11.07.2009: Mono, Bogatzke - Gebäude 9 - Köln

11.07.2009
 

 


Eröffnen durfte an diesem Abend BOGATZKE aus Hamm. Geboten bekam man ambientlastigen Postrock von nur einem Menschen, der von einem MacBook unterstützt wurde. Darauf waren vorgefertigte und mehr als sauber produzierte Beats vorhanden, zu denen mit der Gitarre wunderschöne Melodien gespielt wurden. Dazu gab es auf einer Leinwand eine Foto-Show zu betrachten, die die Atmosphäre der Songs noch untermalte. BOGATZKE sagte kein Wort zwischen seinen Songs, spielte sich und die Zuschauer in Trance und um einen herum konnte man das genießende Publikum erkennen. Die Beats wechselten von elektronisch bis hin zu einem echt klingenden Schlagzeug und die Kompositionen waren in sich stimmig. Der Applaus war leider etwas verhalten, der Mann hatte definitiv mehr verdient. Aber die Leute waren im Gebäude 9, um MONO zu sehen und darauf hatten sie sich von vorne herein eingestellt. Nach dem letzten Track gab es dann aber doch noch den gebührenden Applaus und höflich nickend verabschiedete sich der Herr von der Bühne

Dann wurde es dunkel und die Spannung stieg. Aus den Boxen dröhnte Klassik, eine Oper, Frauengesang im pathetischen Soundgewand. MONO kündigten sich somit unwiderruflich an. Zehn Minuten dauerte das Spektakel, in dem nicht viel passierte außer, dass das Licht immer wieder an und aus ging, in jeglichen warm gehaltenen Farben. Die Gespräche verstummten und dann stiegen die vier Japaner aus dem dunklen Vorhang auf die Bühne. Applaus, aber keine Worte. MONO brauchen nichts zu sagen, nicht auf Platte und schon gar nicht auf der Bühne, dafür waren auch keine Mikros vorhanden. Die bombastische klassische Musik verstummte und die ersten Töne von „Ashes In The Snow“ schallten durch den Raum. Es war leise, gespenstisch leise. Nur das Glockenspiel erfüllte den Raum mit Klängen. Die ruhigen Gitarren setzen ein und dann wurden die Augen zum ersten Mal geschlossen. Sie sollten erst sehr viel später wieder geöffnet werden. Nachdem die Ohren der Konzertbesucher mit leichten Melodien beschallt wurden, ertönte der bekannte asiatische Flair in der Musik von MONO und alles wirkte, wie in einem Trance-Zustand. Nicht nur bei mir. Schon jetzt war klar, dass hier und heute etwas ganz besonderes entstehen würde. Mit einem lauten Schlag auf den Gong wurden die Gitarren lauter, der Marschrhythmus setzte ein und das Publikum verwandelte sich in eine wabernde Masse. Ein Freund griff mir ans Shirt, krallte sich in meiner Haut fest, ich bekam eine Gänsehaut. Das Publikum, eine Einheit, glückliche Gesichter, erstaunte Blicke, nickende Köpfe überall. Es wurde laut, lauter, einige hielten sich die Ohren zu und dann wurde es wieder ruhig. Sphärische Melodien drangen in die Ohren und das Orchester, welches nicht zugegen war, konnte trotzdem gehört werden, allein durch die Kraft der Vorstellung. Vier Leute, vier Instrumente und eine unmenschliche Atmosphäre, ein weiterer unmenschlicher Ausbruch und dann war Ruhe. Schon jetzt dachte ich, ich würde diesen Abend nicht durchstehen, aber es sollte noch dicker kommen.

