06.08. - 07.08.2016: SOUNDGARDEN FESTIVAL - Bad Nauheim

08.08.2016
 

 

Es ist Anfang August und die Auswahl an Festivals, die jedes Wochenende stattfinden, ist auf ihrem Höhepunkt. Jeder hat das schönste, beste, größte,… Line Up, Gelände, Essensangebot,… jeder will höher, schneller, weiter. Die Auswahl und damit verbunden auch der Konkurrenzkampf ist groß und wird immer größer, die Zeit und die Anzahl der potentiellen Zuschauer bleibt jedoch begrenzt. Eine Mischung die nichts Gutes erahnen lässt,… und das Festivalsterben hat schon lange begonnen.
Diese Erfahrung musste schmerzlicher Weise auch das SOUNDGARDEN FESTIVAL in Bad Nauheim machen. 2014 machte nicht nur das Überangebot an Festivals, sondern auch das schlechte Wetter, dem Festival einen Strich durch die Rechnung und sorgte für kaum Ticketabsatz an der Abendkasse. Das Ergebnis: zu wenige zahlende Besucher und damit verbunden ein Jahr Pause, für das zweitägige Festival im Herzen Hessens.
Nun, 2016, soll ein weiterer Anlauf genommen und damit die schwierigen letzten Jahre vergessen gemacht werden. Und die Voraussetzungen sind bestens: Der Wettergott spielt (ausnahmsweise) einmal mit, lässt den Regen zu Hause und sorgt für angenehmes, nicht zu warmes und nicht zu kaltes, T-Shirt Wetter. Und auch das Line Up, das die Veranstalter in diesem Jahr aus dem Hut gezaubert haben, ist nicht von schlechten Eltern. Mit ZSK, ITCHY POOPZKID, DEEZ NUTS, RADIO HAVANNA, SCHMUTZKI,… konnte man einige hochkarätige Bands, vor allem aus dem Bereich Punk, für sich gewinnen.
Eigentlich steht einem perfekten Festivalwochenende nichts im Wege,…  wären da nicht, wieder einmal, die fehlenden Besucher. Denn weder ein gutes Line Up, noch gutes Wetter bringen dem Veranstalter etwas, wenn die Zuschauer ausbleiben. Die Gründe,… schleierhaft. Das Festivalgelände bietet perfekte Voraussetzungen für ein kleines, liebevolles Festival mit zwei Bühnen, die wechselnd bespielt werden. Es ist weitläufig, bietet Platz für ausreichend Besucher, Essensstände und Toiletten, hat Sitzgelegenheiten, Parkplätze in der Umgebung und eine Campingmöglichkeit. Dennoch ziehen die Leute nicht, wie es der Veranstalter sich mit Sicherheit erwünscht hätte. Und dies bemerkt man leider auch bei den Konzerten,…

