ALL TIME LOW im Huxleys für knapp 40 Euro Abendkasse? Was ist da los? Ein Hit oder sonstiger Popularitätsschub, von dem ich nichts mitbekommen habe? Klein ist hier weder der Preis für das Ticket, noch die Location. Zugegeben, mit den Ticketpreisen ist das ja heutzutage so ein Ding. Und das ich diese Band wirklich auf dem Schirm hatte, liegt nun fast zehn Jahre zurück. Gerade ihre erste EP "Put Up Or Shut Up" von 2006 lief damals rauf und runter. Auch die ersten beiden Alben konnten zum Teil noch Begeisterung hervorrufen. Danach war dann leider Schluss. Die Platten drifteten, für meinen Geschmack, zu sehr in Richtung Pop und Belanglosigkeit ab.
Live gesehen hatte ich ALL TIME LOW jedoch auch nie. Warum also nicht einfach mal vorbeischauen, wenn die Tour in Berlin halt macht. Der eine oder andere frühere Gassenhauer wird schon dabei rumkommen. Und der Blick auf das Line-Up des Abends zeigt mit CREEPER außerdem noch einen weiteren Grund, dem Ganzen eine Chance zu geben.
Am Ort des Geschehens angekommen, befinden sich CREEPER gerade mitten in ihrem Set. (Man sollte sich nicht immer auf die Zeiten verlassen, die von Acts bei Facebook als Stagetime gepostet werden...). So ganz will die Band aus England vom Sound her ja nicht ins heutige Programm passen. Nichtsdestotrotz lassen sich eine Menge textsichere Personen im Publikum ausmachen. Mit gutem Sound und positiven Feedback seitens der Menschen vor der Bühne, spielen CREEPER ein gelungenes Set, welches sie mit ihrem Minihit "Misery" abschließen.
Warum das ganze nun im Huxleys stattfindet, erschließt sich auch jetzt noch nicht, denn der Saal ist circa zur Hälfte gefüllt und die Ränge wurden erst gar nicht geöffnet.
ALL TIME LOW lassen erst einmal eine ganze Weile auf sich warten, bevor sie gegen 20:30 Uhr die Bühne betreten. Als sie dann ihr Set direkt mit dem Titeltrack ihres aktuellen Albums "Last Young Renegade" beginnen, wird langsam klar, warum man sich fürs Huxleys entschieden hat. Da hat jemand eine ganz schöne Lichtanlage eingepackt, die wohl in kleineren Locations in Berlin gar keinen Platz gehabt oder gar ihre Wirkung erzielt hätte. Songs und Licht sind perfekt aufeinander abgestimmt. Das passt vor allem zu den Songs der aktuellen Scheibe, die so weit wie noch nie vom Sound der Band-Anfangstage entfernt sind. Das ist zum Teil leider ziemlich austauschbarer, auf aktuelle Trends schielender Pop, wie er von einem x-beliebigen Chart-Act kommen könnte. Zum Glück haben ALL TIME LOW aber eine Setlist zusammengestellt, auf der alle regulären Alben Erwähnung finden – mal mehr, mal weniger. "Put Up Or Shut Up" hingegen, wurde leider vollständig ignoriert.
Damit der wirklich gut gemischte Sound noch ein wenig fetter aus den Boxen kommt, hat man übrigens noch einen dritten! Tourgitarristen im Gepäck, der dann auch noch einen Großteil der Background Vocals übernimmt, während der Rest über die Bühne springt. Nötig hätten sie das eigentlich nicht, haben sie doch mit Gitarrist Jack Barakat und vor allem Bassist Zack Merrick durchaus talentierte Stimmen zu bieten. Das lässt sich auch über Frontmann Alex Gaskarth sagen, der stimmlich an diesen Abend über jeden Zweifel erhaben ist. Die Band spielt ihr Set routiniert und ohne große Überraschungen runter. Als Zwischenparts gibt es die obligatorischen „Ihr seit die geilsten“ und „Keine Ahnung warum wir so lange nicht in euer Stadt gespielt haben“-Ansagen. Dazu natürlich noch die für ALL TIME LOW typischen BHs am Mikrofonständer und jede Menge Flachwitze.
Die Stimmung im Publikum ist vom ersten bis zum letzten Song ausgezeichnet. In den vorderen Reihen befinden sich wie zu erwarten meist junge, überwiegend weibliche Fans. Umso schöner ist es zu sehen, dass sich trotzdem überraschend viele ältere Jahrgänge eingefunden haben, die, wie ich, wohl seit längerer Zeit nicht mehr zur Hauptzielgruppe von ALL TIME LOW gehören. Aber die halten sich dann doch lieber am Rand oder in Nähe der Bars auf. Und Nein, damit sind nicht die wartenden Eltern in den hinteren Reihen gemeint.
Mit "Dear Maria, Count Me In" als letzte Zugabe ist nach rund 80 Minuten auch schon Schluss. Was bleibt, ist ein fader Beigeschmack - zumindest bei mir. Dass es nicht allen so geht, zeigen zahlreiche junge lächelnde Gesichter, die nach dem Konzert noch den Merchstand plündern, um sich beispielsweise ein Shirt zum Schnäppchenpreis von 30 Euro zu sichern.