07.-08.08.2009: Sucks N Summer - An der Muldenwiese – Leisnig

07.04.0007
 

 

Wem das nicht gefällt, der sollte einfach ein paar Sätze überlesen.

FREITAG

Hatte es mir am Donnerstag noch einen kleinen Dämpfer verpasst, zu erfahren, dass die überraschende Buchung von WALLS OF JERICHO so schnell wie sie kam auch wieder über den Haufen geworfen wurde, konnte die Vorfreude kaum größer sein als wir freitags morgens starten. Über den Donnerstag kann ich nicht berichten, weil wir die Tour rund um CARPATHIAN in Wiesbaden besuchten anstatt die ersten „kleinen“ Bands in Leisnig anzusehen. Nach einer sitzfleisch-strapazierenden, stundenlangen Fahrt treffen wir um etwa 13 Uhr ein. Das Wetter ist nahezu perfekt und es überrascht mich direkt, dass der Campingplatz scheinbar nur geschätzte 150 Meter vom Festival-Eingang entfernt ist. Später sollte ich erfahren, dass ein zusätzlicher Platz für die Spätkommer aufgemacht wurde und der eigentliche hinter dem Netto Supermarkt, der aber ebenfalls höchstens doppelt so weit vom Festival entfernt ist, liegt. Das Campen ist umsonst, unser Auto steht etwa 20 Meter vom Zelt und man drückt uns lediglich eine Mülltüte in die Hand, nachdem man uns herzlich empfangen und eingewiesen hat. Absolut unschlagbare Situation was das Gepäck-Transportieren betrifft. Trotz der seltsamen Boden-Voraussetzungen (eine durchgehende Betonschicht auf dem Gelände, etwa 5 Zentimeter unter dem Gras) schlagen wir recht schnell die Zelte auf und können entspannt Richtung Festival marschieren. Die Securities sind nicht die freundlichsten und durchsuchen wahrscheinlich bei jedem zweiten Besucher - so auch bei mir - die Bauchtasche. Man kann sich sicherlich vorstellen wie nervig das beim ungefähr hundertsten Mal (so oft kam es mir über das Wochenende vor) ist, aber Vorschrift ist Vorschrift, jaja.

YOUR DEMISE fangen gerade an zu spielen und ich vernehme „You Only Make Us Stronger“. Sofort besichtige ich das Zelt, in dem die auf der Homepage betitelte „Indoor-Show“ stattfinden sollte. Die Luft ist stickig, die Bühne aber glücklicherweise nicht abgesperrt. Die Main-Stage ist das schon. Mir fällt jedoch sofort der riesige „Hardcore bleibt Nazi-frei“ Banner auf, der rechts über dieser befestigt ist. Ein bisschen erleichtert mich das. Man kennt ja die Klischees, die über Ost-Shows von Bands wie Agnostic Front und co. kursieren. Ich zumindest habe oft genug gehört und gelesen, dass allerhand Leute angezogen werden, die meiner Meinung nach den Grundideen des Hardcore nicht fremder sein könnten und deswegen lieber daheim bleiben sollten: Rassisten. Ich betone es mal direkt für den Anfang mit einem dicken Ausrufezeichen: Während des gesamten Wochenendes ist mir nichts dergleichen passiert oder aufgefallen, absolut vergleichbares Publikum war vertreten wie auf jeder anderen Show auch. YOUR DEMISE haben bereits eine beträchtliche Menge an Leuten vor die Bühne gelockt und liefern einen guten Auftritt. Mir wird es im Zelt jedoch schnell zu heiß. Da ich den ganzen Tag noch nichts gegessen habe, gucke ich mir die Stände an und suche nach einem geeigneten Mittagsessen. Allerhand Merchandising-Stände, selbstverständlich ein eigenes Merchandise-Zelt für die Bands, die auch tatsächlich spielen. Einige Ess-Stände, veganes und vegetarisches Essen (auch Kuchen und so weiter) gibt es nur zu genüge. Ich entscheide mich für einen veganen Burger. Die Preise sind sensationell billig, sodass man sich ohne Probleme auf dem Festival-Gelände preiswert ernähren kann. Ich verlasse das Gelände wieder (den Burger natürlich vorher gegessen), mein erster Eindruck ist gemacht. Die Engländer von YOUR DEMISE zocken gerade „Nothing Left But Regret“.

WHERE EAGLES DARE lasse ich aus.