Als Freitag 15:00 Uhr POLAR als erste Band die ovag Stage eröffnen, stehen nur hier und da, vereinzelt, ein paar Leute vor der Bühne. Die meisten davon Crewmitglieder. Und das soll sich im Folgenden weder bei TOM THALTER & BASIL, die es mit deutschsprachiger Rap-Musik versuchen, noch beim ACTIONTEAM, mit deutschsprachigem Comedy-Rock, ändern. Erst bei ELFMORGEN, den Lokalmatadoren, die ihren Slot mit LOVE A tauschen mussten, da diese es nicht rechtzeitig zu ihrem Auftritt geschafft haben, wird es vor der Bühne etwas voller. Es wird, wie bei ELFMORGEN Auftritten mittlerweile üblich, zur Schuppkarren-Wall-of-Death, zum Stagediven und zum lauten-besingen des Oberlippenbarts aufgerufen. Der Platz vor der Bühne ist voll, die Stimmung gut, aber auch nur kurzzeitig. Durch die vielen Sitzmöglichkeiten, im hinteren Bereich des Festivalgeländes, verschlägt es immer nur vereinzelt Leute direkt vor die Bühne. Und so schauen wieder nur ein Hand voll Menschen LOVE A bei ihrer Arbeit zu (und das obwohl die 4 wieder einmal alles geben und ein super Set spielen). Auf LOVE A folgen KAPELLE PETRA. ELFMORGEN Frontmann Andy muss die Bühne somit gar nicht erst räumen und kann direkt als Gitarrist (bei KAPELLE PETRA) auf der Bühne bleiben und die Menge ein zweites Mal einheizen. Gewohnt schräg und vor allem knallbunt feiern KAPELLE PETRA mit den Zuschauern ihre ganz eigene Geburstagsparty inklusive Schnaps und Partyhütchen. Lokalmatadore scheinen zu ziehen. Eigentlich schlechte Voraussetzungen für SWISS + DIE ANDEREN, die den weiten Weg aus Hamburg auf sich genommen haben. Jedoch keinen Grund für SWISS und Co. den Kopf in den Sand zu stecken, sondern zum Gegenangriff zu blasen. Aufstachelnd, beinahe etwas arrogant, fordert SWISS das Publikum zu mehr Interaktion auf. Und siehe da,... es funktioniert. Es wird gepogt, getanzt und bei der Wall of Death ineinander gerannt. Diese (zum ersten Mal an diesem Tage aufkommende) Euphorie vor der Bühne machen sich im Anschluss auch SCHMUTZKI zu Nutze, die am Morgen bereits auf dem Mini-Rock Festival den Camping-Platz gerockt, sich im Anschluss aber, anstatt weiter zu saufen, lieber in den Bus gesetzt haben, um zum SOUNDGARDEN FESTIVAL zu fahren. Gute Entscheidung. Zwar schaffen es SCHMUTZKI nicht ganz die Größe des Moshpits beizubehalten, die Stimmung bleibt jedoch auf einem ähnlich guten, mittlerweile wirklich hohem Level. Unpassenderweise spielt im Anschluss L’AUPAIR, der mit seinen sanften Indie-Nummern anstatt zum Pogen, eher zum Träumen einlädt. Runterkommen, um bei ZSK noch einmal alles zu geben. ZSK, die den heutigen Headliner-Posten übernehmen, sorgen dann auch wieder für Bewegung vor der Bühne und besorgen dem 1. Tag des SOUNDGARDEN FESTIVALs einen schönen Abschluss.

