Die Anreise zum Festival gestaltet sich dieses Jahr erstaunlich entspannt. Die großen Staus der vergangenen ausverkauften Jahre fehlen. Dass 8.000 Menschen weniger auf dem Gelände sind macht sich jetzt schon bemerkbar.
Weniger entspannt ist dafür die Situation vor den Bändchenzelten und der Einlass auf die Campingplätze. Nachdem es 2012 kurz vor dem Festival einen Rückzieher gab wurde dieses Jahr zum ersten Mal das ausschließlich bargeldlose Bezahlen auf dem Hurricane eingeführt. Was auf anderen FKP Scorpio Festivals im europäischen Ausland bereits erfolgreich geklappt hat, führte auf dem größten Festival des Veranstalters aber zu großen Problemen.
So gab es bei den Besuchern, die ihr Geld im Vorfeld auf das Bändchen geladen haben aufgrund nicht funktionierender WLAN-Funkstrecken Probleme, die dazu führten, dass vorübergehend keine Bändchen ausgegeben wurden.
Doch man wäre nicht einer der größten Festivalveranstalter Europas, wenn man dafür nicht eine Lösung gehabt hätte: Der Einlass auf die Campingplätze und zur White Stage wurde allein mit Vorzeigen des Tickets aufgenommen.
Das war nötig, denn auf der White Stage, der einzigen Zeltbühne auf dem Festival, begann das Programm schon am Donnerstag mit ELJOT QUENT. Sie hatten es als Opener nicht wirklich einfach. Noch war kaum Publikum da. Die meisten mussten nach dem Einlasschaos erst einmal ihre Zelte aufbauen und verpassten damit sehr soliden deutschen Oldschool Hip Hop, der auf der Bühne neben einem obligatorischen DJ durch einen Schlagzeuger unterstützt wurde. ELJOT QUENT konnten mit dicken Beats und griffigen Texten von sich überzeugen.
Einen kompletten Stilwechsel gibt es heute Abend dann mit FUCK ART, LET'S DANCE!. Während sich das Zelt füllt liefern sie Indie Pop im Stile der Arctic Monkeys ab. Ihrem Namen hat die Band dann auch alle Ehre gemacht. Auch wenn sie die kunstvoll gestaltete White Stage im industriellen Fabrik-Look nicht zerstört haben, so haben sie das Publikum doch ordentlich zum Tanzen gebracht.
Tanzen wurde mit der Zeit dann aber dennoch schwierig. Zu SUPERSHIRT war das Zelt schon gut gefüllt. Sie sind auf Abschiedstour und haben sich das Hurricane Festival für ihren letzten Auftritt ausgesucht. Ein guter Ort für die Band. Audiolith-Bands fühlen sich gerade auf dem Hurricane sehr wohl und das Publikum mit ihnen. „8000 Mark“ ist das größte Highlight ihres letzten Festivalsets. Wehmütig ist hier aber niemand. Die Stimmung ist ausgelassen gut.
Zu ALLE FARBEN zeigt sich dann, dass der vierte Festivaltag auf dem Hurricane ein voller Erfolg ist. Das Zelt ist dicht. Niemand kommt mehr rein. Vor der Bühne ist das Gedränge entsprechend groß. Das Discozelt auf dem Campingplatz wird dadurch wesentlich entlastet und die Festivalbesucher teilweise auch von Dummheiten abgehalten. Das funktioniert perfekt und so kann ALLE FARBEN bis tief in die Nacht noch mit seinen Beats wie „She Moves (Far Away)“ einheizen.
