Die zu selten auftretende Band LOVE A gibt sich anlässlich der Veröffentlichung ihres vierten Albums "Nichts ist neu" die Ehre in einem vollgepackten Festsaal Kreuzberg. Eingeladen sind die Herren LUDGER, auch Torsun Burkhardt wird gesehen.
Die Einlassschlange zieht sich durch den gesamten Außenbereich des neuen Festsaal Kreuzberg. Also wird artig angestanden und gehofft, dass der Zeitplan des Veranstalters flexibel gehandelt wird. Stempel drauf und ab in den Saal, welcher bestätigt, was bereits in der Schlange anzunehmen war: Sehr viele Menschen möchten sich die Erlösung einer sich recht rarmachenden Band namens LOVE A nicht entgehen lassen.
Aber zuerst sind LUDGER am Zug, welche sich mit frechen Ansagen und einem Set aus sehr kurzen Songs und anderen in Normallänge durch die Halle brettern. Bretternd rumplig ist vor allem das Schlagzeug. Allerdings tut das der Musik keinesfalls weh. Eine Bierlänge später ist es auch schon wieder vorbei und die Band verabschiedet sich in den entspannten Teil des Abends.
Im Außenbereich verquatscht und vom dumpfen Klang fern gespielter Musik, werden wir zurück in den Festsaal gelockt. Von der mittigen Empore aus betrachtet, feuern LOVE A ihren new-wavigen Punk auf Deutsch in den rappelvollen Venue. Wenn LUDGER wie eine gut abgemischte JUZ-Band klangen, dann ist die Arbeit des Tonmischers von LOVE A im Stadionbereich einzuordnen. Das spielt der minimalistisch aufgeräumten Musik in die Hände. Die vier Exil-Trier scheinen in Topform, obwohl anzunehmen ist, dass während der Tour der eine oder andere Aftershow-Drink verköstigt wurde. Oder vielleicht liegt es gerade daran. Jedenfalls wird der Vierer regelmäßig von LUDGER-Mitgliedern mit Getränken versorgt.
LOVE A hauen einen Knaller nach dem anderen raus. Der Saal tobt, stage-dived, applaudiert herzlich und jubelt sich die Kehle aus der Brust und mir scheint, als hätte das niemand voraussehen können. Höchstens Torsun von EGOTRONIC, aber kein Veranstalter, kein Bandmitglied und kein Publikum. Letzteres erhält im Gegenzug einen gesunden Mix aus den vier Alben mit kurzen und gewohnt humorvollen Ansagen von Sänger Mechenbier. Dessen Bühnenshow ist vor allem durch Mikrofon-Feedbacks und wuchtig akzentuiertes Abstellen des Mikrofonständers auf den Bühnenbrettern geprägt. Die Menge singt und tanzt, nur der Tonmann schüttelt ab und an den Kopf - verständlich, bei so herausragenden Fähigkeiten am Mischpult. Trotz dezenten Durchsagen auf die Bühnenmonitore wird er bis ans Ende der Show damit leben müssen. Guter Mann!
Das Schöne an LOVE A ist ja auch, dass die Band keinen Hehl aus der Eingängigkeit und Ähnlichkeit ihres Repertoires macht. Gerade live funktioniert dies umso besser, da das Set wie ein einziges langes Stück wirkt, das mit immer neuen Bildern in ein frisches Gewand gehüllt wird.
Nach etwa einer Stunde ist der Hauptteil vorbei. Geschickt gelöst, wenn man einfach das Publikum das Konzert beenden lässt. Nämlich indem man es „brennt alles nieder, fickt das System“ singen lässt und sich kommentarlos vom Staub machen kann. Aber – wir kennen es ja – die Lichter bleiben aus und nach einer etwa ein-minütigen a capella Show des Publikums von besagter Gesangslinie kommen LOVE A zurück auf die Bühne – und das in alter Frische. Drei Songs – ich meine einer davon ist „100.000 Stühle leer“ – locken das letzte Tröpfchen Glück aus jedem und jeder Einzelnen in diesem neu erfundenen Festsaal Kreuzberg. Mit solch einem herzlich und kathartischem Abend habe ich zumindest nicht gerechnet. LOVE A sind gerade wegen ihrer misanthropisch-ironischen Sicht auf das Leben, Balsam für die Seele.