An den Wochenenden verkehren auf den Kölner Ringen andere Menschen. Es ist lauter, betriebsamer. Sie sehen anders aus. Mehr Gel, mehr Hemden und mehr Style, der eigentlich gar keiner ist. Das Rex liegt direkt am Friesenplatz, wer möchte kann sich somit in jede erdenkliche Richtung Kölns aufmachen. Die meisten Leute sind jedoch gekommen um auch zu bleiben. Davon zeugt eine Schlange, die sich fast bis zur Rolltreppe der angrenzenden U-Bahn-Station zieht. In dem Kino, in welchem es vorwiegend Filme zu sehen gibt, die in den großen Lichtspielhäusern nicht mehr auf dem Programm stehen, kann man sich bewegte Bilder zum kleinen Preis anschauen. Momentan laufen u.a. Robert Rodriquez' "Planet Terror", teuer-animierte Kinderfilme und ein Film mit diesem latent überbewerteten Typen namens Matt Damon. ROCKY VOTOLATO singt sich schon mal warm. Die Leute scheinen euphorisch, wurde doch im Vorfeld ein wirklich passendes Ambiente für seine Köln-Show gebucht.
Beim Anblick des Kinosaals stellt sich zunächst einmal gemäßigte Ernüchterung ein. Zu weitläufig und röhrenartig erscheinen die Räumlichkeiten. Die Pünktlichen haben sich bereits gute Plätze in den vorderen Reihen gesichert. Ihr seid so verdammt gut organisiert. ROCKYs Akustische und seine schwarze E-Gitarre zieren eine ansonsten karge Bühne, mehr – so wird sich herausstellen - braucht er auch gar nicht. Ein wenig Licht kommt von links und ROCKY VOTOLATO positioniert sich exakt in mitten des Ypsilons, welches der Kinovorhang zu erkennen gibt. Ein Platz, den er nicht oft verlassen wird, lediglich um seine Instrumente auszutauschen. Der Mann mit der großen Stimme aus Seattle fängt verhalten, fast schüchtern an und das Publikum scheint nicht so recht zu wissen, was es – in seine gemütlichen Kinosessel gepfläzt – zu tun hat. Also bleibt es während der Songs still. Verdammt still sogar. Nur um im Nachhinein in frenetischen Jubel auszubrechen. ROCKY VOTOLATO, der dem eigenen Bekunden nach vorwiegend in "Punk Rock Clubs" spielt, weiß das zu würdigen. Er erzählt nicht viel zwischen den Songs, sein Dank und die Wertschätzung des Publikums wirken dafür umso authentischer. Ein wenig nostalgisch wird es, als er mit 'One For The Ride' und 'Where Did The Time Go' gar zwei Stücke seiner Jugendband WAXWING zum besten gibt. Der Band also, in deren Zentrum damals Rocky und sein Bruder Cody Votolato standen. Letzterer gründete anschließend die BLOOD BROTHERS um mächtig Terz mit Zwangsjacken-Flavor zum machen, ROCKY VOTOLATO hingegen schrieb lieber reduzierte Songs über das Leben und wie sich jenes anfühlt, wenn man ständig on the road ist und daheim eine Frau und zwei Kinder auf einen warten. Seine Familie ist an diesem Dienstag weit weg als er mit seiner Schwarzen 'Suicide Medicine' intoniert und dem Publikum einen Freifahrtschein zum Mitsingen ausstellt: "If this medication upsets your stomach/ take it with crackers, bread or a small meal/ we understand it won´t do shit towards the cure". Die Anwesenden haben jedoch immer noch zu viel Respekt vor dem Ambiente, Balsam für die Seele (seine und die des Publikums) sind sie trotzdem, die kleinen Songs mit großer Stimme vorgetragen. Und obwohl Zugaben ja irgendwie eine der seltsamsten Erfindungen in der Geschichte der Live-Konzerte darstellen, müssen sie sein an diesem Abend. So schnell kommt er schließlich nicht wieder der gute Rocky. Vor allem bei 'Montana' gibt es dann noch einmal Gänsehaut galore. "You know my dream has always been/ a freight train leaving town/ I grew up small town but I always knew I´d get out of that somehow". Jetzt steht er hier auf dieser provisorischen Bühne in diesem Kino dieser mittelgroßen Stadt, verzaubert die Anwesenden und hat genau das geschafft. Der Mann, in dessen Namen der Kämpfer und der Styler miteinander fusionieren, hat an diesem Abend gewonnen. Mit zurückhaltender Leichtigkeit.
Setlist:
01: Portland Is Leaving
02: White Daisy Passing
03: Alabaster
04: I´ll Catch You
05: Postcard From Kentucky
06: Automatic Rifle
07: Tinfoil Hats
08: One For The Ride (WAXWING)
09: Where Did The Time Go (WAXWING)
10: Every Red Cent
11: Makers
12: Suicide Medicine
13: The Night´s Disguise
14: Cut Me In Two
15: Streetlights
16: Montana
17: Mix Tapes/Cellmates