Erst seit knapp zwei Jahren im Bewusstsein der breiteren Öffentlichkeit und schon eine regelrechte Institution. Zum dritten Mal gastierten LOS CAMPESINOS! innerhalb dieses Zeitraums nun schon im Münchener Atomic Cafe und brachten zugleich auch jedes Mal gleich ein komplettes neues Album mit. Mangelnde Arbeitsbereitschaft kann man den Mädels und Jungs aus Cardiff nun wahrlich nicht vorwerfen. Und wie reagiert das geneigte Publikum auf eine solche Omnipräsenz auf allen Kanälen? Sie kommen weiterhin. Zahlreich und gut gelaunt. Rund 200 Leute haben auch heute, ein knappes Jahr nach dem letzten Gastspiel den Weg in die hiesige Indie-Institution gefunden. Es ist also gut gefüllt, aber im Vergleich zu YEASAYER am folgenden Abend nicht hoffnungslos überfüllt. Sie sind aber auch einfach zu herzig, die 8 Briten.
Bevor diese allerdings die Bühne entern durften, war es an den ebenfalls britischen COPY HAHO, den Anheizer zu geben. Aufgrund meines Interviews mit LOS CAMPESINOS! verpasse ich jedoch die erste Hälfte des Auftritts. Nicht sonderlich dramatisch, wie ich dann feststelle. Blutjung sind sie ja, die vier von der Insel. Da tut es einem fast weh, dass sie statt jugendlichem Übermut lieber stur das wiederkäuen, was von der Insel schon vor fünf Jahren eher belanglos und unmotiviert herüber schwappte. Im Klartext: mit ihrem schrammeligen Indie-Pop-Rock spielt sich das Quartett zwar annehmbar durch das ein mal eins des Genres, schaffen es aber nicht, dieser ausgelutschten Musikrichtung in irgendeiner Weise einen eigenen Stempel aufzudrücken. Das Publikum quittiert's mit dezentem Kopfnicken und Höflichkeitsapplaus, hat die Band dann allerdings vermutlich schon nach einer halben Stunde vergessen.
Der Beliebigkeit ein jähes Ende setzen dann wenig später wie erwartet acht Waliser, die auf der Bühne dann auch loslegen mit ihrem Streifzug durch die drei, respektive zweieinhalb großartigen Alben ihrer kurzen, aber umso beeindruckenderen Karriere. Kein Output kommt zu kurz, all die kleinen und großen Hits werden hochmotiviert und mit einem instrumentalen Fuhrpark dargeboten, der so manchen Musikraum einer Waldorfschule karg und leer aussehen lässt. Über all dem musikalischen Irrwitz thront Sänger Gareth, der seine ausladend langen, dabei aber stets treffsicheren lyrischen Ergüsse mit voller Inbrunst ins Publikum schmettert. Wie schon vor einem Jahr frisst dieses der Band abermals aus der Hand, der Kontakt wird gesucht und gefunden. Da stört es dann auch nicht, dass der Schlagzeugeinsatz im Titelsong der Übergangsplatte „We Are Beautiful! We Are Doomed“ ganze dreimal misslingt und mit verschmitztem Grinsen zum nächsten Stück übergegangen wird. Ganz ohne ausschweifende Ansagen. Man lässt die Musik sprechen. Das reicht auch völlig, schließlich folgen LOS CAMPESINOS! schon seit ihren ersten Singles der Maxime „Mehr ist Mehr“. Dass man trotz all dem kompositorischen Übermut nie am Zuckerguß erstickt ist die wahre Leistung der Band. Stets schwingt eine tiefgreifende Emotionalität mit, die sich auch abseits der oftmals zynischen Texte auf den Zuhörer überträgt. Erst recht live. Klar möchte man zu dieser Musik das Tanzbein schwingen. Viele gehen dieser Beschäftigung heute Abend auch ausgiebig nach. Man muss sich aber dennoch nie schämen, all dem irren Treiben auf der Bühne einfach „nur“ als Zuschauer zu folgen und mitgerissen zu werden. Nach einer Stunde ist dann unwiderruflich Schluss. Zugaben gibt’s keine. Der eine oder andere quittiert's mit dezentem Meckern, die meisten verlassen aber mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck das Atomic. Was hätte nach einem Song wie „You! Me! Dancing!“ auch noch folgen sollen? Abermals ein ausgesprochen gelungener Auftritt der vielleicht interessantesten Band der letzten Jahre im Spannungsfeld zwischen Indie und Pop. Man sieht sich...