Der zweite Festivaltag beginnt leicht verbessert, im Vergleich zum ersten Tag. Mehr, wenn auch noch nicht wirklich viele, Leute, die sich schon am frühen Mittag, zu MAKIA, als tanzfreudig outen, stehen vor der Bühne und tanzen was das Zeug hält. So auch bei I AM JERRY, einen Act später. Jene werden jedoch Opfer des straffen Zeitplanes und müssen die Verspätungen der Bands zuvor ausbaden. Das Set muss beinahe halbiert werden, damit EVIL CAVIES im Anschluss auf der Hauptbühne pünktlich weitermachen können. Schade, denn die Mischung aus KRAFTKLUB und BILDERBUCH, die I AM JERRY spielen, klingt durchaus interessant. EVIL CAVIES kommen, wie am Tag zuvor schon ELFMORGEN, direkt aus der Region und haben somit reichlich Fans im Publikum. Auch wenn die Show der Friedberger nicht ganz so professionell, wie die der anderen, Festival-erprobteren Bands die nun folgen, da herkommt, macht es Spaß dem Ska-Punk der Jungs zu lauschen. Das mit dem „lauschen“ ist dann spätestens bei VITJA vorbei. Es wird dunkel und düster in Bad Nauheim. Voller Inbrunst schreit sich Sänger David Beule, zu harten Metalcore-Klängen, die Seele aus dem Leib. ROGERS müssen dagegen nicht ganz so laut schreien. Mit ihrem anwesenden Streetteam im Rücken wird das Set locker heruntergespielt und, wenn auch nicht gepogt wird, zumindest zu „Kreuzberger Nächte sind lang“ eine Polonaise angezettelt. Die größte „Show“ des Festivals liefern anschließend TÜSN. Mit silberner Krone und aufreizendem Korsett hallen die Worte „Reden ist Silber, Tanzen ist Gold“ über das komplette Festivalgelände. Fett produzierter Indie-Pop der alles auf eine Karte setzt und vor Pathos nicht zurückschreckt. Ein wirklich krasser Schnitt zwischen zwei Mal Punk-Rock, der allerdings gut funktioniert. Denn RADIO HAVANNA setzen, ganz anders als TÜSN, auf die gleiche Karte wie ROGERS. Und diese heißt (nicht wie bei TÜSN „Pop“ sondern) schlicht und einfach Punk-Rock. Deutsch-Punk wie er im Bilderbuch steht. Mit „Refugees Welcome“-Banner im Hintergrund und Pfeffi im Gepäck wird das „Klassentreffen“ der Bands zelebriert. Grob sind auch BLACKOUT PROBLEMS dem Genre „Punk“ zuzuordnen. Allerdings singen die 4 Jungs auf Englisch und sprechen, von der Zielgruppe her, vor allem die jungen Damen im Publikum an. Wie zu erwarten, sind die ersten Reihen auch mit genau diesen (bereits frühzeitig) besetzt, dahinter rotieren allerdings die Pogo willigen Jungs. Und diese sind im Laufe des Tages immer mehr geworden. Auch aufgrund der wirklich hingebungsvollen Show von Sänger Mario, der die Musik so sehr fühlt dass er beinahe komplett die Fassung verliert und seinen, eh schon löchrigen Pulli, weiter zerreißt, als seine Gitarre keinen Ton mehr von sich geben möchte. Bei BLACKOUT PROBLEMS fühlt man noch die Musik. Hier ist live noch live. Überraschend gut. Bevor das heutige Headliner Duo, bestehend aus ITCHY POOPZKID und DEEZ NUTS, die Bühne entern, geben die Newcomer MILLIARDEN, bei denen der Weg zurzeit ausschließlich nach oben führt, noch ihre Songs zum Besten. Für „Newcomer“ sind die Beiden schon ziemlich abgebrüht und lassen die Zuschauer keine Aufregung spüren. ITCHY POOPZKID erst recht nicht. Die alten Hasen und Freunde des Festivals waren schon des Öfteren zu Gast auf dem Soundgarden Festival, sogar als das Festival noch an einem ganz anderen Ort, ein paar Kilometer weiter, stattgefunden hat. ITCHY POOPZKID sind es auch die bei ihrer Show zum ersten Mal ansprechen, was sich die meisten Besucher eh schon gedacht haben. Die Zuschauerzahlen sind weit hinter den Erwartungen der Veranstalter geblieben, was nicht nur ITCHY POOPZKID mehr als Schade finden. Dennoch ist das Ganze kein Grund für die Schwaben eine halbherzige Show zu spielen. Zuschauer und Band geben, zum Ende hin, noch einmal alles und das obwohl sich Sibbi, zwei Tage zuvor beim Squash spielen, einen schweren Muskelbündelriss im Oberschenkel zugezogen hat. Und so humpelt Sibbi,in bester Piraten Manier, zur Zugabe„The Pirate Song“, zurück auf die Bühne. DEEZ NUTS holen zum Abschluss noch einmal den Hammer raus und hauen diesen den Bad Nauheimern um die Ohren.

Alles in allem war, ist und bleibt das SOUNDGARDEN FESTIVAL ein schönes Festival, das alles bietet, was ein Festival brauch. Hier und da haben jedoch leider die Massen vor der Bühne gefehlt, um die Stimmung zum Kochen zu bringen. Sollten die Veranstalter 2017 noch einmal den Mut haben und wieder an den Start gehen, sollte sich jeder SOUNDGARDEN-Fan ein Herz fassen und schnellstmöglich im VVK zuschlagen.
Für mehr kleine Festivals! Für mehr D.I.Y.!
Bleibt dran, liebes SOUNDGARDEN FESTIVAL!