Schwerer Verlust steht Deutschland bevor: Deny Everything sind auf Abschiedstour. Nach dem "Rise-Fest" in Hannover Mitte August bietet sich dem norddeutschen Anhänger der Kölner Lifetime/Kid Dynamite-Junkies heute abermals die Chance, dem angepissten Hardcorepunk geistlich und körperlich zu verfallen.
Aller Anfang jedoch bekanntlich ist schwer und wird im Nexus nicht einfacher: Ganze 2 1/2 Stunden gilt es nach Einlaß (AK 5,- Euro!) totzuschlagen, bis der erste Ton von Bühnenseite gen Publikum spuckt. Dank Kickertisch, netter Merchandiseauswahl mit selbstgebleichten RVIVR-T-Shirts (5,- Euro!), bedruckten Kaffeetassen und kistenweise Vinylschätzen sowie einem vorzüglichen Infoabteil zum Thema Veganismus, Anarchie und Konsorten, verfliegt die Zeit aber wie so oft im Leben...
Um kurz vor elf geben sich Pablo und Konsorten also ein vorvorletztes Mal die Ehre und drücken ab Sekunde eins nochmal unmissverständlich (r)aus, was Deny Everything seit 2003 auf der Fahne stehen hat: Bestimmt 20 Songs umfasst der geprügelte Besuch, darunter viele Schätze von "Fire This Time" ("Turn The TV Off And Read A Book Please" oder "The Minor Threat Principle") , der alles plättenden "Speaking Treason"-7" und zum Glück auch einen Hauch Abschiedsklänge der "Auf-Wiedersehen-EP" "Things I Like" , die man schon wegen des Covers im Regal stehen haben muss. Braunschweig hält sich beim Feiern eher zurück, drückt aber wenigstens zwischen den Songs Sympathie und Begeisterung durch zähen Applaus aus. Die Abschiedsshow in der Heimatstadt am Vorabend schien da anders gelaufen zu sein, wie die Augenringe der Betroffenen und ein frischer Gips (?) am Arm von Schreihals Pablo verraten. Dennoch, Jungs - Ihr werdet mit fehlen. So gut und überzeugend wie Ihr klaut niemand die Riffs der wegweisenden Helden, plus die grandiose lyrische Verpackung aus Ehrlichkeit und Wirklichkeit...
RVIVR sind dann "nicht nur" eine weitere Nachfolgeband des Latterman-Masterminds Matt, nein, diesmal setzt man - vorrausgesetzt, man hat die Schnauze noch nicht voll - auf Damenbesuch: 2 Männlein (Matt an Gitarre und Stimme + Schlagzeuger) sowie 2 Weiblein (Erica an Gitarre und Stimme + Bassistin) aus Washington teilen die Bühne mit poppigen, indiehaltigen und quäkigen Punksongs über das wahre Leben und dessen Hürden. Nach zwei EP´s und dem Debütalbum, welche DIY-mässiger nicht vertrieben werden könnten, brennen die 4 Freunde nach kurzem Warm-Up auch live, wirken aber hier und da doch zu nervös, unkonzentriert und teils kindisch (das gibt Ärger...). "Change On Me", "Life Moves" oder "Real Mean" kommen eher anstrengend und unflüssig an, anstatt Latterman-like unverkrampft und geradlinig zu punkten. Herz und Hand haben RVIVR nicht zu knapp, aber auf die Dauer bedarf es etwas mehr gezielter Einsatz der beiden Komponenten, um live deutlicher abzuräumen. Dennoch lädt das US-Quartett mit verschmitztem Lächeln und offenen Armen zum Ausdruckstanz und mitschunkeln ein - und das über Dauer des kompletten Sets. Definitive extra Punkte gibt es für die freche Frisur von Matt und die gebleichten T-Shirts, sicherlich mit eben jenem breiten Grinsen in der heimischen Garage gebaut, mit Liebe zum Leben und Treue zur Szene.
Weiße Weste, auch für RVIVR.