Ich kehre pünktlich in der Umbaupause zurück. Von MORE THAN LIFE will ich natürlich keine Minute verpassen. Der Hype um diese Band dürfte inzwischen viele Leute erreicht haben, und das absolut zu Recht, ist deren EP doch so ziemlich das Innovativste was im letzten Jahr im Hardcore erschienen ist. Eröffnet wird leider ohne Aperture mit Faceless Name. Ja, spätestens jetzt läuft der Schweiss endgültig in Strömen, was vor der Bühne abgeht dürfte für die Jungs die exklusiv für diese Show nach Deutschland kommen, zufrieden stellen. Der britische Fünfer spielt sich nicht nur durch die Brave Enough to Fail EP, sondern präsentiert auch zwei neue Songs, die definitiv Lust auf mehr machen. Der Titeltrack der bereits erschienen EP wird leider ausgelassen, genau wie das Intro von Fear (meiner Meinung nach fast das Beste an der Platte). Mit Fear endet dann auch das Set, kaum zu glauben dass die halbe Stunde schon herum ist. Bis auf einige Verspieler seitens der Gitarren und des Schlagzeugs die deutlich zu vernehmen waren, ein guter Auftritt trotz durchwachsenem Sound. Der Sänger hat im Gegensatz zum Auftritt im Januar mal nicht direkt nach den ersten beiden Songs seine Stimme verloren. Ich bin zufrieden. Die Stagediver-Fraktion (die ausgiebig zum Zug kommt) muss direkt feststellen, dass der steinige Boden nicht sehr geeignet für großartige Stunts ist. Durch die Hitze ist es sehr staubig, sodass ich froh bin, das Zelt (wenn auch nicht sehr lange) wieder verlassen kann.

Auch auf SCREWED UP verzichte ich, da ich von dieser Band noch wirklich gar nichts gehört habe. Hoffentlich verübelt es mir niemand.

Der Headliner für die zweite Stage, CASEY JONES, ist an der Reihe. Es ist noch viel voller und heißer als zuvor bei More Than Life. Kein Wunder. Die amerikanische Straight-Edge-Band ist ein rarer Gast, war sie doch bis jetzt nur auf dem Pressure Festival 2007 im Lande. Verglichen mit damals ist diese Show nicht abgesperrt, ein neues Release kam in den letzten drei Jahren ja auch nicht - eben nur ein Side-Project. Die bei dem Publikum angestaute Vorfreude auf diese Band (wobei das Pressure Fest 07 auch schon wieder lange zurück liegt, bei mir war also auch genügend vorhanden) kann also jetzt endlich in einer energiegeladenen Show freigesetzt werden. Begonnen wird mit „1 Out of 3 Had a STD“, dem ersten Song auf dem letzten Album „The Messenger“. Wie zu erwarten ist das Publikum sehr textsicher und es geht von der ersten Sekunde an rund. Josh James und seine Mannen sind anscheinend topfit und wollen Europa einiges beweisen. Neben weiteren Songs der aktuellsten CD („Coke Bongs and Sing-A-Longs“, „No Donnie..“, usw.) werden auch ältere Songs wie „If You’re Smoking in Here… und „C.G.L.“. präsentiert. Alle werden etwa in gleichen Maßstäben abgefeiert, wobei das Set selbstverständlich seinen Höhepunkt mit dem letzten Song, „Know This X“ erreicht. Der charismatische Fronter scherzelt zwischen den Songs herum und bespuckt auch den ein oder anderen Fan, was dem Auftritt eine etwas rüpelhafte Marke verleiht. Den Merch-Verkäufen wird das sicherlich keinen Abbruch tun. Sing-A-Long-technisch kommt abgesehen von den New Yorker Bands nichts an CASEY JONES ran. Super Show, aber der Sound im kleinen Zelt ist nach wie vor nicht der Beste.

Wir legen eine große Pause ein, um Verpflegung im Supermarkt zu kaufen und sind bei weitem nicht die einzigen. Ich verpasse FAUST AGAIN, FINAL PRAYER (wenn auch eher ungern) und BACKFIRE!, die eine ihrer letzten Shows geben, vernehme ich immerhin noch vom Camping-Platz. Sonderlich interessiert hat mich die Band eben nie, daran würde auch die Auflösung nichts ändern. Inzwischen werden uns freundlicherweise ein paar Dixies auf den zweiten Zeltplatz vorgefahren, die übrigens in außerordentlich guter Verfassung vorzufinden waren. Als BACKFIRE! obgliatorischerweise mit „Still Dedicated“ ihren Auftritt beenden, steige ich aus dem Campingstuhl.

