11.09.2019: PRESS CLUB, SNARESET - Köln - Sonic Ballroom

28.09.2019
 

 

PRESS CLUB geben 2019 Gas wie kaum eine zweite Band. Nicht nur zwei Alben veröffentlichen die Australier in Europa innerhalb eines Jahres, auch die zweite Europa-Tour folgt gleich auf dem Fuße zum Release von „Wasted Energy“. Beeindruckend. Und natürlich von Vorteil, wenn man dann auch live über diese selbst so hoch gelegte Messlatte noch mit Leichtigkeit drüber springt.

Der Sonic Ballroom in Köln ist nicht die größte Location, PRESS CLUB hätten definitiv eine ausladendere Venue bespielen können. Dafür ist das Setting in der urigen Punk-Kneipe wie gemacht für diese Band, was sich später am Abend noch zeigen wird.

Den Anfang machen jedoch SNARESET aus Greven, einer Kleinstadt nördlich von Münster. SNARESET könnten dem geneigten Punkrocker durchaus schon ein Begriff sein, denn die Band hat nun auch schon 12 Jahre, einige Veröffentlichungen und vermutlich unendlich viele Shows in Kneipen auf dem Buckel. Und entweder kaschiert das Quartett aus dem Münsterland ihren Back-Katalog im Internet sehr gut, oder es handelt sich tatsächlich nach so langer Zeit mit dem vor etwa einem halben Jahr erschienenen „With a Spark“ um das Debütalbum (!?) von SNARESET. So viel ergibt die (zugegeben nicht maximal ambitionierte) Recherche im Nachhinein des Konzerts. Auch fällt mir bei ebenjener auf, dass SNARESET wohl eigentlich zu viert sind, denn so viele Musiker sieht man auf den Promo-Fotos für das oben erwähnte Album. Chapeau an dieser Stelle, denn heute tritt man im Sonic Ballroom als Trio mit nur einer Gitarre auf, ohne dass mir ein weiterer Mitmusiker schmerzlich fehlen würde. Und das ist wirklich mehr ein Kompliment an seine drei Mitstreiter als ein Diss an ihn. Frontmann und Gitarrist Christoph sitzt fest im Sattel und leitet durch den Auftritt. An seinem Pedalboard schaltet er zwischen „Ketchup“ und „Mayo“ hin und her (was das nun genau bedeutet, dahinter komme ich leider nicht ohne weitere Nachfrage), hinter sich hat er zu beiden Seiten der Bühne zwei der gängigen Amps für den Sound der Band aufgebaut, die beide bespielt werden. Auch Bassist Flori und Schlagzeuger Felix merkt man an, dass sie das nicht erst seit einem Jahr machen. Solide wäre ein klares Understatement dieses SNARESET-Auftritts, denn solide in einem Konzertbericht klingt wie „Sie haben sich stets bemüht“ auf einem Arbeitszeugnis. Viel eher gehört die Band zur Kategorie „dramatisch underrated“, was vermutlich daran liegen könnte, dass der Sound von SNARESET schon zu deren Gründung im Jahr 2007 nicht mehr gerade aus einem der damals angesagtesten Genres stammte und 2019 etwas eingestaubt und antiquiert rüberkommt. Gespielt wird melodischer Punkrock, der an amerikanische Skatepunk-Bands aus den 90ern und frühen 2000ern erinnert. Material für den Tony Hawks Pro Skater Soundtrack quasi. Damit hat man mich natürlich am Haken. SNARESET spielen heute gefühlt etwas länger als die auf der Uncle M Homepage (auf welchem Label sollten sie auch sonst sein? No brainer.) erwähnten 30 Minuten, aber bleiben dabei kurzweilig. Für meine Ohren schwebt, wenn auch ganz subtil, der Vergleich zu den FLATLINERS im Sonic Ballroom, was insbesondere an Christopher’s Vocals liegt, die dann doch sehr cresswellig anmuten. Top Auftritt, aber für mich persönlich eher was für live als für zuhause. Dennoch werde ich „With a Spark“ sicherlich in diesem Jahr noch einige Spins geben.

