04 / 05.04.2012: Primus - Royal Albert Hall - London

05.04.2012
 

 

Was passiert wenn sich ein zurückhaltender 18 jähriger Schwede, ein langhaariger, bierbäuchiger Anzugträger samt Freundin, vier Fashion Victims, zwei japanische Touristen und unzählige Nerds in einer altehrwürdigen Opernhalle im Zentrum Londons treffen?

Primus spielen live und ziehen ein Publikum welches unterschiedlicher nicht sein könnte. Nach 15 Jahren Abstinenz von europäischen Bühnen trat die 90er Jahre Kult-Band rund um den Ausnahme Bassisten Les Claypool letztes Jahr schon in Rahmen einiger kleiner Konzerte in Europa auf. Mit dem neuem Album „Green Naugahyde“ im Rücken kehrt die Band auch 2012 wieder nach Europa zurück.

Aber Primus spielten nicht nur eine x-beliebige Show live sondern liessen sich für ihre beiden Auftritte in London etwas besonderes einfallen. Zum einen waren beide Abende als „A Night With Primus“ angekündigt, bei der vollständig auf eine Vorband verzichtet wird und Primus dafür 2 volle Sets zum Besten geben. Des Weiteren steht jeder Abend unter einem bestimmten Motto. Bei dem Mittwochs-Konzert wurde von Primus im Rahmen des ersten Sets das komplette Klassiker-Album „Sailing The Seas Of Cheese“ und im Rahmen des zweiten Sets das aktuelle Album „Green Naugahyde“ komplett gespielt. Die Show am Donnerstag wurde als „Best-Of“ Show angekündigt, wo über zwei Sets verteilt die Material aus allen Phasen der Band-Geschichte gespielt werden wird.





Ein Blick in die Royal Albert Hall. Zum Vergrößern anklicken.



