Summerjam 2018
Eines der größten Reggae/Dancehall Festivals Europas fand gerade wieder im Kölner Norden am Fühlinger See statt. Unglaubliche 33 Mal (seit 1996 an dieser Location) wurde damit nun unter jährlich wechselnden Mottos getanzt und gefeiert. Das diesjährige Motto Enjoy Music And Vibes nahmen ca. 30.000 Besucher wörtlich und erlebten bei traumhaftestem Festival-Wetter ein unvergessliches Wochenende. Headliner auf 2 Bühnen waren in diesem Jahr neben Reggae-Größen wie GENTLEMAN, ZIGGY MARLEY, CHRONIXX, CHRISTOPHER MARTIN und JESSE ROYAL auch die Jamaikanischen Urgesteine INNER CIRCLE.
Seit vielen Jahren öffnet sich das Summerjam auch, nicht immer ohne Kritik, der Hip Hop Sparte. Diese war mit den Künstlern TY DOLLA $IGN, MARTERIA, DENDEMANN, AFORB und TRETTMANN diesem Jahr hervorragend besetzt. Viel kritisiert wurde auch BAUSA eingeladen und zog besonders jüngere Fans vor die Bühne. Weitere großartige Künstler waren MILKY CHANCE, SOJA, ALKALINE, JAHCOUSTIX und viele mehr.
Neben grandiosen Konzerten lebt das Summerjam vor allem von den tollen Menschen und einem unbeschreiblichen Wir-Gefühl. Wohl deshalb ist das zusammen campen (unglaublich was manche da aufbauen), grillen, chillen vielen genauso wichtig, wie das offizielle Programm. Die friedliche und positive Stimmung steckt jeden an.
Eröffnet wurde die grüne Bühne am Freitagmittag von der Band QUERBEAT. Im Kölner Raum haben die sich vor allem durch ihre 2 Karnevalslieder „Nie mehr Fastelovend“ und „Dä Plan“ einen Namen gemacht und so staunten viele nicht schlecht, als diese Brasspop Band auf dem Line-Up auftauchte. Aber sie können mehr als Karneval. 13 Musiker, die Vollgas geben und mit ihren eingängigen Melodien und Rhythmen einheizen. Sicher war diese Eröffnung für die wenigsten Summerjam Fans das Highlight des Wochenendes, aber die Jungs und Mädels machen durchaus Spaß.
Parallel dazu wurde die rote Bühne von MIWATA eröffnet. Dieser hatte 2012 ein Gratis Mixtape „Auf dem Weg Richtung Sonne“ veröffentlicht und landete damit eine Punktlandung. Deepe Texte, tolle Melodien, schöne Stimme. Im Fachblatt Riddim gewann er 2012 und 2013 die Auszeichnung „Bester deutscher Newcomer des Jahres“. Die neueren Sachen haben mich persönlich leider eher enttäuscht. Was soll plötzlich dieser elektronisch überfrachtete Sound? Auf dem Summerjam kamen entsprechend auch seine Reggae-Stücke besonders gut an und passten perfekt als Auftakt in ein wundervolles Wochenende.
Weiter ging es am Freitag vor allem Hip Hop lastig.
AFROB zog alle Deutschrap Fans vor die Bühne und lies Köpfe nicken. Seit fast 20 Jahren ist er nun musikalisch aktiv und prägte in seinen Anfängen deutschen HipHop maßgeblich. Mit seiner Live Band 'Tribes of Jizu' performte er Klassiker und neuere Stücke und seine Stimme und Ausstrahlung machte noch genau so viel Spaß wie damals.
Einer der meistbeachtesten Auftritte war dann sicher der von TY DOLLA $IGN. Doch was soll ich sagen? Ich verstehe den Hype nicht ganz. Erst ließ er alle warten und kam dann auf die Bühne, nur um mehrmals zu verkünden, dass er gerade erst aufgestanden sei. Wir haben es verstanden, so ein Auftritt ist für dich null spektakulär. Leider war für mich der ganze Auftritt von Arroganz geprägt, ein paar fette Beats machten Spaß, aber es reichte dann auch.