Dann also PRESS CLUB. Und da ich die Band schon auf dem Uncle M Fest in Münster habe sehen können, weiß ich in etwa, was mich erwarten könnte. Allerdings muss man sagen: Die Gegebenheiten zwischen den beiden Shows sind sehr unterschiedlich. Riesenhalle gegen kleine Kneipe, Absperrung vs. zwei Fuß hohe Bühne. Obwohl Frontfrau Natalie Foster die Riesenbühne im Skater’s Palace Ende April durchaus unterhaltsam zu bespielen wusste, scheint sie auf direkter Augenhöhe oder gar im Publikum selbst ihre perfekte Nische gefunden zu haben. Von erster Sekunde an – oder in setlistisch ausgedrückt von „Seperate Houses“ an – zieht Foster in ihren Bann. Selten habe ich eine/n Frontfrau/-mann erlebt, die dermaßen spielerisch und natürlich mit einem Publikum umzugehen weiß, einem dermaßen oft ein Grinsen durch die Performance entlockt. Foster spielt quasi mit den Leuten – und das passt hier wortwörtlich, denn sie spielt eben NICHT „nur“ mit ihrer Band“ und lässt sich dabei zusehen. Mit soviel Direktheit und Energie von einem australischen Wirbelwind kann so ein stocksteifer und eher verkühlter Alman schon mal schnell überfordert sein. Natalie lässt sich allerdings von nichts und niemandem davon abbringen, den Sonic Ballroom bis aufs letzte Quäntchen durchzurocken. Und auch ihre Bandkollegen Greg, Frank und Rubio legen sich ordentlich ins Zeug. Immerhin erschaffen sich nicht nur auf Platte sondern auch live das Fundament, auf dem sich ihre grandiose Sängerin dann ausbreiten kann. Und auch hier punkten PRESS CLUB mit Wiedererkennbarkeit, genau wie bei der Liveshow: Denn der Sound klingt frisch und retro (lo-fi-mässiger Gesang) zugleich. Man merkt eindeutig, wie genau Gitarrist (und vermutlich Songwriter?) Greg weiß, was er da tut. Schließlich seines Zeichen auch ein Aufnahmetechniker. Neben dem ebenfalls grundsoliden (argh, da ist wieder der „stets bemüht“-Duktus,..) Drummer Frank Lees stechen jedoch vor allem die Basslines von Rufio MacRae ins Auge – oder, um präziser zu sein, ins Ohr. Ähnlich groovy wie sich sein Name liest und spricht ist der gute Rufio nämlich am Viersaiter unterwegs – und damit so ganz anders, wie der Standard-Blueprint eines Bassisten einer Punkband (der ist nämlich selbstverständlich entweder der degradierte, schlechtere Gitarrist oder jemand, der für den Job aufgegabelt und vorher musikalisch völlig underfahren war), der leider so oft nur die Grundtöne spielt. MacRae haut pausenlos Läufe raus, die richtig Spaß machen. Und eben nicht nur nettes Beiwerk sind, sondern ganz häufig zentral den Song (mit-)ausmachen. So hat unter dem Strich also vermutlich wirklich fast jeder Konzertbesucher was von der Band: Die Musikliebhaber können sich daran erfreuen, mit wie viel Liebe zum Detail der PRESS CLUB das Genre Punkrock interpretiert. Und alle anderen können sich schlicht und ergreifend durch eine unglaublich mitreißende und energetische Performance von Natalie Foster plätten lassen. Hierbei werden, wie man das nach einem Mal PRESS CLUB live bereits gewohnt ist, mal wieder alle Register gezogen: Eine riesige Gasse mitten durch das Publikum, in der alle (wirklich alle) den Song mitsingen („Get Better“) und als großes Finale dann „Suburbia“: Hierfür steigt Foster, solange ihr Mikrofonkabel eben gerade so reicht, bis auf die Theke des Sonic Ballrooms, um von dort weiter zu singen. Optisch steht ihr das Publikum zwar in diesem Moment „nur“ zu Füßen, psychisch bzw. emotional liegt ihr jedoch vermutlich auch ein nicht kleiner Teil der Konzertbesucher zu ebenjenen.

Album zwei erfolgreich releaset und betourt und kein Tritt auf die Bremse in Sicht. Es bleibt nur zu hoffen, dass PRESS CLUB bei diesem Tempo nicht ein ähnliches Schicksal ereilt wie ihre Punkrock-Kollegen von BEACH SLANG. BEACH SLANG veröffentlichten nämlich nicht nur der Meinung des Autors nach ihre ersten drei Platten (ich zähle hierbei jetzt mal die beiden EPs vor den beiden Alben als eine Platte zusammen) zu nah aneinander, sondern haben sich auch mit einer Art Live-„Overkill“ was Häufigkeit und Ausmaß des Rockfaktors ihrer Auftritte angeht in einen seltsamen Status gespielt. Diesen zu beschreiben ginge etwa so: Von einem anfänglichen „Ich war total geflasht, als ich die Band das erste Mal auf dem Groezrock live gesehen habe. Was eine Energie. Ich glaube das wird DAS nächste große Ding!“ hin zu einem „Ach, irgendwie kann ich James Alex das so langsam alles nicht mehr abnehmen. Und QUIET SLANG hat es jetzt auch nicht gezwungenermaßen noch gebraucht, ich war eigentlich vorher schon ein bisschen von BEACH SLANG gelangweilt“. Aber Punkrock ist ja schließlich noch nicht ganz tot, oder? Zumindest nicht so tot, dass nur noch Eintagsfliegen werden? Ich denke kaum, wenn weiterhin Bands wie PRESS CLUB immer mal wieder einen dermaßen frischen Wind in ein gealtertes Genre bringen.