Mittwoch, 04.04.2012
Kommen wir auf den Mittwoch zu sprechen. Die Royal Albert Hall ist ein altehrwürdiges Opernhaus mit langer Geschichte in London, welches ab und an auch bei regulären Konzerten zum Einsatz kommt, sofern ein gewisser künstlerischer Anspruch vorhanden ist. Konzerte in der Royal Albert Hall finden nur auf Einladungsbasis statt. Wie so ein Opernhaus nunmal ist, gibt es einen relativ kleinen Innenraum Bereich und rundherum Logen-Plätze, Boxen und so weiter. Wir hatten Karten für eine Box mit allem was dazu gehört: Garderobe, eine Bedienung für Getränke und Speisen, ziemlich ungewöhnlich für ein „Rock-Konzert“ aber irgendwie passend für das Haus. Der Bühnenaufbau von Primus erinnerte stark an die 2011er Tour nur dass neben den beiden aufblasbaren Astronauten auch noch eine Videowall hinzugefügt wurde. Selbige kam auch während des kompletten Konzerts zum Einsatz und zeigte zu jedem Song passende Videos im typischen, abstrakten Stil der Primus Artworks.
Los ging es gegen 19:30 mit dem Standard Intro von Primus und mit dem Album Nr. 2 in der Diskographie von Primus: „Sailing the Seas of Cheese“. Anstelle Songs wie „Seas Of Cheese“, „Sgt. Baker“ oder „Sathington Walz“ originalgetreu runterzuspielen bauten Primus zahlreiche, sehr psychedelisch angehauchte, Jam Sessions und Soli ein. Appropos Soli: Das was die Herren Claypool, LaLonde und Lane in Sachen technischer Skills zeigten sucht auf diesem Level und in dieser Konzentration seinesgleichen. Natürlich steht bei einer Band wie Primus, die stark vom Bassspiel lebt, Les Claypool als Ausnahmebassist immer im Vordergrund, allerdings wäre man ein Narr wenn man die Fähigkeiten von Larry LaLonde an der Gitarre nicht erwähnt. Gleiches gilt auch für den zurückgekehrten Drummer der Frizzle Fry Zeit: Jay Lane. Selbiger spielt live zwar nicht ganz so verspielt wie seine damaligen „Nachfolger“ Tim ,Herb‘ Alexander oder Brain, dafür aber mit der Präzision einer Atomuhr und einem göttlichen Punch. Nichts desto Trotz möchte ich noch einmal auf Les Claypools Fähigkeiten am Bass zu sprechen kommen. Das was der Mann live auf der Bühne in Sachen Komplexität, Geschwindigkeit und Präzision liefert ist schlicht und ergreifend absolute Weltklasse. Vor allem wenn man berücksichtigt, dass man auch bei dem komplexesten und vertracktesten Bass-Solo nie den Eindruck gewinnt, dass der Mann auch nur annähernd an die Grenzen seiner Fähigkeiten kommt.
Selbstverständlich wurden vor allem die großen Hits auf „Sailing the Seas of Cheese“ frenetisch im Publikum gefeiert: „Jerry Was A Race Car Driver“, „American Life“ und allen voran „Tommy The Cat“.
Natürlich war die Performance eines absoluten Klassikers eine sichere Sache für die Band, allerdings ist die Entscheidung das neue Album „Green Naugahyde“ in Gänze als zweites Set zu spielen durchaus riskanter. Die Rechnung ging jedoch hervorragend auf, was vor allem an der Qualität der Platte liegt, die einfach auf die gesamte Spielzeit zu überzeugen weiss. Im Publikum kamen insbesondere die Songs „Jilly‘s On Smack“ und der Groover „Lee Van Cleef“ sehr gut an. In der Mitte des zweiten Sets meine Les Clapool dann noch, dass sie sich nach den Konzerten in der Royal Albert Hall wohl auflösen müssten weil „it‘s only downhill from here. You should sess some of the shit venues we‘ve played in“.
Nach der Performance von „Green Naugahyde“ gab es dann noch als Zugabe zwei Kracher der Oberklasse: „Groundhog‘s Day“ von der „Frizzle Fry“ und „Wynona‘s Big Brown Beaver“ von der „Tales from the Punchbowl“.
Will man nach dem ersten Tag ein Fazit ziehen so kann das nur lauten: „Operation Royal Albert Hall läuft bis auf einige kleine Soundproblemchen bei den Vocals perfekt und nach Plan“. Die Nerds, Banker, Touristen, Metaller, Hippies, Punks und Normalos gingen nach ca. 2,5 - 3 Stunden Netto-Spielzeit zufrieden, in grosser Friedfertigkeit und vor allem mit überbordender Vorfreude auf Tag 2 nach Hause.