Deutlich sympathischer dagegen der nachfolgende Auftritt von MARTERIA. Musikalisch hat der mich noch nie so richtig gepackt. Aber nach dem Auftritt ist mir klar, warum seine Shows immer so schnell ausverkauft sind. Ein wahres Naturtalent auf der Bühne, ging fast 90 Minuten die Post ab. So viel Energie, so viel Vibe. Respekt. Besonders auf dem Summerjam durfte natürlich auch MARSIMOTO nicht fehlen und für ein paar Lieder erstrahlte passend alles in Marsi-Grün.
Parallel spielte auf der anderen Bühne der Jamaikanische Reggae Star CHRISTOPHER MARTIN. In Deutschland wurde der vor allem durch das Feature in Gentlemans „To the top“ bekannt. Auf dem Summerjam lieferte er richtig guten Reggae.
Nach den letzten Konzerten rockte traditionell das Pow Pow Movement und Jugglerz die Dancehall Area und ließ die Menge bis in die frühen Morgenstunden zu bassigem Dancehall und schönen Vibes tanzen. Mit ihrer Mischung aus Dancehall, Reggae, HipHop und Afrobeats ist das Pow Pow Movement übrigens auch regelmäßig im Kölner Club Petit Prince zu hören.
Der Samstag ging so sonnig weiter wie der Freitag. Vor den Bühnen war es um die Mittagszeit dermaßen heiß, dass die Leute reihenweise in den See sprangen. Der Stimmung tat das keinen Abbruch, ganz im Gegenteil.
Musikalisch war für jeden Geschmack etwas dabei. Für Fans des echten Jamaikanischen Reggaes sicher eines der Highlights: JESSE ROYAL. Mit erstklassigem Sound spielte er seine Hits wie “Modern Day Judas” und “Generation” und wurde auch mit seinen Ansagen zwischen den Liedern seinem sozialkritischen Ruf gerecht.
Von HipHop Fans wurde DENDEMANN mit Vorfreude erwartet. Kaum ein deutscher MC überzeugt mit so viel Wortwitz und seine Stimme ist sowieso einzigartig. Der Mann ist einfach cool und macht immer wieder Freude, es wird höchste Zeit für ein neues Album.
Für jüngere Fans schien vor allem BAUSA ein Highlight zu sein. An seiner Hitsingle „Was du Liebe nennst“ kam man in den letzten Wochen ja (leider) kaum vorbei. Live überzeugte er wenig, bei mir (und vielen um mich rum) wollte keine Stimmung aufkommen.
Beim Auftritt von MILKY CHANCE wurde es am Abend dann richtig voll. Musikalisch einwandfrei passten die smoothen Riddims perfekt zu einem langsamen Sonnenuntergang. Die Stimmung war entspannt und beschwingt, von jung bis alt schienen alle hier Spaß zu haben. Für mich der einzige Wehrmutstropfen, die etwas glatte Performance. Kein einziges Wort zwischen den Liedern, keine spürbaren Emotionen. Schade.
Danach übernahm ZIGGY MARLEY, einer der vielen Söhne des legendären Bob Marleys die Bühne. Keine große Überraschung, denn auch in den 3 vorherigen Jahren waren Marleys Söhne dabei (2015/2017 Damian Marley, 2016 Ky-Mani Marley). Schön dabei, alle haben ihren eigenen recht unterschiedlichen Sound gefunden. Ziggy Marley ist stimmlich von den dreien wohl am nächsten an seinem Vater. Doch kann er genug eigene Erfolge verbuchen. Mit seinen Alben gewann er stolze 8 Grammys. Feinster Reggae und auch live eine wahre Freude. Sein Vater wäre sicher stolz.
Einen krönenden Abschluss gab dann das Konzert von GENTLEMAN. Ein Künstler den wir wohl nicht mehr vorstellen müssen. Er ist der, vermutlich mit Abstand, bekannteste deutsche Reggae Künstler. Mich persönlich hat sein allererstes Album „Trodin On“ im Jahr 1999 in frühen Jugendjahren nachhaltig geprägt und mit Reggae infiziert. Bis heute ist er mein Lieblings Sänger. Schon lange ist er aber kein kleiner Spartenmusiker mehr und Auftritte wie zuletzt bei „Sing meinen Song“ wären früher undenkbar gewesen. Genauso aber auch Features mit z.B. Sean Paul. Bei allem Fame und Geld macht er aber immer noch genau so gute Musik wie früher. Das Summerjam ist für ihn als waschechter Kölner ein Heimspiel und ganze 7 Mal (das erste Mal 1998) war er nun bereits dabei. Trotz aller Routine schien das auch für ihn ein besonderer Abend zu sein. Mehrmals rief er „Köln das macht heute so richtig Spaß mit euch!“. Und das machte es wirklich. Nach 2 zuletzt eher routinierten und müde wirkenden Auftritten von ihm, war dies von der ersten Sekunde an pure Freude. Dass er noch seinen Kumpel Daddy Rings dabei hatte, setzte dem Ganzen die Krone auf!
