Die Tage werden wieder länger, die Nächte lauer, auch wenn davon noch nicht zwingend etwas zu spüren ist. Dennoch, der Frühling hält Einzug und mit ihm die stetig steigende gute Laune. Zeit also für ein Kontrastprogramm zum, für Kölner Verhältnisse, harten Winter. Legen wir also das Gewand des Harcoregeballers ab und streifen uns den Elektro-Dance-Anzug über, denn 65DAYSOFSTATIC sind in der Stadt und haben ihr neues Album „We Were Exploding Anyway“ (Review folgt) mit im Paket. Auf unserem Weg zum Luxor zischen wir unser erstes Kilkenny auf der Straße, das gehört jetzt einfach zum Abend dazu. Die Laune ist weit oben und soll durch die avantgardistische Musik zweier Bands noch höher steigen. Doch dazu später mehr. Auf unserem Weg begegnen uns durchaus unterschiedliche Menschen die alle das gleiche Ziel haben, das Ende der Schlange vor dem kleinen Laden am Barbarossaplatz. Was sich aber zuerst als Schlange tarnte, stellte sich zuletzt dann doch nur als eine die letzten Sonnenstrahlen des Tages genießende Masse dar und so führte unser Weg nach dem letzten Schluck Bier nach drinnen, um noch einen geeigneten Platz an der Theke zu ergattern.
Die Bühne war zugestellt mit einer unzähligen Anzahl von Instrumenten. 65DAYSOFSTATIC hatten ihr Set schon aufgebaut und für KONG (die Vorband an diesem Abend) war ein kleiner Platz am Bühnenrand eingerichtet worden. Die Frage nach der Bewegungsfreiheit für die erste Band stellte sich unweigerlich und während man noch darüber sinnierte, wie KONG das bewerkstelligen sollten, stiegen auch schon drei maskierte Herren, der eine mit freiem Oberkörper, die Bühne. Was dann geschehen sollte, war die Verwirrung der Zuschauer in Reinstform. Irgendetwas unverständliches, versehen mit einem Elvis Presley Hall, wurde ins Mikro gebrabbelt und schon stiegen die ersten avantgardistischen Töne aus den Boxen und sorgten für gleichermaßen verdutzte Gesichter, wie nickende Köpfe. Das, was da abgeliefert wurde erinnerte schwer an alte LACK Zeiten mit noch abgedrehterem Einschlag. Surfmusik auf LSD – ein bisschen Punk, ein bisschen Retro, eine Prise Wahnsinn (was vor allem dem Frontmann zuzuschreiben war) und eine gehörige Portion Können, besonders hervorstechend der OCEANSIZE Drummer Mark Heron, der auch in der noch so schnellsten Geschwindigkeit alles traf, was es zu treffen gab! Absolut Faszinierend. Die Ansagen zwischen den Songs, die zusammengefasst „Let´s get sexy!“ darstellten, wenn man sie denn vor lauter Akzent verstand, sorgten definitiv für Fragezeichen in den Gesichtern der anwesenden Zuschauer, die Musik aber wusste jeden noch so großen Zweifler zu überzeugen. Knappe 40 Minuten dauerte das Set, bestehend aus abgefuckter Punk-Attitüde und avantgardistischem Anders-Sein, bis KONG sich bedankten und der Abbau der Instrumente vorgenommen wurde. Unter anhaltendem Applaus machte sich der 65DAYSOFSTATIC Roadie daran, die unzähligen Gitarren zu stimmen und alles herzurichten. Zeit also für das nächste Kaltgetränk.