Zwischen Soundzelt und Main-Stage steht eine riesige Menschenmenge. Wenn das bei Backfire! schon der Fall war, hatten sie einige würdige Abschieds-Show aus dem Osten (wenns denn eine war??). EVERGREEN TERRACE betreten in wenigen Minuten die Bühne. Ich kann es kaum erwarten, denn auch diese Band war ja ziemlich lange abwesend was Deutschland betrifft. Erster Song ist „Dogfight“, was den Moshpit sofort in Bewegung bringt. Mit „No Donnie, These Men Are Nihilists“, „Where There is Fire We Will Carry Gasoline“ und „Enemy Sex“ nehmen die fünf Jungs aus Jacksonville Leisnig erstmal mit auf eine Reise quer durch die letzten 4 Releases (mit eigenem Song-Material wohlgemerkt). Ich bin überwältigt und bemerke dass ich den neuen Song, „Enemy Sex“ unterschätzt habe. Live knallt der wie die Sau, während ich auf Myspace fast eingeschlafen wäre. Klarer Fall von Unaufmerksamkeit anscheinend. EVERGREEN TERRACE spielen immerhin acht Songs. Als vorletztes ist „Mad World“ an der Reihe - ein Cover hätte ich nicht erwartet. Damit wäre auch dieses Album abgehakt. Die Show endet mit dem wohl berühmtesten Song der Band, zu dem es sogar ein Video gibt: „Chaney Can’t Quite Riff..“. Ich mag das Lied kaum, aber Hymnencharakter hat es auf jeden Fall, was sich live ungeheuer auszahlt. Für mich waren EVERGREEN TERRACE die beste Band des Festivals. Auch den anderen tausenden Zuschauern dürfte es gefallen haben, schließlich verbindet diese Band Metal mit Hardcore, eine verdammt gute Clean-Stimme von Craig Chaney mit der brutalen Stimme von Fronter Andrew (Ja, man fragt sich immer wieder wo dieses Hemd diese Stimmgewalt herholt..) und den rotzigen Shouts von Josh James (dem man übrigens nicht anmerkt dass er bereits zum zweiten Mal auf der Bühne steht). Breakdowns und Clean-Passagen, knackige Riffs und ein Querschnitt durch die gesamte Bandkarriere. Von Fan-Girlie bis Mesh-Short-Mosher dürfte hier jede Schublade in die FestivalbesucherInnen so gerne gesteckt werden und auch die Leute, die in keine wirklich reinpassen, alles bedient sein. Nach diesem Auftritt will ich die Band auf jeden Fall noch auf einer der anschließenden Clubshows und mit neuem Output „Almost Home“ im Winter auf der Persistence Tour sehen. Ich kann unmöglich der Einzige sein.

Bevor H2O beginnen, räumt sich das Schlachtfeld beträchtlich - mir soll’s recht sein. Einige Fans erfrischen sich am Gartenschlauch. Die New Yorker Legenden, die mit ihrem Comeback-Album „Nothing to Prove“ letztes Jahr einen unglaublichen Erfolg hierzulande verbucht haben, eröffnen wie auf besagter Scheibe mit „1995“. Toby Morse kann ohne Probleme das Mikro sinken lassen, den Rest übernimmt die Crowd. Mitsing-Hymnen für alt und jung, hach wie schön. Eine unglaublich sympathische Band, die zwar nicht wirklich komplexe Musik spielt aber durch ihre Eingängigkeit besticht, live sowie auf CD. Auch diese Band präsentiert ein sehr ausgewogenes Set, schließlich hat sich ja genug relevante Alben, auf die sie zurückgreifen kann. Sei es „I See It in Us“, „Faster than the World“ oder „Guilty by Association“: ein Knaller jagt den nächsten. Es macht einfach unglaublichen Spaß, dieser Band zuzuschauen. Als Morse an legendäre Bands und deren Wichtigkeit erinnert, jubeln die ersten Reihen: „Fugazi, Black Flag, Ramones, The Clash, Descendents, Warzone“ – alle kriegen ihren eigenen Applaus. Die Wurzeln kennen ist essenziell, aber ich denke viele Leisniger applaudieren nur obligatorisch. Der Titelsong des neuen Albums, "Nothing to Prove", darf klarerweise nicht fehlen. Roger Miret verzichtet hier leider darauf, seine Guestvocals gleich selbst zu singen. Mit "What Happened?" fällt natürlich endgültig der Groschen. Der Leitsatz "Passion before Fashion" ist 2009 relevanter denn je. Nichtsdestotrotz scheinen sich immer noch nicht genug Leute mit diesem Liedtext auseinander gesetzt zu haben, wenn man sich mal umschaut. Nunja. Spätestens jetzt bemerke ich dass der Sound auf der Main Stage viel, viel besser ist. Mit der Absperrung geben sich natürlich im Laufe des Festivals weder Bands noch Fans wirklich glücklich ab. Man kann’s nicht ändern. Die Securities im Bühnengraben machen sich übrigens mit ihrer Brutalität, die Leute herauszuziehen und von der Bühne fern zu halten total zum Affen. Nicht nur auf diesem Festival so. Wieder mal die Auflagen, kennen wir ja schon.

