„Stell dir vor es ist Konzert und keiner geht hin“
Das hochkarätige Lineup der Hell On Earth Tour vor quasi leerem Haus in Saarbrücken.
Das Motto der Hell On Earth Tour „There’s no more room in hell“ lässt sich an diesem Abend nicht ganz auf die Garage übertragen: Geschätzt nicht mehr als 300 Leute sind in der Location, die sonst locker das Doppelte an Menschen fasst. Und so viel sei auch gesagt: Carl Sandberg als Urheber des „Stell dir vor es ist Krieg…“-Zitats wäre an diesem Abend pazifistisch stolz, denn Geprügel gab es nur musikalisch auf der Bühne, im Publikum aber war eine angenehm friedlich-familiäre Atmosphäre.
Den Anfang machten BETRAYAL, das Hardcore Quartett aus Kalifornien. Obwohl der Publikumsraum um 18:30 Uhr (!!!) noch wirklich sehr leer ist, können die Amerikaner die Leute mobilisieren und es bildet sich quasi ab der ersten Minute ein Pit. Ihr Groove kommt gut und angesichts der Soundwand, die einem da entgegen schlägt, kann man es kaum glauben, dass die Jungs all das mit nur einer Gitarre produzieren. Eine wirklich gute Live-Performance, und auch wenn das Rad hier nicht neu erfunden wird, die Leute haben ihren Spaß und jeder kommt auf seine Kosten.
Eine wirkliche Enttäuschung wird die Show von HUNDREDTH, nicht band-technisch, sondern wegen genau demselben Publikum, das sich gerade noch so gut geschlagen hatte. Erst vor einem halben Jahr waren Hundredth mit Vanna in Europa und waren auf dieser Tour noch der gefeierte heimliche Headliner. Jetzt jedoch spürt man davon Garnichts mehr, noch weniger Liebe und Interesse könnte der Band nur noch in Form von fauligen Tomaten oder Buhrufen entgegen fliegen. Der Raum vor der Bühne ist wie leer gefegt und die Leute stehen statisch herum. Sänger Chadwick Johnson meint nach ein paar Songs nur „seriously, please keep the distance!“ und man fragt sich, ob das nun wirklich ironisch gemeint war. Nachdem das Publikum nicht zur Interaktion bereit ist, beschäftigt sich die Band eben mit sich selbst, man tanz einander an oder Johnson spukt ab und an in die Luft und versucht daraufhin, seine Spuke wieder aufzufangen. Man muss der Band wirklich zu Gute halten, dass sie sich trotzdem noch viel Mühe gegeben haben, ein gutes Set zu spielen, musikalisch hatte man wirklich keinen Grund zum Motzen. Nach knapp einer halben Stunde streichen die jungen Musiker dann aber die Segel und gehen wahrscheinlich leicht entnervt in den Feierabend.
Es ist mittlerweile ca. 20 Uhr als schon die vorletzte Band des Abends die Bühne betritt: DEATH BEFORE DISHONOR. Die Herren aus Boston präsentieren sich gutgelaunt und wahnsinnig präsent und endlich kommt wieder Leben ins Publikum. Auch wenn sie ein durchaus routiniertes Set spielen mit Songs à la “Count Me In“ und „Peace And Quiet“, sowie dem Cover „Boston Belongs To Me“, das inzwischen wohl auch schon zum Standartrepertoire hinzugefügt wurde. Aber die Songs werden mit einer Liebe und Hingabe präsentiert, als wären sie auf ihrer ersten Tour. Ob der aus der Babypause zurückgekehrte Gitarrist B-Roll (ein Vieh von einem Mann, Sänger Bryan erzählt, dass er im Flieger zwei Sitze beansprucht hat) dazu beiträgt, weiß man nicht. Aber zahlreiche Ansprachen, dass sie es sehr schätzen würden, dass an einem Sonntagabend so viele Leute da wären und dass es ihnen egal ist, ob nun 20 oder 2000 Menschen vor ihnen stehen, die Band ist heute Abend wirklich mit Leidenschaft bei der Sache. Das war ein lebendiger Klassiker auf der Bühne und was will man mehr?
Als WALLS OF JERICHO wenig später die Bühne erklimmen ist es kurz nach 21 Uhr und es füllt sich doch langsam ein wenig. Die Kombo um Candace Kucsulain beweist wieder einmal, was für eine wahnsinnig gute Liveband sie einfach sind, die den Zuschauer packt und mitreißt. Die Frontdame weist darauf hin, dass das hier eine der wenigen Shows in der Garage ist, bei denen keine Wellenbrecher oder sonstige Barrikaden vor der Bühne stehen, also sollen möglichst viele herauf kommen, stagediven oder sich das Mikro schnappen. Und da ist das Eis dann wirklich gebrochen. Das Resultat ist ein herrlich sozialer Pit, Stagediver die von einer kleinen Truppe vor der Bühne zuverlässig aufgefangen werden, ein Publikum die diese Band, den Abend, Hardcore an sich und die Atmosphäre feiert. Und dann ist da natürlich noch dieses Set, das alle liebgewonnenen Songs zum Mitgröhlen beinhaltet, wie zum Beispiel „Fuck the American Dream“. Ein wirklich gelungener Auftritt, musikalisch perfekt und eine menschlich liebenswerte Band. Meiner Meinung nach wird es nur dringend Zeit für ein neues Album, damit man bei der nächsten Deutschland-Tour vielleicht mal ein paar andere Songs mitbrüllen kann.