Donnerstag, 05.04.2012
In Bezug auf den Überraschungsgrad der gespielten Songs bot der Mittwoch angesichts der Ankündigung zwei komplette Alben zu spielen wenig Unvorhersehbares. Interessanter war diesbezüglich schon der Donnerstag, der als Tag mit zwei Best-Of Sets angekündigt war und man kann getrost sagen, dass Primus geliefert haben. In Sachen Bühnenaufbau und Show blieb alles beim Alten: Aufblas-Astronauten und Videowall.
Los ging die Show mit „To Defy the Laws of Tradition“, „Dutchess and the Proverbial Mind Spread“ und „Moron TV“, welches durch „Prelude to a Crawl“ eingeleitet wurde. Nach diesen drei einhalb Liedern war dann auch schon die erste halbe Stunde Spielzeit rum, was heissen soll, dass Primus auch hier wieder mächtig mit Jams und Soli gearbeitet haben“. Allerdings muss ich zugeben, dass ich einen Song wie „Moron TV“ von der aktuellen Scheibe nicht zwingend in ein Best Of Set packen würde, gibt es nämlich ein Lied, welches leicht im Vergleich zum Rest der Platte abfällt, ist es nämlich genau „Moron TV“. Der Rest des ersten Sets war dann jedoch absolut makellos: „Frizzle Fry“, „Over The Falls“, „Tragedy‘s a‘ Comin‘„, ein übermässig abgefeiertes „Jerry Was A Race Card Driver“ und „Over the Electric Grapevine“ sorgten für ausgelassene und eine im Vergleich zum Vortag deutlich bessere Stimmung im Publikum.
Zwischen den zwei Sets sorgten in der Pause auch am Donnerstag wieder alte schwarz-weiss Popeye Flime für kurzweilige Unterhaltung.
Auch das zweite Set erfüllte dann klar die Vorgabe „Best-Of“. Hervorzuheben wären aber die Darbietung von „Fisticuffs“, welches um ein Cover des Beatles Liedes „Tomorrow Never Knows“ angereichert wurde. Bei Southbound Pachyderm sprang dann noch ein Irrer auf die Bühne um Les Claypools Hut zu klauen. Selbstverständlich sorgten auch am zweiten Tag wieder diverse Soli und Einlagen von Les, Ler und Layne wieder für andächtiges Kopfschütteln und Raunen im Publikum.
Tja und was wäre ein Best-Of Set ohne einen Zugabenblock der die Stimmung in der Royal Albert Hall so richtig zum kochen bringt? Es gab „My Name Is Mud“ und den inzwischen extrem selten live gespielten Primus Überhit „Too Many Puppies“.
Einzig „Welcome To This World“ und „DMV“ wurden schmerzlich in der Setlist vermisst. Für die beiden Songs hätte ich persönlich den „Green Naugahyde“ Anteil mit fünf Liedern reduziert.


Zusammenfassend kann man sagen, dass beide Konzerte für sich etwas Besonderes und vor allem etwas sehr Wertvolles waren. Das liegt nicht nur an der noblen Location sondern auch an dem was die Band daraus gemacht hat. Kaum eine andere Band versteht es Technik so gekonnt mit künstlerischem Anspruch und Gefühl zu verbinden wie Primus. Das was die Jungs dort an den zwei Tagen gezeigt haben, war nicht eine x-beliebige Rockshow zum mitnicken, das war anspruchsvolle Kunst auf höchstem Niveau, die die komplette Aufmerksamkeit der Zuhörer fordert. Ebenso wertvoll war auch das tolle und bunt durchgemischte Publikum, welches von jung bis alt und vom Anzugträger bis zum Punk friedlich und vor allem konzentriert und euphorisch mitging.

Setlist Mittwoch:

Seas of Cheese
Here Come the Bastards
Sgt. Baker
American Life
Jerry Was A Race Car Driver
Eleven
Is It Luck?
Grandad's Little Ditty
Tommy the Cat
Sathington Waltz
Those Damned Blue-Collar Tweekers
Fish On
Los Bastardos 


Prelude to a Crawl
Hennepin Crawler
Last Salmon Man
Eternal Consumption Engine
Tragedy's a' Comin'
Eyes of the Squirrel
Jilly's on Smack
Lee Van Cleef
Moron TV
Green Ranger
HOINFODAMAN
Extinction Burst
Salmon Men 


Groundhog's Day
Wynona's Big Brown Beaver

Setlist Donnerstag:

To Defy the Laws of Tradition
Duchess and the Proverbial Mind Spread
Prelude to a Crawl
Moron TV
Frizzle Fry
Over the Falls
Tragedy's a' Comin'
Jerry Was A Race Car Driver
Over the Electric Grapevine

Jilly's on Smack
John the Fisherman
Fisticuffs (Mit Cover von „Tomorrow Never Knows“ von den Beatles)
Southbound Pachyderm
Seas of Cheese
Mr. Krinkle
Eyes of the Squirrel
Last Salmon Man
Lee Van Cleef
Voodoo Child
Harold of the Rocks

My Name Is Mud
Too Many Puppies