13.-15.06.2013: Greenfield Festival - Interlaken - Expo

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Das größte Rockfest der Schweiz zeigt sich auch dieses Jahr wieder mit strahle Wetter, erstklassiger Organisation und einem hochkarätigem Line-Up.
Wer einmal auf dem Greenfield Festival in Interlaken war, möchte auch wieder hin. Und so waren wir sehr glücklich, auch dieses Jahr wieder davon berichten zu können. Vieles spricht für dieses Event, dass dieses Jahr über 27.000 Besucher anlockte und damit einen Rekord erzielte: Das fast schon widersprüchlich wirkende, kitschig schöne Alpenpanorama, ein super Team an Organisatoren und Securities, lockere Schweizer und große Namen der Rock-, Metal- und Hardcore-Szenen.
Dass es dieses Jahr schon donnerstags losging, lag wohl an dem Hauptheadliner-Package, dass tags drauf schon nicht mehr verfügbar war. Aber so wie Wacken seinen Musikzug der Feuerwehr zur Eröffnung ins Feld schickt, startete man in der Schweiz stilecht mit den Alphornbläsern, die nachmittags bereits von einer großen Meute abgefeiert wurden.
Schon kurz darauf gingen auf der kleineren Club Stage THE GHOST INSIDE an den Start. Für die frühe Uhrzeit war schon extrem viel los und man merkte, wie viele Fans hier auf die Jungs aus Kalifornien gewartet hatten. Die Stimmung zwischen Band und Publikum ist so gut, dass sie sich ständig weiter aufwiegelte und irgendwann richtig kochte. Die Fotografen mussten schon nach eineinhalb Songs aus dem Graben (statt sonst regulär drei), weil so viele Crowdsurfer nach vorne getragen wurden.
Bei EVERY TIME I DIE war zwar schon deutlich weniger los als noch bei ihrer Vorgängerband, doch bewies die Hardcore/Rock-Combo aus Buffalo, dass sie keine riesige Menge brauchen, um ein richtig gutes Set zu spielen. Diese Band gehört einfach auf die Bühne und sie spielten selbst die anspruchsvollsten Parts ohne Verspieler.
Wer von den Festivalbesuchern noch nicht angekommen oder noch nicht in Festivallaune war, wurde von A DAY TO REMEMBER in die Spur gebracht. Die zeigten sich wie gewohnt Party willig und der Mix aus der heißen Sonne und ihren poppig-harten Tunes brachte die Menge bei der Main Stage zum Tanzen. Zum Springen brachte sie dann das Auftauchen eines Roadies auf der Bühne im Angry-Birds-Kostüm, der mit Hilfe einer Luftdruck-Kanone T-Shirts ins Publikum feuerte.
Wieder zurück an der Club Stage hatten CONVERGE ihren Auftritt und legten ihre gesammelte Wut in ihn. Musikalisch top und krass gespielt, nur leider sahen sich nur recht wenige Menschen die exzentrische Show von Sänger Jacob Bannon an.
Es ist klar dass jemand, der die Sonne so im Herzen hat wie die australischen Jungs von PARKWAY DRIVE, einfach auf Festivals gehört. Und auch, dass sie Everbody’s Darling sind und man sich auch nach noch so vielen Auftritten in Europa noch nicht an ihnen sattgesehen hat, wurde an der riesigen Crowd sichtbar. Die Band präsentierte sich wie immer gut gelaunt und haute einen Hit nach dem nächsten raus. Die Menge dankte mit Sing-Alongs, Crowdsurfs und großen Pits. Einer hatte sogar eine Plastikpalme mitgebracht, welche die Band belustigte und beeindruckte (sie sind ja auch häufig genug Bühnendeko auf PWD Shows), sodass Sänger Winston zu Circle Pits um sie herum aufrief. Die ganze Show war so toll und irrwitzig abwechslungsreich, dass ich beinahe die nächste Band vergessen hatte, die bereits auf der Main Stage angefangen hatte.
Mittlerweile ist ein handfester Sturm aufgezogen. Die Luft ist elektrisch geladen und man wartete darauf, dass jeden Moment dicke Regentropfen vom Himmel klatschen, da begannen QUEENS OF THE STONE AGE ihr Set. Leider liesen QOTSA diese Spannung, die in der Luft lag, vermissen. Sie sind zwar eindeutig geniale Musiker, nur spielten sie ihre Show so steif, routiniert und emotionslos, dass der Funke irgendwie nicht so recht überspringen wollte.
