Willkommen in der Sahara! Nürnberg knackt die 35°C-Marke. Die beiden Freibäder in direkter Nachbarschaft zum Rock Im Park Gelände platzen aus allen Nähten. Kopfbedeckungen werden immer improvisierter und irgendwie erscheinen die vorherigen Tage gar nicht mehr so heiß.
Ein wundervoller Einstimmer an diesem Nachmittag sind die Briten von KAISERCHIEFS. Man wundert sich zwar, wie Sänger Rickie Wilson es die ersten Songs mit Jeansjacke aushält (bis er sie dann japsend und über die Temperaturen witzelnd wegwirft), aber abgesehen davon ist an diesem Gig wenig zu zweifeln. Publikumsnah und immer mit einem Witz auf den Lippen lässt er die Hitze erträglicher werden – „ordert“ sogar 60.000 Dosen Bier nach kurzem Durchzählen durch die Reihen. Jeder tanzt oder wedelt mit den Armen, nun ja, jeder der eben jetzt schon da ist. Man muss sagen, dass zahlentechnisch noch durchaus Luft nach oben gewesen wäre. Aber die Chiefs zeigen sich dessen unbeeindruckt und machen für die Anwesenden eine tolle Show. Schön gespielt und schön gesungen und mit Hits wie „Ruby“ und „I Predict A Riot“ schon zu Beginn eine tolles Animations-Mitmach-Programm.
Obwohl sie aus Norwegen wohl eher andere Temperaturen gewohnt sind, schlagen sich KVELERTAK ziemlich gut. Anfangs herrscht bei der Alternastage allerdings gähnende Leere. Lediglich die ersten paar Reihen sind gefüllt und in den wenigen Schattenplätzen drängen sich die Menschen. Da spricht die Ansage der Moderatorin „Nürnberg, seid ihr noch fit?“ und das darauffolgende Schweigen der Masse Bände. Wie gewohnt eröffnen die Norweger mit einer Eule auf Erlend Hjelviks Kopf. Gewohnt mitreißend sind auch ihre Songs und ihre Spielleistung ist grundsolide. Leider jedoch ist der Sound bestenfalls durchwachsen. Auch wirken alle anderen Musiker, bis auf den Sänger, mehr als häufig ziemlich statisch, weshalb sie entgegen ihres Rufes der wilden Liveshows heute etwas gezähmt wirken.
Auch bei OPETH, den Metal-Legenden aus Stockholm, könnte mehr los sein. Was wirklich schade ist, denn die, die waren, wurden Zeugen eines wirklich starken Auftritts. Natürlich wirbeln die Herren nicht mehr über die Bühne wie 20-Jährige, aber das ist auch gar nicht nötig. Wer so lange im Geschäft ist wie Opeth und sich regelmäßig neu erfunden hat, legt, komme was da wolle, ein beeindruckendes Set hin. Und so hört man große Melodien, spannende Tempowechsel und Schlagzeugarbeit, alles wundervoll vorgetragen. Da taut auch langsam aber sicher das Publikum und zollt diesen Urgesteinen mit Tribut.
FALL OUT BOY sind merklich im Mainstream angekommen. Wer früher den Stempel „Emo“ nicht losgeworden ist und dann auf der Centerstage vor großem Publikum und von begeisterten Schulmädchen und tanzenden „Abi 07“-T-Shirts, die jubeln und tanzen. Aber mit ihrem neuen Album „Save Rock And Roll“ haben sie sich ja auch dazu verpflichtet, „den Rock zu retten“ und den Punk-Anteil in ihren Songs zu reduzieren. Das gelingt primär auch ganz gut (abgesehen davon, ob der Rock einer Rettung bedarf): Mit eingängigen Riffs, groovenden Basslines, poppigen Gesang und manchmal unterstreichenden Elektro-Samples haben sie ihren Sound weiterentwickelt und sind sich gleichzeitig treu geblieben. Gesanglich top und ein überzeugender Andy Hurley am Schlagzeug, jedoch schleichen sich manchmal kleine Unstimmigkeiten ein. Insgesamt ein schönes und unterhaltsames Set, wohl aber nicht eines der Besten, was man je sehen wird.
Umso schöner ist es zu Gast bei WE ARE SCIENTISTS. Beinahe wirkt die Atmosphäre intim und das, obwohl die Clubstage zu ¾ gefüllt ist. Die schrullig liebenswerten Indie-Rocker aus New York bezaubern mit ihrem Sound und laden ein, ihren kleinen musikalischen Eskapaden beizuwohnen. Ihr Sinn für Melodien und ungewöhnliche Arrangements kreieren dabei spannende Songs. Eingängige Postpunk-Klänge, weite Klangwelten und die eigenwilligen, komischen Bandmitglieder lassen einen verweilen und genießen.
