Ein bisschen Diva steckt doch in jedem von uns. Selbst wenn wir noch so abgefuckt aussehen, das Gesicht tättowiert haben, kaputte Jeans tragen und uns ständig prügeln, können wir die Diva in uns nur in den seltensten Fällen abstreiten. Bei dem einen kristallisiert sie sich weniger heraus, bei manch anderen dafür umso mehr. Besonders stark kommt sie zum Vorschein, wenn man das Leben eines „Rockstars“ (das Wort ist bewusst mit Anführungsstrichen versehen) führt. Plötzlich kann man sich Dinge herausnehmen, die einem Normalsterblichen jeder übel nehmen würde. Vorteil oder Krux? Das ist hier die Frage, dazu jedoch später mehr.
Es schneit in Köln und das nicht zu knapp. Jahrelang wurde diese Stadt als schneefreie Zone deklariert und auf einmal bricht der Winter mit seiner unbändigen Wut über sie herein. Dementsprechend schwer gestaltet sich der Weg in die Essigfabrik in Deutz und genau so leer gefegt wie die Straßen, ist auch der Eingang des Ladens. Der Blick nach drinnen lässt vermuten, dass sich die Leute entweder im Verkehrschaos befinden oder sich in Erwartung an eine ewig lange Schlange lieber in ihren warmen Wohnung aufhalten, um dann auf den letzten Drücker schnell rein zu kommen. Kurz gesagt: gähnende Leere. Die erste Überraschung des Abends. Zwar tummelt sich vor der Bühne schon eine gewisse Anzahl musikbegeisterter Menschen und auch während des Auftritts von TOTIMOSHI, der heutigen Vorband, finden sich immer mehr Gäste in der Essigfabrik ein. So richtig voll will es aber nicht werden. Die Band aus Los Angeles bietet avantgardistischen und teils sehr progressiven Rock, der zwar auf seine Art und Weise zu überzeugen weiß, jedoch stellenweise auch an den Auftritt einer Band auf einem Local Heroes Contest erinnert. Das Ganze klingt dann auch für die ersten paar Songs wirklich nett, hat Spaßfaktor, bis es schlussendlich langweilig wird. Zwar zeigen sich die auf der Bühne agierenden Protagonisten sehr engagiert und auch dem Publikum scheint es teilweise zu gefallen, aber um uns herum regieren laute Gespräche – eigentlich ein Zeichen von Desinteresse und Langeweile. Alles in allem muss man TOTIMOSHI aber zu Gute halten, dass sie technisch sehr versiert agieren und auch die ein oder andere gute Idee in ihren Songs verwursten. So richtig will der Funke aber bei mir und auch beim restlichen Publikum nicht überspringen. Dennoch gibt es gebührenden Applaus – muss an der kölschen Höflichkeit liegen und außerdem ist ja Karneval, da feiert man eh alles ab. Die Flucht vor dem rheinischen Wahnsinn gelingt jedoch nicht komplett, denn selbst hier tummelt sich der ein oder andere Verkleidete herum und erntet dafür fragende Blicke. Aber genug der Worte über Menschen, die in den Köpfen vieler wahrscheinlich irgendwie deplatziert wirken und zurück zur Musik, dem eigentlichen Bestandteil des Reviews.
Das „Crack The Skye“ ein Konzept zu Grunde liegt, ist ja mittlerweile hinlänglich bekannt. Das aber auch ein filmisches Konstrukt dahinter steckt, wird vielleicht nicht jeder wissen, es an diesem Abend jedoch erfahren. MASTODON betreten ohne Begrüßung die Bühne und sofort beginnt die Videoproduktion und man befindet sich mitten in „Oblivion“. In der nächsten Stunde wird man das gesamte aktuelle Album runter spielen und die Zuschauer, die mittlerweile doch die ganze Halle ausfüllen, können sich nun endlich davon überzeugen, ob die Bilder, die beim Hören der Platte im Kopf entstanden sind mit dem übereinstimmen, was die Band sich dabei gedacht hat. Eigentlich eine interessante Sache, wäre da nicht das Problem mit dem Sound. Wo ist der Gesang? Hört man eine Melodie heraus? Nein, die Gitarren gestalten sich als absoluter Brei und begraben jegliche Stimmgewalt unter sich. Auch die Drums wirken absolut nicht abgestimmt, so dass der erste Songs soundtechnisch schon einmal gehörig in die Hose geht. Aber es regiert die Atmosphäre und die ist ab der ersten Sekunde phänomenal. Das Publikum feiert die Band ab und diese bedankt sich mit weiteren Songs das aktuellen Albums. Während der späteren Stücke wird dann auch der Sound zunehmend besser, was sich besonders in den aggressiveren Stellen als sehr angenehm erweist. Aber irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht. Irgendetwas fehlt. Mit einer unglaublichen Wucht, wird mir klar, dass Brent Hinds so gut wie keinen seiner Texte annähernd richtig vorträgt, obgleich er vor sich Papierfetzen liegen hat, auf denen eben diese drauf stehen. Ob das an übermäßigem Alkoholkonsum liegt oder doch eher an der Unfähigkeit, sich die eigenen Texte zu merken, wage ich hier und jetzt nicht zu unterstellen. Das ganze Szenario erreicht seinen Höhepunkt, als Troy Sanders es einmal verpasst, ihm den Einsatz vorzusingen und sich lieber mit Bill Kelliher vergnügt. Denn just in dem Moment, als dies dem guten Brent auffällt, läuft der auf ihn zu und tritt ihm erst mal gehörig in den Hintern, nur um ihn danach anzuschreien und darauf hinzuweisen, dass er ihn doch bitte zu unterstützen hat. Und genau da sind wir beim eingangs erwähnten divenhaften Verhalten, welches für mich persönlich einfach unsympathisch rüber kommt. Trotz allem spielen MASTODON ihr Publikum in Ekstase und besonders ausufernde Songs, wie „The Czar“ oder das mehr als wütende „Crack The Skye“ wissen mehr als nur zu überzeugen.
Die Highlights heben sie sich aber für die Zugabe auf, die alles in allem etwas über eine Stunde beansprucht. Hier spielen die Herren nämlich ihre Discographie einmal rückwärts und dann wieder vorwärts ab, so dass auch jeder Fan auf seine Kosten kommt. Zwar kommt auch hier wieder die Diva in Brent Hinds hervor, als er seine Gitarre durch die Gegend schmeißt und an der Seite der Bühne herum schreit, dennoch kann man über die Qualität des Auftritts im Endeffekt absolut nicht meckern. Nach knapp zwei Stunden ist dann auch schon wieder alles vorbei und unter Jubel verlässt die Band die Bühne. Mit gemischten Gefühlen geht man noch kurz zum Merchstand, meckert über die Preise (25 Euro für ein T-Shirt) und über nicht vorhandene LPs. Dann heißt es auch schon wieder ab ins Schneegestöber, wo man den Abend noch einmal Revue passieren lassen kann und die gemeinsame Meinung kund tut, dass es eigentlich genau so war, wie man es erwartet hat und doch irgendwie ganz anders. Komisch.
Fotos: Chris W. (folgen)