Dann ging alles ganz schnell. Elektro-Gewummer. Bässe, die ins Mark gingen. Elektronisch angehauchte Stimmen säuselten einem ins Ohr. Jene, die das neue Album schon kannten, wussten genau, was hier geschah. Das bei 65DAYSOFSTATIC der Elektro immer mehr Einzug hält ist nicht erst seit gestern bekannt und doch ist es verwunderlich, wenn man die neue Scheibe „We Were Exploding Anyway“ hört, wie sehr dies doch geschehen ist. Wie gesagt, die Bässe wummerten aus den Boxen, das Publikum hüpfte auf und nieder, während die Band in einem ordentlichen Understatement die Bühne betrat und sich an den Instrumenten verausgabte, ohne, das etwas davon zu vernehmen war. So verlangte es jedoch „Go Complex“ und nach kurzer Zeit wurde der Fader umgeswitcht und man befand sich im typischen 65DAYSOFSTATIC Sound. Postrock mit Elektro und das in Perfektion. Die Band kann also direkt mit dem Einstieg überzeugen und es sollte noch viel dicker kommen. Es folgte „Piano Fights“, ebenfalls vom neuen Album und ich sagte zu meiner Begleitung, dass ich eigentlich nur auf „Retreat! Retreat!“ wartete. Kaum hatte ich den Satz ausgesprochen, vernahm man auch schon das Glockenspiel, welches den Song einleiten sollte. Augen zu, Ohren auf und einfach nur genießen. Was die Band mit diesem Stück ausdrückt, ist für mich nur schwer mit Worten zu beschreiben. Das einzige, was ich sagen kann, ist, dass die Gänsehaut sich selbst über meinen Körper jagte und das immer wieder. So früh hatte ich mit dem Stück nicht gerechnet und ab dem Zeitpunkt war es um mich geschehen. Auch hier ist, wie bei der Vorband der Drummer nur hervorzuheben, denn das, was der Kerl da aus seiner Schießbude raus holte war mehr als beachtlich und faszinierend zugleich. Die Faszination teilte sich dieser jedoch mit seinen Bandkolleegen, die immer wieder ihre Instrumente wechselten, mal alle an den unzähligen Percussions standen und einfach nur darauf rum ballerten, dann wieder zu den Gitarren oder dem E-Pinao griffen. Ein Hoch auf die Loop-Stations, die so manchen Rhythmus festhielten und immer weiter wiedergaben. Die Atmosphäre war perfekt und unzählige neue Stücke, darunter „Dance Dance Dance“, „Weak04“ und „Crash Tactics“ wurden gespielt. Mich persönlich kicken die neuen Songs der Band, wenngleich sie mehr als professionell abgeliefert wurden, nicht so sehr wie das alte Material, das tat der Stimmung aber keinen Abbruch. Dennoch, ein „Await Rescue“ kann eben mehr, als das gesamte neue Album und genau dieses wurde zwischendurch eingestreut. Das Luxor bebte, die Leute jubelten frenetisch und 65DAYSOFSTATIC dankten es ihm auf sehr höfliche Art und Weise. Nachdem man dann noch „Mountainhead“ und „Tiger Girl“ zum Besten gegeben hatte, wurde noch fix klar gemacht, dass man auf der Bühne sehr viel Spaß hatte (das konnte man sehen) und das man hoffte, dass es Zuschauern genau so erging. Diese Frage wurde mit erneutem Jubel beantwortet und schon jetzt wurde lauthals nach einer Zugabe verlangt. Diese folgte dann auch kurze Zeit später (der obligatorische Abgang von den Brettern durfte nicht fehlen) in Form von „Pacify“ und „Hole“, was für erneute Tanzeinlagen sorgte. Dann aber folgte das, womit vielleicht keiner mehr gerechnet hatte: eine eingängige Pianomelodie reichte aus, um ein Raunen mit anschließendem Kreischen durch den Raum erschallen zu lassen. „Radio Protector“! Einer der schönsten Songs im Repertoire der Band. Dieser wurde dann auch ausgereizt bis zum Abwinken und dann verabschiedete man sich schlussendlich von seinen Fans.
Zurück bleibt die Erkenntnis, dass 65DAYSOFSTATIC Meister ihres ganz eigenen Mikrokosmos sind und den Platz auf dem Thron so schnell nicht hergeben werden. Auch wenn die neueren Stücke nicht jedem zusagen dürften, da man schon eine ordentliche Affinität zum Elektro aufweisen muss, war dieser Abend doch mehr als gelungen und selbst meine Begleitung, die sich mit solcher Musik recht schwer tut, musste eingestehen, dass das hier dargebotene von ganz großer Klasse war. Der Rückweg war dann bedächtig und fand in einem unabsichtlichen Suizidversuch eines Fremden, der einfach vor die Bahn lief, in letzter Sekunde aber zur Seite hüpfen konnte und den gleichsam pragmatischen, wie misanthropen Worten einer Freundin: „Gott sei Dank, sonst hätten wir jetzt laufen müssen!“ sein Ende. So kann es in Köln gerne öfters zugehen. Vielen Dank!