In dem Moment, als zeitgleich die Fantastischen Vier und SLAYER spielen, ist das Festivalvolk in zwei Lager geteilt. Die Alternastage ist bis weit nach hinten angefüllt mit Menschen, wobei man gerade in der hinteren Hälfte Leute sind, die einfach nur ein Gegenprogramm zum Hip-Hop auf der anderen Bühne suchen. Denn Slayer selbst spalten auch wieder die Meinungen: Für viele wird ihr Thrash-Metal aus Gewalt und Religionsdemontage auf ewig ein Buch mit sieben Siegeln sein, für viele sind sie der Inbegriff einer Metall-Ikone. Unmittelbar wird dann auch gleich mit viel Hass und Gewalt mit „World Painted Blood“ eröffnet, was die Menge zum kochen bringt. Unermüdlich knüppelt das Quartett auf ihre Zuhörer ein, beschwört rhythmisch die Zerstörung und den Hass. Die vier Herren sind so routiniert in ihrem Geschäft, dass es schon beinahe logisch ist, dass sie ihren Fans einen guten Auftritt bescheren. Die Setlist enthält querbeet 14 Songs aus den letzten 30 Jahren der Bandgeschichte, aber vor allem von „Seasons In The Abyss“, „Wolrd Painted Blood“ und „South of Heaven“. Manchmal spielen sie zwar nicht auf die Hundertstelsekunde genau, doch bleibt es insgesamt eine sehr gute Show. Ihre Sympathisanten sind beseelt, alle anderen bleiben genauso ratlos zurück, wie sie gekommen sind.
Der Headliner und absoluter Stimmungmacher an diesem Abend sind sowieso LINKIN PARK. Die überraschen auch, von einem kurzen Intro gefolgt, mit einer auffallend harten Songauswahl. Gleich als zweiter Song spielen sie das neue „Guilty All The Same“, als wäre es ein Statement um zu sagen „die poppigeren Zeiten sind jetzt wieder vorbei“. Generell klingen die Songs, die sie vom noch ausstehenden neuen Album „The Hunting Party“ spielen, wie eine Evolution von Alben wie Meteora und Hybrid Theory lassen Fans gespannt auf das Release am 13.Juni blicken. Balladen wie „Leave Out All The Rest“ werden wunderbar gefühlvoll interpretiert, nur um dann wieder durch Beats, die live neu gemischt werden, aufgerüttelt zu werden. Eben jene Tunes aus der Elektrokiste kommen auch live mit einer neuen Härte und Intensität rüber, die wieder den Zirkelschluss zum allgemeinen neuen Kurs zeigen. Linkin Park schaffen es, die Aggressivität kleiner Clubshows auf ein großes Open Air Festival zu übertragen. Die Lichtshow, die von vier gigantischen LED-Würfeln dominiert wird, wird ebenfalls mit der Zeit immer komplexer. Das Licht untermalt die mehr als gelungene Performance eines jeden Künstlers auf der Bühne, die in perfektem Zusammenspiel, aber doch jeder für dich, wie Zahnräder ineinander greifen. Auch sind Chester Benningtons Vocals zu erwähnen: Die Schreie, die er live performt, sind einwandfrei und mit unglaublichem Druck und wechseln mit Leichtigkeit anschließend in Gesang. Diese Show ist eventuell nur noch durch die Stimmung im Publikum zu toppen, die bisher bei noch keiner anderen Band so universell gut war. Wenn die Choräle lauter sind, als das was aus den Boxen kommt, kann man das als Gradmesser für die allgemeine Begeisterung nehmen.
Unser Abschluss des Tages ist EXAMPLE, der als Alternative zu Jan Delay auf der Clubstage spielt. Der Engländer samt Liveband spielt zwar mehrheitlich dancige Songs, so dass man manchmal seine Raps vermisst, aber beim Publikum kommt diese Mischung gut an. Die ganze Halle ist gepresst voll und alle tanzen, feiern und springen sich in Ekstase. Von den Tribünen aus lässt sich diese kochende Masse gut beobachten und man wird sogar Zeuge einiger Dance-Wall-Of-Deaths, von Example selbst initiiert. Er und seine Musiker sind selbst super aufgelegt, rasten zu den eigenen Tunes aus und heizen so dem Publikum noch weiter ein. Eine tolle Stimme und eine umso bessere Party.