Dass Routine nicht schlecht sein muss, zeigen STONE SOUR. Zurück an der Club Stage wüteten nun Regen und Wind, doch Publikum und Band waren so gut aufgelegt, als handelte es sich um eine Tropische Nacht. Über 20 Jahre Bandgeschichte, die in einem perfekten Zusammenspiel der einzelnen Members resultierte, und die Freude, wieder auf dem Greenfield sein zu dürfen, machten ihre Show zu etwas Besonderem. Die Meute hüpfte und tanzte, die Menge von Ponchos sah von Hinten wie eine Hüpfburg voller Müllsäcke aus.
Um kurz vor halb zwölf war es Zeit für den Headliner: RAMMSTEIN eröffneten mit viel Pomp und Knall ihre Show und damit auch das, worauf das Gros der Festivalbesucher gewartet hatte. Feuerwerksschüsse im Takt zu „Ich tu dir weh“ kündigten Großes an, noch bevor man die Band überhaupt sehen konnte. Dann fiel ein Vorhang und die Instrumentalisten kamen zum Vorschein, Sekunden später wurde Sänger Till mit einem Bühnenelement von der Überdachung heruntergelassen. Es ist DIE Inszenierung, bei der alles stimmig ist. Gefühlt alles, was an Pyrotechnik möglich ist, wurde während der Show ausgepackt. Von Feuerbällen, zu Bengalo-Wunderkerzen, die Till im Kreis schwang, bis hin zu Masken, die Gitarristen und Sänger bei „Feuer Frei“ zu Feuer speienden Hannibal Lecter verwandelten, war alles dabei. Eine Band, die nicht nur durch ihr Auftreten, sondern auch durch ihre Texte provoziert und dabei doch gleichzeitig ein musikalisch tolles Set und kleineren Live-Variationen hinlegte. Um 01:00 Uhr endete der erste Festival Tag mit weiteren Kanonenschüssen.
Es ist Freitagnachmittag als BURY TOMORROW für uns den zweiten Festivaltag eröffnen. Die Band, die schon letztes Jahr gespielt hatte, zeigte sich wieder einmal als klasse Live-Band, die auch zuvorige Nicht-Fans in ihren Bann ziehen konnten.
THE BOUNCING SOULS übernahmen danach die Club Stage. Leider eine ziemliche Enttäuschung, denn das Quintett aus New Jersey wirkte derart lustlos und unmotiviert bei ihrem Standart Set, dass sie nur hartgesottene Fans bei ihrer Bühne behalten konnten.
Nachdem auf der Main Stage CALIBAN wegen matschigem Sound – seit Jahren fordern Kritiker eine neue Soundanlage von den Veranstaltern, die bis heute nicht geliefert wurde – leider ziemlich nichtssagend blieben, wurde DANKO JONES dafür umso erfreulicher. Die Band, die vor allem von ihrem charismatisch aufgedrehten, selbst-ironisch selbst-verliebten Sänger lebt, machten viel Laune. Besonders die reiche Interaktion mit dem Publikum – Danko ist eine richtige Labertasche – machten ihr solides Rockset einzigartig. Nur sein Kommentar „Last time we’ve played here, I prayed for rain – because only rain shows who the real rock’n’rollers are“ hätte er sich sparen können, denn in diesem Moment zogen die ersten Hitzegewitter-Wölkchen auf.
Bei NOFX stellte sich mir zuerst die Frage, ob das noch Soundcheck sei: Vier gealterte Punks, die Tequila trinkend auf der Bühne stehen und ins Mikro rülpsen, den Publikum zuprosten und kurz auf ihren Instrumenten herumschreddern. Aber die Party hatte bereits offiziell angefangen, und das ebenfalls angetrunkene Publikum fand es toll, ein wenig mit diesen Punk-Rock-Urgesteinen zu feiern.
TURBONEGRO waren eine wirkliche Erscheinung. Die fünf Schweden in abgefahrener Kostümierung und die mit Homophobie spielten, wirkten wirklich wie die Village People auf Crack und Metal. Ihre Show überzeugte vor allem wegen dem hohen Unterhaltungswert ihrer Darbietung und den unzähligen Anhängern ihres Fanclubs mit den gleichen Jeansjacken im Publikum.