Der Freitag
Freitag beginnt mit JOHN COFFEY auf der Red Stage. Nachdem Sänger David Achter de Molen eine Woche zuvor auf grandiose Art und Weise einen Bierbecher gefangen hat, der ihm auf dem Pinkpop zugeworfen worden ist und einen Schluck daraus getrunken hat ist die Band auf dem Hurricane in aller Munde. Es ist jetzt schon voll vor der Bühne und in der ersten Reihe wird ein Schild hoch gehalten „Ihr schuldet uns ein Bier“. Post-Hardcore gab es mit JOHN COFFEY zum Einstieg in den ersten regulären Festivaltag. David Achter de Molen beherrscht das Spiel und den Wechsel zwischen melodischen und Screamo-Parts perfekt. Mit artistischen Einlagen in denen auch mal das Schlagzeug von Bandkollege Carsten Willem Jan Brunsveld einbezogen wird schafft es der Niederländer, dass Publikum aus dem Schlaf zu holen und richtig wach zu rütteln.
Mit Post-Hardcore geht es auch auf der Green Stage weiter. Nun wird das Wildschwein, welches dieses Jahr das Symboltier des Hurricanes bildet und die Hauptbühne in grün dekoriert nun auch auf uns los gelassen. Und wie es los gelassen wird. WE ARE THE OCEAN haben eingeladen und der Festivalmob ist gekommen um dem Konzert zu früher Stunde beizuwohnen. Hallo Wach, endlich bist du da. Und so können wir nach ein paar Songs dieser hymnisch anmutenden Rockmusik dann doch ohne Wiedereinschlafgefahr zur nächsten Band pilgern.
Das wären COUNTING CROWS auf der Blue Stage. Die unverwechselbare und sanfte Stimme von Sänger Adam Duritz wurde zeitweise neben den üblichen Gitarren und einem Klavier auch von Mandoline und Akkordeon begleitet. Auch wenn die Band ihren wahrscheinlich größten Hit „Colorblind“ dem Publikum schuldig geblieben sind, so kam dieses bei melancholischen Songs, wie „Round here“ und „Mr. Jones“ voll auf seine Kosten.
Laut wird es dann direkt auf der Hauptbühne zu DANKO JONES wieder. Fast könnte man meinen, dass die Musiker sich auf dem Festival verfahren haben. Denn Danko fragt direkt wo der Strand ist: Fehlanzeige, das sind noch ein paar Kilometer in Richtung Norden. Vielleicht sollte es Danko mal beim Deichbrand versuchen. Laut Timetable ist die Band hier aber richtig und so darf zu Songs, wie „Sticky Situation“ oder „First Date“ gerockt werden, was das Zeug hält.
Auf der Blue Stage scheint dafür der Tag der Melancholie ausgerufen worden zu sein. Sind die Green und die Red Stage heute geprägt von Musikern aus dem Bereich Alternative Rock geht es mit dem Geschwisterpaar ANGUS & JULIA STONE seicht weiter. Der melodische Folkrock brachte das Publikum ordentlich zum schwofen. Die beiden können das Publikum aber auch auf ihre sympathische und gegensätzliche Art zu Singen überzeugen. Während Julia eher ruhig und sanft ist, ist Angus Stimme als Kontrast ziemlich rau.
Mit NOFX wird es dann auf der Green Stage wieder lauter. Die Urgesteine des Punk haben es immer noch voll raus. Obwohl sie schon sehr lange im Geschäft sind gab es beim Hurricane eine Band zu sehen, die immer noch den nötigen Spaß und Elan an der Musik mitbringt. Keine Anzeichen von Unmotiviertheit oder Müdigkeit kommen bei NOFX auf. Mit Klassikern, wie dem kurzen „Murder The Government“ oder „Kill All The White Man“, aber auch mit ihren überaus übertrieben ironischen und sarkastischen Ansagen hat die Band ihr Publikum im Griff und hält die Stimmung ziemlich hoch. So müssen für die derben Witze der Band dann auch mal die nachfolgenden Bands herhalten („THE GASLIGHT ANTHEM und PLACEBO spielen heute noch? Dann wird der Tag ja immer schlechter. Ist heute Rückwärtstag?“). Auch durch ihre guten, wenn auch meist eher unhöflichen Kenntnisse der deutschen Sprache konnten NOFX punkten.
