Verbeugung und raus.
Pauli schießt das 2:0, HEATED LAND blaßen zum Angriff.
Das neue Album haben HEATED LAND bereits vor rund einem Jahr aufgenommen. Nun, ein Jahr später feiert das Album Live-Premiere. Der Soundtrack zum Roadtrip. Kopf des Projekts ist Singer-Songwriter Andreas Mayrock. Dieser wird von seinen Bandkollegen am Schlagzeug, Kontrabass, Mundharmonika und Gitarre unterstützt. Indie-Folk-Musik mit amerikanischem Einschlag. Auf das Wesentliche reduziert.
Ähnlich wie RAJA GHRAIZI muss auch Andreas Mayrock immer wieder seine Gitarre stimmen. Einmal vergessen, nochmal neu anfangen. Passiert.
Doch neben der falsch gestimmten Gitarre bereitet auch der Verstärker Ärger. Immer wieder kommen Radiogeräusche aus dem Verstärker. Keiner weiß warum. Den Zuschauern bleibt das jedoch weitestgehend verbiegen.
Insgesamt gibt es viele Parallelen zwischen RAJA und HEATED LAND. Die musikalische Grundstimmung, der stetige Wechsel der Bandmitglieder. Mal mit Band. Dann nur mit Teilen. Dann ganz ohne Band.
Während den ersten Songs von HEATED LAND kassiert St. Pauli den 2:2 Ausgleich, Alex Meyer schießt die Kiezkicker in der 94. Minute dennoch zum Sieg. Ausgelassene Stimmung vor dem Knust, entspannte Stimmung im Knust.
Die Reaktionen im Zuschauerraum sind verhalten. Es wird viel gekuschelt, entspannt und aufmerksam zugehört. Mit der Zeit wird das Publikum im hinteren Teil der Bar jedoch immer unruhiger. Das Publikum tauscht sich immer mehr aus, wechselt von Konzertzuschauern zu St. Pauli Fans. Damit schwindet auch die Aufmerksamkeit. Anstatt zuzuhören, wird geredet, später sogar „Tausend Mal Berührt“ von Klaus Lage angestimmt. Joah.
Andreas Mayrock und Band lassen sich jedoch nichts anmerken und ziehen ihr Ding durch. Dabei nicht zuverkennen: der typische, amerikanische Einschlag.
Frontmann und Kopf der Band Andreas Mayrock war in den vergangenen drei Jahren rund zwei Jahre im Westen Kanadas und der USA unterwegs. Hört man.
St. Pauli gewinnt.
HEATED LAND feiern ein wunderschönes Release-Konzert.
Was will man eigentlich mehr?