Ganz nach dem Motto „ist das Kunst oder kann das Weg?“ stand die Show von SLAYER. Was sich aber über Jahrzehnte hinweg so wacker hält, gilt als Kult und steht quasi unter Denkmalschutz. Mit ihrem neuen Gitarristen Garry Holt klingen die Trash-Metaller klingen sie genauso wie zuvor unter seinem Vorgänger, ein Sound der Unmengen von Musikern beeinflusst hat. Letztendlich hat das Set jedoch seine Längen und ist wohl nur für echte Fans ein Erlebnis.
Den Tagesabschluss machte an diesem Abend der Headliner des Tages THE PRODIGY. Nach einem Tag mit so viel Rock, Metal, usw. konnte nur diese Elektro-Band mit ihrem harten Sound auf das Publikum losgelassen werden, dass seinerseits scheinbar auch auf etwas Abwechslung und tanzbare Musik gewartet hatte. Die Light-Show, die ab der ersten Sekunde auf die Menge einprügelte, war so gewaltig, dass man sich nachts um 23:30 Uhr seine Sonnenbrille aus dem Zelt wieder herbei wünschte. Das frenetische Live-Set wurde mit „Vodoo People“ eröffnet und von Seiten der Band herrschte permanente Energie. Jedoch waren ihnen die Schweizer entweder zu lasch, oder zu steif, oder nicht ganz so herumspring-wütig, denn ziemlich schnell merkte man der Band an, dass sie nicht gerade zufrieden mit ihrem Publikum waren. Dafür legten sie umso mehr Aggression in ihre Tunes, wohl auch in der Hoffnung, die Menge endlich zum Ausrasten zu bekommen. Nach knapp einer Stunde und „Smack My Bitch Up“ verließen THE PRODIGY bereits die Bühne. Nur eine geschrumpfte Meute und etliche Rufe nach einer Zugabe, konnten die Band an ihre noch verbleibende Spielzeit von beinahe 20 Minuten erinnern. Doch die Briten zeigten sich gnädig und gaben dem nun tanzhungrigen Volk Zucker.
Als am Samstagnachmittag der letzte der drei Festivaltage anbrach, stand in der Gluthitze vor der Main Stage bei MONO INC nur eine kleine Schar. Die Hamburger legten sich für ihre treuen Fans dafür umso mehr ins Zeug, das Ganze erinnerte schon beinahe an ein Privatkonzert in einem Garten. Scheinbar hatte die Pyrotechniker von Rammstein ihre Feuerballmaschine vergessen, denn so wurden zu dem neuen Lieb „Arabia“ und dem elfengleichen Gesang der Schlagzeugerin Katha Mia regelmäßig Feuerwölkchen abgeschossen.
Bei den Schweden von ADEPT an der Club Stage war schon einiges mehr los. Wieder und wieder sagten sie, wie schön es wäre, endlich wieder in dieser Traumlocation spielen zu dürfen. Gespielt wurden vor allem Songs vom neuen Album „Silence the World“, wobei die gute Laune der Band auf das Partyvolk übersprang.
Reunions gibt es bekanntlich wie Sand am Meer, vor allem wenn den Musikern das Geld ausgegangen ist. Das jedoch BOYSETSFIRE zu unterstellen, wäre vermessen. Wie keine andere Band sprühten sie vor Leidenschaft für ihre Musik und für ihr Publikum und genossen sichtlich jede Sekunde ihrer Bühnenzeit.
Für viele Jung-Metaller traten mit BULLET FOR MY VALENTINE moderne Ikonen auf. Leider war auch hier der Sound wieder stellenweise so schlecht, dass man über die spielerische Qualität der Bandmembers nur hatte raten können. Immerhin war die Interaktion mit dem Publikum durchaus sympathisch und man pflegte nur ab und an das harte und unnahbare Metal-Image. Und spätestens bei ihrem Gassenhauer „Tears Don’t Fall“ konnte dann gefühlt das ganze Festivalgelände mitgröhlen – sehr nett.
Ein Konzert von ESKIMO CALLBOY gleicht schon beinahe einer sozialen Milieustudie: Die eine Hälfte des Publikums setzte sich aus Menschen zusammen, die eindeutig nur da waren, um danach begründet haten zu können. Die andere Hälfte waren Fans oder Girlies, die auf ihrem ersten Rockfestival alles mitnehmen und es toll finden, wenn man irgendwie dazu tanzen kann. Und die Show der Band selbst? Da gab es viel Gepose, merkwürdige Stylings, viele dumme Sprüche und eine Choreographie, die auf Bodenmarkieren spekulieren lies.