Ein echter Klassiker des Hardcorepunks waren LAGWAGON. Auch hier wurden dem Publikum viele Möglichkeiten gegeben sich richtig auszutoben und steil zu gehen. Nach einer fulminanten Show mit vielen lauten und aggressiven Gitarrenriffs kam die Band dann mit ihrem Hit „May 15th“ eindeutig zum Höhepunkt ihrer Darbietung und hat nochmal den letzten Rest Energie aus der pogenden Masse herausgeholt. Von der Stimmung angetan ließ es sich am Ende auch Sänger Joey Cape nicht nehmen einen Stagedive ins Publikum zu unternehmen.
Zeitgleich mit LAGWAGON spielten auf der Hauptbühne die Helden der handgemachten Rockmusik von THE GASLIGHT ANTHEM. Passend dazu ging es auch zu den Tönen von „Handwritten“ auf die Bühne. Mal schauen, wie lange es noch dauert bis der Co-Headliner auf dem Hurricane zum Headliner aufsteigt. Zu wünschen wäre es der Band um Brian Fallon, die nicht nur durch die Musik sondern auch durch ihre Publikumsnähe unglaublich heraussticht. Da wird dann auch schonmal der Dialog zu einer Banane im Publikum gesucht und für wen das jetzt komisch klingt: Auf dem Hurricane rennen viele Menschen in Verkleidung rum und so hat es dieses Jahr eine Banane in den ersten Wellenbrecher gezogen. Nicht weit davon entfernt übrigens ein grüner Affe: Also bitte Acht geben, liebe Banane.
Highlights sind natürlich gerade die Klassiker, wie „Wooderson“, aber auch Einlagen, wie ein „Scar Tissue“-Cover mitten in „Sweet Morphine“ oder ein Gastspiel des EVERY TIME I DIE-Sängers Keith Buckley zu „Keepsake“.
Nach THE GASLIGHT ANTHEM war es endlich so weit. Eine halbe Stunde Umbaupause musste das Publikum nun warten bis mit PLACEBO der erste Headliner und wohl auch der größte Headliner das Festivals auf die Bühne ging. Das bis dahin eigentlich einigermaßen trockene Wetter ist mittlerweile in strömenden Regen umgeschlagen. Trotzdem war es brechend voll vor der Green Stage, was dem Publikum den Beinamen „Warriors Of Rock“ durch Brian Molko eingebracht hat.
Obwohl der Regen pünktlich zu Konzertbeginn etwas nachließ waren die Besucher sichtlich durchnässt und durchfroren als Placebo mit „B3“ ihren ersten Hit vom Stapel ließen. Viele weitere sollten folgen und spätestens bei „Every You Every Me“ kochte die Stimmung über. Die Publikumslieblinge „Meds“, „Song To Say Goodbye“, „Special K“ und „The Bitter End“ spielte die britische Band dann vor der Zugabenpause.
Nach dem Kate-Bush-Cover „Running Up That Hill“ und „Infra-Red“ war dann auch das Placebo-Konzert nach viel zu kurzen 90 Minuten zu Ende. Die Hurricane-Fans aber wieder trocken und gut gelaunt.
Das hat aber nicht lange angehalten, denn zumindestens, die Fans, die sich noch DEADMAU5 oder die SUICIDAL TENDENCIES anschauen wollten mussten einen weiteren Regenschauer über sich ergehen lassen. Dem Regen zum Trotz war es aber vor beiden Bühnen voll. Und fast könnte man meinen, dass zumindestens die SUICIDAL TENDENCIES den Regen durch eindeutige Fuck-You-Gesten samt Mittelfinger wieder los werden wollten. Das funktionierte leider nicht so gut, aber vielleicht rannte Sänger Mike Muir auch gerade deswegen schneller und länger über die Bühne, als es bisher möglich schien.