HEAVEN SHALL BURN hat hier in Leisnig natürlich Heimvorteil, davon gehe ich zumindest vor dem Auftritt aus. Die Thüringer fangen mit „Behind a Wall of Silence“ und „To Inherit the Guilt“ (zwei sehr alten Songs) etwas gewöhnungsbedürftig an, aber die erste Reihe besteht durchweg aus textsicheren Fans die jedes Release wohl in- und auswendig kennen. Sänger Markus wundert sich ein wenig, warum der Pit nicht richtig in Gang kommt, ich denke es liegt eben daran dass nur die Mitsing-Fraktion sich von alten, eher unbekannten Liedern begeistern lässt. Er weist jedoch direkt darauf hin, dass er für die Setlist keinerlei Haftung übernimmt, weil diese heute von einem langjährigen Freund der Band angefertigt wurde. Der dritte Streich ist „Endzeit“, womit vorhersehbarerweise der Knoten platzt und das Festival-Gelände mächtig in Bewegung kommt. Deutschlands unbestrittene Metalcore-Könige unterstreichen einmal mehr, warum sie mit internationalen Bands locker mithalten können. Eine sehr eigene Show lässt die Zuschauerschaft auf der Muldenwiese mehr und mehr in Gang kommen. Alte Bekannte, ganzkörper-verkleidet als Biene und Bär (weiß ich nicht mehr so genau) kommen auf die Bühne und fallen Markus in die Arme. Auch ein 7-Jähriger Junge steht auf der Bühne und bekommt von der Band sogar einen Song gewidmet. Sehr eindrucksvoll ist auch, dass HEAVEN SHALL BURN eine Wall of Death nicht einmal fordern muss, als sie drauf und dran ist „Voice of the Voiceless“ zu spielen. Das Publikum kennt die Rituale der Band. Mir gefallen HSB ebenfalls heute ausgezeichnet, obwohl ich kaum noch zählen kann wie oft ich sie schon gesehen habe. Bischoff nimmt die Menge auf den Arm, als diese abstimmen soll ob „The Fire“ oder „To Harvest the Storm“ gespielt werden soll, er kündigt den zweiten Song an, gespielt wird der erste. Ich denke das hat eine Vielzahl von Fans nicht einmal gemerkt. Immer wieder beschwert er sich auch, dass der Lichttechniker das Licht vor die Bühne anstatt auf ihn richten soll, damit er die Leute sehen kann. Ein Hauch von familiärer Atmosphäre? Keine Ahnung. Fest steht dass HEAVEN SHALL BURN viele alte Bekannte mal wieder getroffen haben und man ihnen anmerkt dass es ihnen Spaß macht, ein Teil des Sucks n Summer zu sein. Mit „Counterweight“, „Profane Believers“, „Murderers of All Murderers“, „Architects of the Apocalypse“, “The Disease”, “The Only Truth” und weiteren Songs wird die Stunde Spielzeit mit Leichtigkeit gefüllt. Das fulminante Finale besteht wie immer aus „Black Tears“, dem Edge of Sanity Cover. Obwohl wohl die meisten Besucher des Festivals auch die Band geguckt haben, hätte ich doch etwas mehr Bewegung erwartet.