In den letzten Stunden eines Festivals bekommt man langsam Übersicht über die eigene finanzielle Lage und stellt fest, dass man bisher noch nicht so viel Geld für Bier ausgegeben hat, wie ursprünglich veranschlagt. Für all die Fans, die dieses Faktum dann schnellstmöglich ändern wollten, boten DEEZ NUTS die perfekten Rahmenbedingungen. Die sympathische Combo um JJ Peters spielte zwar nur eines ihrer wohlbekannten Standartsets, doch unterhaltsam war es allemal. Und so sah man schon ab Mitte ihrer Hardcore/HipHop-Show Menschen in ihren „Anti HipHop Allianz“-T-Shirts tanzen und mitgröhlen.
Hätte man über das Nachfolgende im Voraus schon mehr gewusst, hätten wir die grandiose Show von THE DEVIL WEARS PRADA nicht schon nach 30min verlassen müssen, um danach zu SKA-P zu hetzen. Die Jungs aus Dayton/Ohio sind seitdem ich sie das letzte Mal vier Jahren gesehen habe, deutlich gereift: Musikalisch sicher, energiegeladener Gesang von Mike Hranica und wunderschön klare, dabei gleichzeitig kraftvolle Cleanvocals von Gitarrist Jeremy. Ein tolles Set, was sich durch melodische Härte und einem schönen Mix aus alten und neuen Songs auszeichnete und fesselte.
Leider sollten die spanischen Stimmungsmacher von SKA-P eben schon eine halbe Stunde nach TDWP auf der Main Stage anfangen. Ein kurzer Schauer und scheinbar eine Armada von kabelnagenden Mardern sabotierten ihren Auftritt dermaßen, dass die Ska-Punker erst nach beinahe einer Stunde Verspätung auf die Bühne konnten. Da die nachfolgende Band als Headliner jedoch Vorrang hatte, mussten die Spanier in die ihnen noch verbleibenden 20min Spielzeit alles an Hits reinpacken, was möglich war. War das Publikum zunächst ziemlich unversöhnlich, lockerten sie Songs wie „Cannabis“ und „Revolucion“ dann letztlich doch auf. Schade war es trotzdem, und niemand verlies die Show am Ende niedergeschlagener als die Band selbst.
Ganz ohne Panne ging es direkt am Anschluss auf der Club Stage weiter, wo die Kultpunker von BAD RELIGION ihren Dienst zum vorletzten Gig des Festivals antraten. Zwar wirkte besonders Frontmann Greg Graffin wie ein Familienvater auf dem Weg zum Sonntags-Barbecue in farbigem Polo-Hemd und Jeans, doch machten diese Urgesteine klar, dass innere Überzeugung und Erfahrung aus fast 30 Jahren Bandgeschichte wichtiger sind. Und statt abgestanden zu wirken, war ihr Set vor allem eins: Gekonnt.
Zum großen und fulminanten Abschluss lud die Main Stage wieder einmal mit Feuerwerk und Getöse: NIGHTWISH aus Finnland baten zum Tanz. Feuerbälle zur Untermalung des Schlagzeugs gehörten dieses Jahr wohl beinahe schon zum guten Ton, andererseits verliehen sie dem Symphonic-Metal auch eindeutig noch mehr Drama. Leider etwas leidenschaftslos, dafür mit umso mehr Routine bespielte die Band ihre Instrumente und Opernsängerin Floor Jansen schwang sich mit ihrer Stimme in die höchsten Kaprizen. So dröhnt der Himmel über Interlaken um 01:00 Uhr bedeutungsschwanger nach und ein rundum gelungenes Festival findet seinen Abschluss.
Auch Deutschen kann man den Besuch des Schweizer Greenfield Festivals nur empfehlen, sofern man sich nicht vor den Schweizer Preisen fürchtet (Döner umgerechnet 8€, ein Gericht vom Chinesen gut 12€. Dafür wird man von einer einmaligen Kulisse, Schweizer Uhrmacher-Perfektion in der Festivallogistik und einem entspannten Völkchen belohnt!