Der Samstag
Der Samstag beginnt auf den Campingplätzen rund um das Bühnengelände regnerisch. Doch pünktlich zur Öffnung der Pforten um 12 Uhr stoppt der Regen und die Sonne lässt sich blicken.
Das führt dann dazu, dass manche Musiker auf der Bühne auf einmal die Sonnenbrille aufhaben. Beispielsweise Steven Garrigan, Sänger von KODALINE, die heute für uns den Start machen. Die in Musikjahren gerechnet recht junge Band zieht jetzt schon eine beachtliche Menge an Besuchern vor ihre Bühne. Das liegt nicht zuletzt am sehr breiten Stadionrock-Sound, der für Alternative-Rock-Bands in jungen Jahren eigentlich unüblich ist.
KODALINE haben sowohl schnelle Lieder als auch langsame Lieder im Programm und können mit beiden überzeugen. Jedoch sind es ihre Balladen, die die Band zum Geheimtipp gemacht haben. „High Hopes“ zeigt die gesamte Bandbreite ihres Könnens auf. Eine gewaltige Stimmbelastung, der Steve Garrigan allerdings locker standhält. Nach einer viel zu kurzen Zeit auf der Bühne kündigt die Band dann aber nach 35 Minuten ihren letzten Song an. Noch haben KODALINE 10 Minuten Spielzeit und die könnten sie ausnutzen. Tun sie dann auch: „All I Want“ spielt die Band zum Abschluss. Einen größeren Bekanntheitsgrad erreichte das Lied durch den Soundtrack zum Film „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“.
Hinter dem Namen THE TALLEST MAN ON EARTH verbirgt sich der schwedische Singer- and Songwriter Kristian Matsson, der offensichtlich nicht der größte Mann der Welt ist, aber zweifelsohne ein großartiger Musiker. Mit seinem klassischen Folkrock passt er gut in das Programm, welches an diesem Nachmittag auf der Green Stage geboten wird.
Es ist mit dieser Musik ein entspannter Festivalsamstag, wie er im Bilderbuch steht.
Denn auch GEORGE EZRA unterscheidet sich nicht wesentlich von seinen Vorgängern. Wer den Musiker bisher nicht gesehen hat könnte bei seiner Stimme schnell auf die Idee kommen, dass es sich hierbei um einen Bluesmusiker aus den amerikanischen Südstaaten handelt. Aber weit gefehlt. George Ezra kommt aus Bristol und auch für seine tiefe raue Stimme sieht er viel zu jung und gut aus, ist aber gerade beim zahlreich erschienenen jungen Festivalpublikum sehr beliebt. Natürlich durften seine Radiohits „Budapest“ und „Blame It On Me“ dann auch nicht fehlen.
Über Geschmack lässt sich ja bekanntermaßen streiten. Einen für viele Festivalteilnehmer streitbaren Beitrag hat sicherlich die südafrikanische Band DIE ANTWOORD geleistet. Die Gruppe bestehend aus DJ, Sängerin und Sänger sowie zwei Tänzerinnen unternahm eine permanente Gratwanderung zwischen Kunst und absolutem Trash. Die gewöhnungsbedürftige Musik, geprägt durch den Eurodance-artigen Rap des Sängers Ninja und des verzerrten Gesangs von Sängerin Yolandi Visser, der an japanische Mangas erinnerte, wird aber gut aufgenommen und die Show findet auch vollen Anklang. Dazu gehören verschiedene Kostüme im Müllsack- und Pokémon-Outfit. Manchmal aber auch nur in Unterhose. Selbst für Publikumskontakt war sich Ninja nicht zu Schade und surfte so mehrmals durchs Publikum, wobei sich Künstler und Publikum dort sehr sehr nah kamen.
