Der Kiez hat sich fein gemacht. Es regnet nicht mehr, die Temperaturen sind angenehm und kurz vor dem Hochzeitsmonat Mai von JunggesellInnenabschieden überflutet. Zeit diesem sinnbefreiten Treiben einen Dämpfer zu verpassen. Man kann ja mal wieder ein paar Nachrichten rausschreien (lassen).
So trifft sich das denkende Publikum heute im Gruenspan um diese Nachrichten abzufeiern. Den Anfang machen hier ziemlich passend WAR ON WOMEN. Und wie. Songs mit geballter Ladung Auflehnung gegen Sexismus, Verniedlichung, für das Recht auf Abtreibung. Der Bandname ist Programm und wer sich gegen diese Damen und Herren stemmen möchte braucht defintiv mehr Mumm in den Knochen. Dabei gibt es eine Bühnenshow vom Feinsten. Frau Sängerin liefert eine Performance zwischen Ausdruckstanz, Punkeurythmie und Yoga. Es wird mit Fotografen und dem Publikum gespielt. Wenn man nicht wüsste, dass es in diesem Tempo, dieser Durchschlagkraft und diesem Aufruhr später noch weiter geht, man könnte jetzt gehen und hätte genug Denkstoff, Wut und Antrieb getankt. Schade, dass ein Großteil des Publikums noch nicht anwesend ist, um das hier mitzuerleben.
Allerdings nimmt der Schwung mit SHAI HULUD erstaunlicherweise ab. Diese lieferten lediglich eine Standartshow ab. Sachtes Gehüpfe auf der Bühne, Ansage "Circlepit", "Mosh", Singalongs. Das Publikum stört dies allerdings weniger. Es tut, was von ihm verlangt wird: Circlepit, Moshen, Singalongs. Geballtes Testosteron, welches sonst nichts zu melden hat, bekommt die Zähne auseinander. Leider gehen die Singalongs so oft unter, dass einige Songs einem schweizer Käse ähneln. Grundsätzlich bleibt es für eine solche Show aber auch in Bühnennähe recht ruhig. Was auch immer da los ist. WAR ON WOMAN erhalten nochmals seichten Applaus. SHAI HULUD bleiben defintiv hinter ihren Möglichkeiten zurück.
Was nun folgt ist eine äußerst zähe, halbstündige Umbaupause, die von den GET UP KIDS und RISE AGAINST untermalt wird. Das Publikum wird merklich unruhig. Als es so aussieht als sei man startklar, erhält ein Mitstreiter der Sea Shepherd das Wort und bittet um Unterstützung. Auch Aktivisten sind mit PROPAGANDHI auf Tour, was deren Glaubwürdigkeit in Punkto Engagement jenseits der Gitarrenriffs unterstreicht. Es gibt sie noch: Musik mit mehr als nur einer Nachricht, die sich ums Herz dreht. Und so werden heute auch Aktivisten der Sea Shepherd abgefeiert bevor man sich weiter auf den Hauptdarsteller des heutigen Abends gedulden muss. Es pfeift bedenklich genervt.
Doch dann soll es endlich so weit sein. PROPAGANDHI besteigen die Bühne, der Jubel ist frenetisch und selbst das Intro von "Iteration" wird mitgesprochen. Genau damit starten PROPAGANDHI hinein in ein Set, das man sich anders nicht wünschen kann. Eine feine Zusammenstellung von Songs aller Platten, ein Aufriss der letzten 10 Jahre PROPAGANDHI- Geschichte. Und sie wissen noch wachzurütteln ohne dabei mit dem Zeigefinger wedeln zu wollen. Sich den Wuzeln besinnen. So werden ...BUT ALIVE gegrüßt, Menschen die halfen gedankt, daran erinnert, wozu der Mensch ein Hirn hat. Unglaubwürdig wirkt das alles auf keinen Fall. Sie schaffen das, was WAR ON WOMAN eingeleitet haben, was SHAI HULUD versäumt haben und liefern gleich den Treibstoff. Heute moshen, morgen was machen. Spätestens bei "Superbowl Patriot XXXVI" weiß auch der/die/das letzte, was hier angesagt ist und weshalb man hier ist. Eine Zugabe wird gefordert, danach kann man durch das Meer von Plastikbechern (irgendwas lief wohl falsch) nach draußen in die frische Frühlingsluft schieben und mal ein paar JunggesellInnenabschieden auf seine Art guten Tag sagen.