Eine Band noch über: AGNOSTIC FRONT. Warum die New Yorker Band um die Legenden Roger Miret und Stigma heute headlinen, stellt wahrscheinlich niemand in Frage. Dennoch können sich viele Leute nicht an die unverwechselbare Stimme Mirets gewöhnen, sodass alle meine Mitfahrer auf den Zeltplatz gehen. Was soll’s. Von „Public Assistance“ über „Peace“ bis zu den neuesten Songs vom Album „Warriors“ wird hier alles aus über 20 Jahren Bandkarriere präsentiert. Gleich im ersten Drittel wird mit „For My Family“ die wohl modernste NYHC-Hymne angestimmt. Höhepunkte bilden sicherlich „Crucified“ und natürlich der Song, den auch jeder AGNOSTIC FRONT - Hasser mitsingen kann: „Gotta Go“. Dieser wird heute einem Rollstuhlfahrer, der Geburtstag hat und auf der Bühne mitsingen darf, gewidmet. Eine wirklich rührende Geste, die von Leisnig gebührend quittiert wird. Ich hatte bis jetzt bei jeder AGNOSTIC FRONT - Show den Eindruck als ließe sich Roger Miret weder aus der Reserve locken noch von irgendeinem Publikum zufrieden stellen (z.B. Groezrock 08). Heute war das anders. Größtenteils lächelnd bellte sich das Hardcore-Urgestein durch Hass-Tiraden wie „Dead to Me“ und „Fall of the Parasite“. Mit „Take Me Back“ ist der Freitag dann gelaufen. Eine Zugabe wird nicht wirklich gefordert, auch wenn AGNOSTIC FRONT noch den ein oder anderen Song auf ihrer Setlist stehen hatten. Ihr bis jetzt bester Auftritt für mich.

Unter dem Strich ein super Festival-Freitag, keine Band hat auch nur ansatzweise enttäuscht. Vielleicht liegt das daran, dass ich nur meine Favoriten geguckt habe. Man nehme es mir nicht übel, denn ein jeder kennt wohl die Bequemlichkeit einer gediegenen Campingstuhl-Runde, die einem so manchen Festival-Auftritt vermasselt.

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SAMSTAG

Unser erster Marsch weg von unseren Zelten geht heute wie bereits im Voraus geplant ins Leisniger Schwimmbad. Mit deutlich über zwei Kilometern liegt es etwas weiter entfernt als es beschrieben wurde, aber es lohnt sich wirklich. In den vier Stunden die wir da sind kommt es mir nach und nach immer mehr so vor als ob das halbe Festival sich hier versammelt. Bei dem Wetter ist es nicht verwunderlich. Da Carpathian die erste Band ist, die wir sehen wollen, haben wir dicke Zeit, denn der eigene Zeitplan verschiebt sich noch mal eine halbe Stunde: ANCHORS AWEIGH „ersetzen“ den Ausfall von DYS als Opener auf der Indoor-Stage.

Aber die erste Band die ich heute schaue ist ANCHOR. Bereits nach dem ersten Song verlasse ich das Zelt wieder, weil es mir noch heißer vorkommt als gestern. Die Skandinavier können am Nachmittag schon einige Leute begeistern, ich schenke ihnen aber kaum Beachtung weil ich sie zum dritten Mal in 14 Tagen sehe und daher das Set langsam in- und auswendig kenne. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich die Show schlecht fand. Ich kenne die Gruppe einfach zu wenig um ein angemessenes Urteil abzugeben, aber sie wärmen die Leute gut auf für den weiteren Tag.

Dass ich MYRA verpasse, wird mir sicherlich angehängt werden. Auch diese Band dürfte wohl ein paar lokale Anhänger haben und die 20 Minuten Spielzeit dürften entsprechend geknallt haben.

Was danach bei CARPATHIAN abgeht, ist auf jeden Fall der Uhrzeit unangemessen. Die Band hätte definitiv einen Slot am späteren Tag verdient. Gut aber, dass man sie nicht auf der Main-Stage spielen lässt. Regt das Schlagzeug-Intro von „Isolation“ schon die ersten Fans zur Bewegung an, spielen sich die australischen Durchstarter durch ein sehr starkes Set, das jedoch diesmal nur aus neuen Songs besteht. Die Mosher gehen also leer aus. Stattdessen entsteht vor der Bühne ein Meer von mitsingenden Menschen, in welches Sänger Martin auch kurzzeitig eintaucht. Ich habe etwas Angst um ihn, aber auf Kopfhöhe mit dem Publikum kann er sich trotzdem am Mikrofon behaupten. „Spirals“, lässt das Zelt fast aus allen Nähten brechen. Massig Stagedives, Crowd Surfs und ein Gepresse das seinesgleichen sucht. Die Intensität die diese Kapelle freisetzt ist unübersehbar. Viele Erst-Reihler zeigen sich sichtlich berührt von den Songs und auch die Ansagen über Depression und Liebe kommen authentischer denn je daher. Die harten Jungs, die sich sicherlich schon für Carnifex aufwärmen, dürften an diesen Stellen mit den Augen rollen. Aber Geschmäcker sollen ja verschieden sein. CARPATHIAN ist jedenfalls der absolut unangefochtene Überflieger im kleinen Zelt und der Auftritt, der mit „Ceremony“ beendet wird, wird einigen lange in Erinnerung bleiben. Auch ein neuer Song wird präsentiert, sodass man gespannt auf weiteres neues Output sein darf. Mit CARPATHIAN ziehen die Massen aus dem Zelt ab.