Ein absolutes Must-See auf dem Hurricane war definit das FARIN URLAUB RACING TEAM. Der Chefarzt hat wieder einmal unter Beweis gestellt, dass er mit Massen umgehen kann und weiß wie man die Menge in Bewegung setzt. Unterstützt durch eine größtenteils weibliche Band, mit Ausnahme der Blechbläser, hat Farin einen Hit nach dem anderen gespielt und wurde dafür vom Publikum gefeiert. Überhaupt bewies das Publikum bei Farin Urlaub eine unglaubliche Textsicherheit und Energie. Natürlich durften auch die Blödeleien und Spiele mit dem Publikum nicht fehlen, die einen wichtigen Bestandteil der Show ausmachen. Die beeindruckendste Aktion bestand aber daraus, dass Farin es geschafft hat zum Song „Die Leiche“ die komplette Menge zum Schweigen zu bringen. Dieser Moment war aber eine absolute Ausnahme, denn kurz danach wurde wieder weiter gefeiert.
Richtig schwarzen und dreckigen Gitarrenrock präsentierte anschließend der BLACK REBEL MOTORCYCLE CLUB. Während alle anderen zu MARTERIA und K.I.Z. abgingen gab es hier laute handgemachte Musik auf die Ohren. Das Trio glänzte nicht nur mit harten Gitarrenriffs, wenn sich Robert Levon Been auf der Bühne eine Zigarette in den Mundwinkel drückt und trotzdem fehlerfrei Backgroundgesang schmeißt, dann sieht das nicht nur unglaublich cool aus, sondern hat zudem auch noch die nötige Rockstararroganz.
JAN DELAY & DISKO NO. 1 bilden den fulimanten Abschluss des Festivalsamstags. Jan, wie üblich akkurat gekleidet im Anzug bewies dabei mal wieder echte Entertainerqualitäten. Wo andere Künstler starr an einer Stelle der Bühne verweilen und sich nicht vom Fleck rühren, tanzte und hüpfte Jan Delay von einem Ende der Bühne zum anderen. Die komplette Show stand im Zeichen der Liebe und davon hatte Jan Delay eine ganze Menge dabei. So weiß er, wie man mit dem Publikum umgeht. Es gab eine Massentanzeinlage des Publikums, Stopptanzen und die Aufforderung mit Gegenständen, die gerade zur Hand waren durch die Luft zu wirbeln.
Der Sonntag
Das Ende des Festivals nähert sich mit großen Schritten. Die Zelte werden abgebaut. Der Müll wird abgegeben. Auch die Bändchen werden entladen. Die Hurricane-Fans packen ihre Autos. Nur noch ein paar Stunden lang herrscht in Scheeßel der kontrollierte Ausnahmezustand. Dann geht es für 65.000 Besucher in Richtung Heimat.
Und bislang ist, wenn man von den technischen Anfangsschwierigkeiten absieht, das Fazit positiv. Nachdem die technischen Schwierigkeiten behoben worden sind ist das bargeldlose Bezahlen richtig super. Man muss nicht mehr das Geld rauskramen und das Wechselgeld wieder zurück packen. Die Diebstähle sind auf ein absolutes Minimum gesunken. Wo es nichts zu holen gibt, gibt es auch keine Diebe. Auch Sanitätseinsätze waren in diesem Jahr in einem niedrigen Bereich.
Erfreulicherweise sind die Umsätze beim Veranstalter im Food-Bereich sogar gestiegen und gleichzeitig ermöglichte man es kleinen Anbietern einen Stand auf dem Festival zu betreiben. Anders als sonst mussten diese keine pauschale Standmiete zahlen sondern eine umsatzabhängige Abgabe abführen, die dank des bargeldlosen Bezahlens gut kontrolliert werden konnte. Bei 0 Euro Umsatz muss demnach nichts abgeführt werden.
Aber nun wieder zurück zu der Musik, weswegen wir ja eigentlich da sind.