Auf der anderen Bühne spielten gleichzeitig 2 Dancehall Größen auf. Zuerst gab sich Konshens die Ehre. Dieser formte mit seinem Bruder das Duo SoJah, veröffentlichte 2010 dann aber sein erstes Solo-Album. Der darauf enthaltene Song „Winner“ erreichte in Jamaika Platz 1 der Single Charts. Live performte er seine großen Hits und brauchte die Menge zum toben. Das steigerte sich mit Alkaline dann noch einmal. Laut Billboard Magazine veröffentlichte dieser 2016 eines der besten Reggae Alben des Jahres. Bekannt ist er außerdem für seine heftigen, kontroversen Texte und Videos, die im Dancehall ja durchaus nicht unüblich sind. Wer Dancehall der etwas härteren, lauten, teilweise auch aggressiven Art mag, der kam hier sicher voll auf seine/ihre Kosten. Direkt aus dem harten Kingston auf die Bühne.
Wer immer noch nicht müde war, konnte in der Dancehall Area mit Talawah Sound (Hamburg) und Warrior Sound (Wuppertal) feinste Tunes betanzen bis die Sonne aufging.
Der Sonntag präsentierte eine wahre Legende. INNER CIRCLE waren zu Gast und jeder der jetzt denkt „Kenn ich nicht“, wird gleich eines Besseren belehrt werden. Diese Band feiert dieses Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum. Ab 1974 produzierte sie insgesamt weit über 20 Alben, dutzende Singles und verkaufte Millionen Platten. Sie arbeiten in dieser Zeit mit unzähligen großen Namen der Reggae-Szene zusammen und landeten 1993 Ihren wohl bekanntesten Hit mit „Sweat (A la la la la long)“. Auf der Bühne sorgten sie für sommerliche Reggae Stimmung aber blieben leider etwas monoton. Ihre Single Bad Boys konnten fast alle mitsingen, egal ob 10 oder 60 Jahre alt.
Auch für HipHop Fans gab es noch mal ein kleines Highlight: TRETTMANN. Wie gehypt der im Moment wird, das wurde klar wenn man sich anguckte wie voll es vor der Bühne wurde. Trotz des eher seichten und minimalistischen Sounds von „Grauer Beton“, „Billi Holiday“ usw. war die Menge gut drauf und sang viel textsicher mit. Sicher nicht die stimmungsvollste Live Performance des Wochenendes, aber der Eindruck war positiv.
Wer noch nicht genug vom Autotune hatte, der konnte dann abends noch bei RIN abfeiern.
Für Reggae Fans ein weitaus schöneres Abschlusskonzert gab es aber auf der anderen Bühne. Zuerst spielte dort SOJA, eine achtköpfige Band aus den USA und im Moment wohl eine der erfolgreichsten Reggae Bands überhaupt. 2014 gewannen Sie einen Grammy für das beste Reggae Album des Jahres. Was sie so beliebt macht, könnten Ihre eingängigen Melodien und ihre deepen Texte sein. Sie sind bekannt für Ihren Einsatz für den Umweltschutz und ihre gesellschaftskritischen Texte. Mit ihrer Musik berühren sie Menschen und bringen sie zusammen, über alle Grenzen hinweg.
Weiter ging es mit CHRONIXX, dieses Jahr nominiert für das beste Reggae Album des Jahres. Ein wunderschöner Abschluss eines einmaligen Wochenendes. Sympathisch, nah am Publikum und voller positiver Ausstrahlung sang er gefühlvoll mit einer starken Band im Rücken.
Seine unverwechselbare Stimmte konnte nicht darüber hinwegtrösten, dass es ganz plötzlich Sonntagabend war. Nach dem traditionellen Abschluss- Feuerwerk hieß es nach Hause fahren. Das Einzige was mir dazu einfällt ist:
Gastebeitrag von HEIKO SCHMIDT
Die Bilder zum Festival-Wochenende findet ihr hier: