Düster, dunkel, DAUGHTERS.
60 Minuten Selbstkasteiung.
Hamburg, Hafenklang.
Zwischen Math- und Grindcore, Hardcore, Rock und Noise.
Samstagabend, ausverkauftes Hafenklang – Wochenende.
Pünktlich um 20 Uhr betreten ARTO aus Italien die Bühne. Unchristliche Uhrzeit. Das Hafenklang ist dennoch bereits gut gefüllt und die Italiener können sich über einen vollen Zuschauerraum freuen.
Gitarre, Gitarre, Bass, Schlagzeug. Kein Mikro - kein Gesang. 30 minütiges instrumentales Intermezzo. Laut und auf den Punkt getimt. Rhythmus für Große. Irgendwo zwischen instrumentalem Math- und Post-Rock. Die Base Drum wummert und das Herz schlägt höher, außerhalb von jedem Rhytmus.
Die Effektpedale der Italiener nehmen beinahe mehr Platz als die Band selbst auf der Bühne ein. Wenn kein Instrument gespielt wird, werden kniend Knöpfe gedrückt. Voller Körpereinsatz.
Auch ohne Mikrofon schaffen es ARTO sich auszudrücken. Erst nur mit Gesten, später mit lauter Stimme. Artig wird sich bei den Zuschauern und DAUGHTERS bedankt. Letztes gemeinsames Konzert der Tour - da kann man schon man sentimental werden. Ein italienischer Spaghetti-Witz zum Abschluss darf trotzdem nicht fehlen.
Wer dachte die maximale Lautstärke wäre mit ARTO bereits erreicht, wird von DAUGHTERS eines besseren belehrt. Volume und Gain auf Anschlag. Abfahrt.
DAUGHTERS nutzen als eine von nur wenigen Bands die Bühne im Hafenklang komplett aus. Über mehrere Meter verteilt reiht sich die Band auf. Groß, stark, beeindruckend. Beeindruckende Bühnenpräsenz. Jeder der Bandmitglieder ist von der ersten Sekunde an da, strahlt pure Energie aus und hat sichtlich Bock auf den Abend. Vollgas.
Das Hafenklang platzt aus allen Nähten. Bereits frühzeitig wurde das Konzert vom Goldenen Salon in den großen Saal verlegt, doch auch hier kann der Veranstalter bereits kurz darauf ausverkauft vermelden. Körperkontakt unvermeidbar.
Obwohl jeder der Bandmitglieder mit einer beeindruckenden Bühnenpräsenz aufwarten kann, stellt Frontmann Alexis S.F. Marshall den Rest der Band in den Schatten und nimmt mit seinem Auftreten und seiner Attitüde die Bühne alleine ein. Verdammt abgebrüht. Verdammt cool.
An kein Instrument außer sein Mikrofon gebunden, unternimmt der Amerikaner einen Ausflug nach dem Anderen. Von links nach rechts, von vorne nach hinten. Über die Zuschauer, durch die Zuschauer, seitlich an den Zuschauern vorbei. Alexis S.F. Marshall lebt seine Freiheiten aus.
DAUGHTERS leben genau von dieser Energie. Ungebunden sein, laut sein, Krach machen. Düster, brachial, grob, unnahbar.
Erst technisch Probleme zwingen den aus Rhode Island stammenden Sänger die Zeit zu überbrücken, was ihm jedoch sichtlich unangenehm ist. Etwas überrumpelt erzählt Marshall über die letzte Nacht. Hamburg lacht.
Bereits früh fängt das Hamburger Publikum an mit zu wippen, mit zu bangen, mit zu pogen.
Alexis S.F. Marshall lässt seine überschüssige Energie am Mikro, umliegenden Objekten und sich selbst aus. Überall schlägt er sein Mikrofon dagegen. Verstärker, Wand, die eigene Stirn. Solange bis eine klaffende, blutende Wunde seinen Kopf ziert. Alles egal.
Auch wenn DAUGHTERS hin und wieder ruhigere Töne anspielen, bleibt die düstere Grundstimmung. Halb geschrien, halb gesprochen, halb gesungen. Das Gefühl bleibt gleich.
Neben technischen Probleme bringen auch die Zuschauer den Sänger hin und wieder aus dem Konzept. "Fucking Awesome Set" hallt es aus der einen Ecke des Saales Richtung Bühne. "Fucking Awesome Band" schreit es aus einer anderen Ecke zurück.
Anfangs noch im edlen Zwirn mit Hemd und Weste, entblättert sich der U.S.-Amerikaner immer mehr, ehe der Sänger Oberkörperfrei mit Peitsche in der Hand auf der Bühne steht. Nach gelungener Selbstkasteiung und noch mehr überschüssiger Energie und damit verbundener kompletter körperlicher, wie emotionaler Hingabe, gibt es konsequenterweise keine Zugabe. Licht an. Feierabend. Hamburg bleibt verstört zurück.
Intensives Set.
Komplette Aufopferung.
DAUGHTERS.