Weiter geht’s mit LIONHEART. Hier kommen die Mosher definitiv wieder auf ihre Kosten. Das prollige Auftreten der Band, auf die ich im Vorfeld sehr neugierig war, gefällt mir ganz und gar nicht. Zur Setlist gehören unter Anderem: „This Is Who We Are“, „F.T.W.“, „The Will to Survive“. Unter dem Strich ein Auftritt, den ich mir hätte sparen können. Bei keiner Band am Wochenende ist mir das so sehr bewusst geworden. Aber vorhersehen kann man so etwas natürlich nicht. Vor der Bühne wird ausgiebig gekickt, geprügelt und abgegangen, bin froh dass ich kein Teil davon bin. Vielen anderen Leuten gefällt es sicherlich, damit haben LIONHEART ihre Daseinsberechtigung und können auf meine Meinung scheissen.

Mein persönliches Highlight heute - was mir im Vorfeld schon klar war - folgt mit RITUAL aus Recklinghausen. Die vier Jungs eröffnen mit „Nation of Flies“ und Fronter Julian fordert die Leute auf, nach vorne zu kommen. Der Bitte wird nicht Folge geleistet. Ich kann es nicht glauben, auch wenn ich dieses Bild schon aus Wiesbaden kenne. Auf einem deutschen Festival mit riesigen Besucherzahlen hätte ich für eine Hardcore-Band mit zwei super Scheiben, die aus dem Inland kommt, mehr Support erwartet. Während der ganzen Show komme ich mir ziemlich alleine vor und mache mir Gedanken, warum die Gruppe so schrecklich unterbewertet ist und anscheinend vehement unter den Tisch gekehrt wird. Anhand der Anzahl von Ritual-Merchandise-Trägern hätte ich wirklich nicht damit gerechnet, dass die letzte Band im Indoor-Zelt so krass hängen gelassen wird. Den Auftritt der Band macht das nicht wirklich schlechter, aber an den Allschools Birthday Bash kommt das natürlich nicht ran. „Somewhere in the Rain“, „The Dead in Disguise“, „Guilt Will Get You Anyway“, “Clouds”, “The Ghost Is You”, “Wolves” - so die Setlist nach dem Eröffnungslied, Reihenfolge war natürlich anders. Der letzte Song ist natürlich „Stone and Glass“ und wenigstens hier zeigen sich mehr als eine handvoll Fans vor der Bühne zum mitsingen. Ein kleines Trostpflaster. Super Auftritt, schlechter Auftritt vom Publikum. Ich hoffe mit der Zeit werden mehr Leute auf die großartige neue Platte „Beneath Aging Flesh and Bone“ aufmerksam, zum Abfeiern besteht in meinen Augen riesiges Potential. RITUAL empfehlen Teamkiller auf der anderen Bühne zu schauen und verlassen dann ihre.

Ich komme der Empfehlung nicht nach und verzichte auch auf die CRUSHING CASPARS.

Ein abgesperrter Gig von BLACK FRIDAY ´29. Vollkommen unvorstellbar für mich. Die wohl bekannteste deutsche Hardcore-Band (zumindest momentan) macht jedoch wirklich das Beste draus und Sänger Björn kommt die meiste Zeit auf Augenhöhe mit dem Publikum. Gespielt werden einige Songs des brandneuen Albums „Black Friday 2009“, aber natürlich auch welche aus älteren Tagen. „Totalausfall“, für mich auf Platte ziemlich unspektakulär, zündet live ganz gut. In Zeiten der Massenmedienmanipulation muss man sich auf das Wesentliche konzentrieren und zusammenhalten, sich auf das Positive fokussieren, so BLACK FRIDAY ´29. Wenn auch oft gehört, eine Spitzen-Aussage. „Kill This Dream“ als letzter Song, streng nach dem Leitsatz „Das Beste kommt zum Schluss“.

Es gibt kaum eine Band die ich mehr verachte als CARNIFEX. Ich zitiere den wohl dümmsten Satz den ich je von irgendjemandem gehört habe, der eigentlich genau wissen sollte, dass er viele Leute mit Musik erreicht: „Stop thinking, start killing!“ (Persistence Tour 2008). Mehr muss ich wohl nicht sagen, die Musik ist für mich eh nur ein großer Brei voller Geballer, obwohl es durchaus gute Bands aus dem teilweise so verhassten Deathcore-Genre gibt. Ich verzichte also all zu gerne auf die Amerikaner. Werden sie denke ich verschmerzen können, so angesagt wie die Band zu sein scheint.

