Karneval in Köln kann ja im Allgemeinen und natürlich im Speziellen für dazugezogenes Volk als eine sehr grenzwertige Erfahrung betrachtet werden. Nachdem ein kurzer, nachmittaglicher Abstecher auf die Zülpicher Straße am ersten Karneval des Verfassers für den ersten Kulturschock sorgte, viel die Entscheidung die Erfahrungen noch ein wenig zu vertiefen und gemeinsam mit FRAUENARZT im Underground den Beginn der Saison ausklingen zu lassen.
Im Vorfeld wurde ja bereits dazu aufgerufen schicke Krankenschwesterfotos zu schicken und die Gewinner würden quasi umsonst mit der wilden Posse feiern dürfen, aber so richtig scheint niemand dem entsprechenden Aufruf gefolgt zu sein. Dennoch erwartet die Beiwohner dieses Abends ein ausverkauftes Haus und jede Menge pubertäres Testosteron.. Die Schlange vorm Underground ist lang und die Zeit wird zur Überlegung genutzt, ob die Leute an diesem Abend nun als Gangster und Pornostars verkleidet sind oder einfach immer so rumlaufen. Der erste Act des Abends hat sich mittlerweile von der Bühne verabschiedet und ACI KRANK sowie BOXXXSTAR von den UNTERGRUND SOLDATEN haben die selbige in Beschlag genommen. Es wird gewippt und genickt und die Daunenjacke sitzt - trotz tropischer Temperaturen.
Dann wird das Niveau gewaltig nach unten geschraubt, denn CORUS 86 & DJ RECKLESS lassen den SEX URLAUB aufleben. Partyrap, gepaart mit simplen aber recht bouncigen Plastikbeats sowie jeder Menge mit Beats bestückter Coverversionen wird mit Bier und Gummipuppe unter die Feierwütigen gepumpt. Trotz mehrmaligen Aufforderungen werden weniger Brüste als Bierbäuche entblößt aber dennoch mischen sich einige Minderjährige unter das verbal onanierende Pornofolk auf der Bühne. Fußballraps mit Texten wie "Gelbe Karte, Rote Karte, raus die Sau" reihen sich an Ballermann-Passagen und Genitalraps über "Tittenalarm" und "Sexgeilheit". CORUS 86 springt dabei gerne mal mit T-Shirt über dem Kopf und dem wohl eher unfreiwillig geöffneten obersten Knopf der Hose auf der Bühne herum. Dass der Verfasser zu diesem Zeitpunkt entsetzt feststellt, dass er besagten Rapprimat aus seiner Heimatstadt und seiner Teenagerzeit kennt. Derweilen hampelt MC PROZ mit Asi-Outfit auf der Bühne rum.
Die unfreiwillige Rapkarrikatur an diesem Abend wurde natürlich von FRAUENARZT gekrönt, der Stilecht im OP-Kittel und in Begleitung von CHUKY dem Höhepunkt des Abends entgegenfeierte und fleißig für Konfettiberieselung sorgt. Mit einen Haufen an indizierter Veröffentlichungen im Backkatalog werden die wild feiernden Teenager an die Grenzen ihrer physischen Kräfte gebracht und Musik für Atzen und Freaks dargeboten. Für kurze Momente hat es den Anschein als nehme der dort rappende Gynäkologe aus Berlin, seine eigenen Texte bei weitem nicht so ernst wie das Anwesende Publikum, aber so sicher kann man sich da natürlich nicht sein. Die Show endet mit jeder Menge tanzenden Leuten auf der Bühne, einem Gorilla, einem Krümelmonster und genug Fäkalhumor für das nächste halbe Jahr.
Mit der richtigen humoristischen Herangehensweise lässt sich dieses Ereignis sicherlich als recht amüsante, wenn auch ziemlich erschreckende soziokulturelle Studie abhaken, grübelt der Schreiberling noch, als er sich Tapfer gen Ausgang vorkämpft. Dort rempelt gerade ein Mädchen einen Jungen an, woraufhin er ihr eine verpasst. Ein anderer scheint wohl ein wenig Manieren von zu Hause mitbekommen zu haben und schreit "du Schwein, du schlägst Frauen!"... dann merkt man auch von diesen Werten nichts mehr und das klatschende Geräusch einer Faust auf einem Gesicht ist der abschließende Höreindruck an diesem Abend. Sämtliche Klischees konnten bestätigt werden. Ach ja: Kölle Alaaf, oder war es doch Helau?