„Burial At Sea“ war die zweite Darbietung, die nahtlos an den ersten Song anknüpfte. Gleiches Prinzip: Extrem ruhiger Anfang und dann ausufernde, epische Melodien in einer fast unerträglichen und doch so passenden Lautstärke. Der Songaufbau ließ einem die Haare zu Berge stehen und Bilder hinter den geschlossenen Augenlidern entstehen. Bilder von unendlich weiten Landschaften, schöne und doch tieftraurige Szenen spielten sich auf diesen Landschaften ab und dann stiegen mir zum ersten Mal die Tränen in die Augen. Den Emotionen wurde, egal ob man wollte oder nicht, nachgegeben und man wurde von der Schönheit der Klänge ummantelt. In meinem Kopf spielten sich Szenen meines Lebens ab, Szenen, die ich längst verdrängt hatte und die nun wieder ans Tageslicht kamen. Mit gesenktem Kopf stand ich da und lauschte dem Treiben von MONO und merkte gar nicht, als schon der nächste Song angestimmt wurde. Die „kurzen“ Songs der aktuellen Platte wurden gespielt und dann kam auch schon der mit Sicherheit größte Postrocksong unserer Zeit: „Pure As Snow (Trails Of the Winter Storm)“, ein epischer Kracher, der schon auf Platte alles von seinem Hörer abverlangt. Meine Fotografin stand weiter vorne in der ersten Reihe, unsere Blicke trafen sich und wir wussten beide, dass wir das gleiche dachten. Neben mir standen 4 kahl rasierte Kerle mit breiten Kreuzen, bei denen man denken könnte, dass ihre Gesichter keinerlei Emotionen ausdrücken können. Genau diese Männer standen neben mir, mit gesenkten Köpfen, glasigen Augen, vertieft und verloren in den eigenen Gedanken. Was MONO hier geschafft haben, war eine Zusammenführung der verschiedensten Persönlichkeiten auf ein Niveau und das ist es, was diesen Abend so wunderschön und so außerordentlich unvergesslich gemacht hat.

Aber es gibt sie dennoch, diese Störenfriede, die die schönste Atmosphäre kaputt machen können, indem sie rumhüpfen, andere Leute anrempeln und den Genuss ein wenig schmälern. Gleiches gilt für die Menschen, die während der Songs lauthals reden, lachen, sich mokieren über die Optik der Japaner und was nicht noch alles. Diverse böse Blicke reichten aber und auch diese Menschen verstummten wieder. „Pure As Snow“ nahm seinen Lauf, angefangen von der Ruhe und hinab steigend in abartig noisige Gefilde, bis nur noch Störgeräusche zu vernehmen waren. Was darauf folgte war tosender Applaus, Jubel der Ausdruck völliger Begeisterung. Niemand hätte gedacht, dass so etwas möglich ist und ich muss gestehen, dass mir bei diesem Song, das zweite Mal die Tränen kamen.

Nach einem älteren Stück folgte mit „Everlasting Light“ auch schon der Abschluss des Abends und hier gab es noch einmal die volle Packung Epik, Melodie, Kitsch, Krach und Gefühl. Schon die ersten Keyboard-Töne sorgten erneut für geschlossenen Augen und grinsende, sowie ernste Gesichter. Die Gefühle, die an diesem Abend hervorgerufen wurden, waren völlig unterschiedlicher Natur und jeder sog die Musik auf seine eigene Art und Weise auf. Es gab den Ausdruckstanz, das gebannte Starren auf die Bühne, die geschlossenen Augen und auch einfach nur sitzende Menschen. Es dauert seine Zeit, bis sich bei diesem Song die unüberwindbare Soundwand aufbaute, die alles unter sich begrub. Und dann kam es auch schon zum erschütternden Finale, in dem sich alles entlädt. Ein paar letzte Anschläge auf den Gitarren, krachende Becken und dann war es still, während im Kopf Streicher noch nachklungen. Sie gehörten wie selbstverständlich zum Song, obwohl sie nicht da waren. Das Ende musste erst einmal realisiert werden und so brauchte es ein paar Sekunden, bis man wieder zurück im Gebäude 9 war, um einfach nur begeistert in die Hände zu klatschen. So höflich und still, wie MONO auf den Brettern erschienen sind, verließen sie diese auch und kamen nicht mehr wieder. Es brauchte keine Zugabe, MONO hatten alles gesagt was sie sagen wollten, ohne auch nur einmal zu sprechen.

27 Jahre wandere ich nun schon auf dieser Welt, bis gestern dachte ich, ziemlich viel zu wissen und plötzlich wusste ich nicht einmal mehr wie ich heiße. Eins weiß ich aber dennoch: MONO ist ein Erlebnis, für die Ohren und für das Herz. Ich habe einmal wieder einen Roman geschrieben, über nur zwei Bands. Verzeiht bitte, aber was anderes blieb mir nicht übrig, um die Eindrücke des Abends in einen Text zu bringen. Verurteilt mich, nennt mich ein emotionales Weichei aber bitte nehmt mich beim Wort, wenn ich sage, dass ich gestern einen der mit Abstand schönsten Abende meines Lebens erlebt habe.
Ergriffen machten wir uns auf den Heimweg, gesprochen haben wir kaum und als wir über die Severinsbrücke auf die andere Rheinseite fuhren mussten wir unweigerlich anhalten und dem Spektakel der Kölner Lichter zuschauen. Feuerwerk zu Klassik, besser hätte dieser Abend nicht enden können. Mein Dank geht raus an alle, die daran beteiligt waren.

Fotos: Jenny W.