Die nächsten vier Bands sind natürlich Pflichtprogramm. Die Bostoner DEATH BEFORE DISHONOR betreten vor viel Publikum die Bühne und spielen zunächst „Born From Misery“. Perfekte Wahl meines Erachtens. Im Moshpit geht’s gleich Beginn so brutal zu wie erwartet, daher bleibe ich weit von ihm entfernt. Eine überaus brutale Show, wie sie DEATH BEFORE DISHONOR ja oftmals nachgesagt wird, kommt aber nicht zustande. Der charismatische Bryan stößt auf viel textsichere Fans, die nur allzu gerne mitsingen. Vom neuen Album „Better Ways to Die“, das auf Bridge 9 erschienen ist, wird unter anderem „Remember“ präsentiert. Der Song kommt gut an, allerdings geht verhältnismässig wenig, was ja klar ist, da das Publikum auf alte Kracher eingestellt ist. Mit „Curl Up and Die“ und „Never Again“ wird es dann natürlich gut bedient. Mit „Boston Belongs to Me“ wird auch das Cover präsentiert, das sehr von den Standards der Band abweicht. Dennoch kommt es mir so vor, als käme der Song fast am besten in Leisnig an. Den Abschluss macht der Fünfer mit „Friends Family Forever“. Leichte, einprägsame Worte, die jeder muskelbepackte Schrank vor der Bühne natürlich mitbrüllen kann („My Friends My Family Would Die For Me..“). Da DEATH BEFORE DISHONOR sowohl Basketball-Shirt als auch Tank Top am Start haben, macht die Band bestimmt auch genug Umsatz, sodass sowohl die Show als auch der Merch-Umsatz zufrieden stellend ausfallen.

Die Nordhausener von MAROON sind die letzte deutsche Band auf dem Sucks n Summer. Bereits als Sänger Andre die Rampe hoch zur Bühne läuft, lässt er ein paar animalische Schreie in die Weite klingen. Ich pisse mich fast ein bei dem Anblick. Die Band wird von Leisnig wärmstens begrüßt und eröffnet gleich mit ein paar Songs von der neuen Platte „Order“. Diese gefallen mir irgendwie nach wie vor nicht, also höre ich mir Songs wie „This Ship is Sinking“ oder „Stay Brutal“ eher unbewegt an. Der ewige Konkurrenz-Kampf mit Heaven Shall Burn wird nicht ausgelassen (Andre: „Und wie waren HSB gestern? Ah, also kacke!“) und ich muss schmunzeln. Besonders vom sehr eigenen Tanzstil, den Moraweck in der Mitte des Sets vor dem Schlagzeug demonstriert, bin ich sehr beeindruckt. Das durchgeschwitzte weiße Shirt steht dazu in perfekter Verbindung, aber zum Glück zieht er sich diesmal wenigstens nicht aus. Mit „And If I Lose,…“ und „Annular Eclipse“ werden auch die alteingesessenen Fans bedient. Die meines Erachtens beste Platte von 2007 wird lediglich durch „Reach the Sun“ nahe gebracht. Der Hit der Band, „Wake Up in Hell“, dessen Text die Hälfte Leisnigs sicherlich nicht mehr mitbrüllen würde, wenn es wüsste, worum es darin geht markiert das Ende des Sets. In den Genuss von „24hourhate“ werde ich live wohl nie kommen. Trotzdem ein wirklich starker Auftritt mit der mächtigsten Wall of Death des Wochenendes (tatsächlich bis zur Soundbox). Kann mit HSB mithalten.

Mit BORN FROM PAIN steht die Speerspitze des europäischen Metalcore/Hardcore auf den Brettern. Über den Co-Headliner-Slot lässt sich streiten, aber genügend Anhänger der Band sind definitiv vertreten. Bereits bei „Final Nail“ kommen diese zum Einsatz. Obwohl es ein äußerst alter Song ist geht es direkt rund wie gewohnt. Ein Circle Pit jagt den nächsten, mit und ohne Ankündigung. „State of Mind“, „Sons of a Dying World“ und gegen Ende „The Hydra“ vertreten den neusten Output der Band. Die einzigen Songs bei denen Fronter Rob auch auf Platte zu hören ist. Ich finde nach wie vor dass die Fußstapfen der Wuchtbrumme Che einfach zu groß sind. Ich hätte BORN FROM PAIN unheimlich gern mal mit diesem Sänger gesehen. Rob jedenfalls ist zurück von monatelanger Konzert-Abwesenheit (bedingt durch Augen-Operation!?) und dankt seinen Vertretungen David Wood (Down to Nothing, Terror) und Marcel (The Platoon). Letzterer ist anwesend und versucht sich relativ zu Anfang des Auftritts daran, den rechten Mikrofonständer zu zerstören.. wow, sehr eindrucksvoll. Höhepunkte sind wie immer „The New Hate“, „Rise Or Die“ und selbstverständlich „Stop at Nothing“. BORN FROM PAIN beweisen einmal mehr ihre Stellung und geben eine gute Show ab. Madball hat definitiv etwas zu überbieten.

