Als Konzertschmankerl aller erster Güte entpuppte sich IRON & WINE in der monumentalen Wiesbadener Ringkirche. Und war dabei emotional wie eine OP am offenen Herzen.
Die Lichter sind gedimmt, die gründerzeitliche Kanzelwand und Chorempore sind hübsch illuminiert, auf den Kirchenbänken drängen sich Gestalten in Mänteln und Mützen. Fast erinnert die Szenerie an einen gutbesuchten Weihnachtsgottesdienst. Doch die Gemeinde die sich heute hier in der Wiesbadener Ringkirche versammelt hat, ist gekommen um einen wesentlich weltlicheren Phänomen zu frönen.
Eröffnet wird der Abend von Singer-Songwriterin JESCA HOOP, welche das Publikum auch gleich ein wenig spaltet. Ihre Stimme angenehm rauchig und tief, bewegt sie sich jedoch aus den tieferen Lagen heraus wird es aber beinahe immer schief und brüchig. Die Songs sind lange und suhlen sich in Melancholie und doch wirken sie teilweise wie von einem anderen Stern. Mit traurigen Augen haucht sie zur Begrüßung „My name is Jesca Hoop and I’m a California Girl“ ins Mikrophon – Darstellung und Aussage in direkter Antithese.
Es ist gegen einundzwanzig Uhr, als ein Wispern durch die vollen Kirchenbänke geht und dann jede Unterhaltung erstirbt. Mit tosendem Applaus betritt der ehemalige Filmdozent Sam Beam alias IRON & WINE den Raum vorm Altar und zeigt sich so begeistert von der Akustik in dem altehrwürdigen Gemäuer, dass er die Menge gleich noch einmal zur Klatsch-Probe antreten lässt. Mit einem sanften Charme, ruhigem Selbstbewusstsein und einer guten Portion Schalk führt der Mann aus South Carolina fortan durch seinen Solo-Auftritt: Nur der Mann, die Stimme, die Gitarre. Ganz unverfälscht und nah. Beam beginnt alsdann auch mit dem, was er „Iron & Wine Buffet Style“ nennt – das Publikum ist aufgefordert ihre Liedwünsche herauszurufen und wenn der Singer-Songwriter einen Titel aus der Luft des Stimmengewirrs herausfischt, gibt er ihn willig zum Besten. Bei dieser wilden Songauswahl passiert es auch das ein oder andere Mal, dass der Künstler über seine eigenen Songs stolpert: Er stimmt die Gitarre, stimmt ein Lied an und nach wenigen Sekunden merkt er, dass er in der falschen Tonlage ist. Man müsse ihm das verzeihen, erklärt er schmunzelnd, lacht, stimmt neu und fährt da weiter, wo er unterbrochen hat. Und das Publikum ist bezaubert von Mr. Iron & Wine, der mit dem alten Südstaaten Charme glänzt und anschließend ruhigen Americana oder reichen Motown-lastigen Pop durch die Klangräume der Ringkirche schickt. Stimme und Spiel sind so makellos, dass sich bald die ganze Menge zurücklehnt und versonnen die Magie spürt, die in der Luft liegt. An diesem Punkt wendet man sich dann entweder dem Partner kuschelnd zu, oder taucht selbst ganz tief ein in diese Seelenreise. Und um das Ganze nicht in eine zu eindeutige emotionale Ecke abdriften zu lassen, witzelt der moderne Barde zwischen den Liedern immer wieder, gibt kurze Anekdoten zum Besten oder kommentiert die Songauswahl und lockert so die Atmosphäre wieder auf. Seine Stimme navigiert Beam mühelos zwischen rauchig-samtig und wunderbar hell und klar, während er seine Songs gekonnt live mit diesem gewissen Etwas versieht. Als nach beinahe zwei Stunden Spielzeit die letzten Klänge verhallen, ist das Publikum wehmütig und erfüllt zugleich. Aber wie ein guter Rotwein, wirkt auch dieser Abend noch nach.