Es ist bereits seit Stunden stockdüster und angesichts der kurzen Nacht werde ich langsam müde. MADBALL, die Kings of New York, will sich jedoch niemand entgehen lassen. So voll kam mir der Festivalplatz vorher nie vor. Legende Freddy Cricien und Kumpanen betreten die Bühne und hauen mit „We The People“ direkt mal einen Kracher raus. Ähnlich wie Agnostic Front hat die auch schon 20 Jahre bestehende Gruppe einiges an Songauswahl in Petto, man kriegt aber nur das Feinste vom Feinsten geboten. Neben weitere neue Songs („Infiltrate the System“) reihen sich Mitsing-Oldies wie „Set It Off“, „For My Enemies“, „Holt It Down“, „Demonstrating My Style“, „Can’t Stop Won’t Stop“, “Pride”,.. die Liste lässt sich noch fortführen. Eben alles was das Oldschool-Herz begehrt, alles Andere wäre bei einer Band mit diesem Status auch eine Enttäuschung. Ordentlich Choreographie ist auch vorhanden, „Get Out“ wird fast minutenlang pausiert und Freddy gibt dem Sucks n Summer Motivation zum Mitsingen. Viel Klatsch-Klatsch-Action und Circle Pits, und auch Bryan von Death Before Dishonor tobt sich, inzwischen in Handtücher eingewickelt, am Mikrofon und auf der Bühne aus. Auf diese drauf zu kommen ist für mich natürlich undenkbar, schon lange vor dem Auftritt hatte sich die Bühne lückenlos gefüllt mit Artisten und Crew, die MADBALL von oben genießen wollten. Freddy verspricht in jeder Pause mehr Klassiker und betont dass noch einige Songs kommen werden, als er fragt ob es wichtig wäre, dass die Lieder auf englisch gesungen werden, ist klar, was folgt: „100%“ auf spanisch, um etwas mehr Abwechslung ins Spiel zu bringen. Obwohl die wenigsten die Sprache wahrscheinlich verstehen (ich erst recht nicht) singt der ganze Platz mit. Als es fast schon wieder Sonntag ist, spielen MADBALL die erste und einzige Zugabe des Sucks n Summer Festivals: „Down by Law“. Danach ist Schluss und die Massen verlassen zufrieden ein letztes Mal das Festival.

Wer Lust hat kann danach noch eine Runde im umfunktionierten Indoor-Zelt zu „Old Styles Best“ tanzen. Aufgelegt wird von richtig altem Hip-Hop über Eurodance und Matthias Reim alles was den Partymachern einheizen könnte. Die Idee finde ich gut umgesetzt, mache das Ganze aber nicht viel länger als zwei Stunden mit. Ich bin froh als ich in meinem Zelt liege.

Sonntagmittag verlassen wir Leisnig und stürzen uns von einem Stau in den nächsten.

Gelohnt hat sich das Ganze definitiv. Ist das Lineup 2010 auch so unglaublich gut und die Karten so billig, kann man die weite Reise durchaus wieder auf sich nehmen und weiterempfehlen.

Noch mal Positives und Negatives in Kurzform:
positiv: Wetter, Schwimmbad, Sound auf der Main-Stage, keine Nazis, Preis/Leistung, kostenloses Campen, sehr billiges Essen und Getränke, Supermärkte und Bahnhof in unmittelbarer Nähe, sehr kurzer Fußweg von Zelt zu Festival, saubere Dixies, freundliche Konzertbesucher, ausreichend Veganes und Vegetarisches, viel Möglichkeiten zum „Shoppen“, nachts sehr ruhiger Zeltplatz, fast durchweg gute Leistungen der Bands
negativ: Betonboden unter dem Zeltplatz, Sound auf der Indoor-Stage etwas mau, abgesperrte Main-Stage und für Biertrinker: kein Dosenbier in den Supermärkten!, kein Licht auf dem Zeltplatz bei Nacht