Der Tag beginnt sonnig und entspannt mit dem Alternative Rock der EAGULLS. Richtig wach wird man aber wieder erst zu SKINNY LISTER, die nicht nur gut bei dem Aussehen, was sie machen – der Kontrabassist ist ein wahrer Artist an seinem Instrument – sondern auch stimmungsvollen Folk bieten. Bitte mehr davon. Mehr davon gibt es dann auch später.
Am heutigen Tag gibt es insgesamt wieder mehr Rockmusik auf die Ohren, als noch am Samstag. So können auch THE VACCINES, deren letzter Auftritt beim Hurricane ja wegen Anreiseproblemen ausgefallen ist von sich überzeugen. Die BAND OF SKULLS geht sogar in entsprechenden Rocker-Outfits auf die Bühne, naja zumindestens Bassistin Emma Richardson mit ihrer viel zu großen aber cool aussehenden Lederjacke.
Eine grandiose Show bieten auch DEATH FROM ABOVE 1979. Das Duo aus Toronto besteht aus einem Bassisten und einem Schlagzeuger, der gleichzeitig singt. Während der Bassist abgefahrene Moves und Sounds aus seinem Instrument holt schafft es Sebastian Grainger die Band ganz wie die Vorbilder von THE WHITE STRIPES klingen zu lassen.
JUPITER JONES spielen im Anschluss auf der Red Stage. Es ist mein erstes Konzert, welches ich mit dem neuen Sänger sehe. Und irgendwie habe ich den gesamten Auftritt das Gefühl, dass etwas nicht passt. Er gibt zwar alles, versucht die Rampensau zu spielen, aber passt dabei auch nicht so wirklich in das Bild von JUPITER JONES. Klar, zur Musik passt es durchaus, nur ist Nicholas Müller, der alte Sänger der Band, halt der komplette Kontrast. Er strahlt so eine friedliche Ruhe aus, dass ich JUPITER JONES-Konzerte bisher immer als etwas ganz Besonderes wahrgenommen habe. Vielleicht liegt es an mir, vielleicht muss ich der Band so noch einmal eine Chance geben. Für das erste werde ich mir die Musik aber wohl erstmal nur noch auf Platte anhören.
Anders DEATH CAB FOR CUTIE. In dieser Band kann man den Frontmann wohl überhaupt nicht auswechseln. Mit „The New Year“ beginnen sie ihr Set schon sehr stark und halten das Niveau hoch. „Crooked Teeth“ oder auch „I Will Possess Your Heart“ dürfen nicht fehlen. Als zum Schluss aber mit „Soul Meets Body“ und „Transatlanticism“ das Set beendet wird bleibt ein kleiner Wehrmutstropfen: „I Will Follow You Into The Dark“ fehlt.
Als nächstes steht der Gott des Britpop auf dem Plan. NOEL GALLAGHER'S HIGH FLYING BIRDS spielen auf der Blue Stage. Das Mastermind von OASIS ist wieder mal an den Eichenring gereist. Für große Ansprachen war der Musiker mit dem großen Lampenfieber noch nie bekannt, eine Eigenschaft der er bis heute treugeblieben ist. Stattdessen gab es ein Set mit aktuellen Songs der Gruppe, wie „Riverman“ oder „In The Heat Of The Moment“. Auch ältere Songs der Gruppe werden gespielt („If I Had A Gun“), aber am wichtigsten waren die alten Hymnen. Wahrscheinlich waren sehr viele Leute sogar hauptsächlich deswegen da. Zum Ende gab es mit „Masterplan“ und „Don't Look Back In Anger“ dann doch noch zwei OASIS-Klassiker auf die Ohren.
Nachdem es nun etwas ruhiger geworden ist, dürfen die Mädels von KATZENJAMMER ran. Und wecken das Publikum nicht nur durch ihr gutes und frisches Aussehen wieder auf, sondern vor allem durch ihren tollen Folk.
Das Hurricane-Highlight folgt aber noch. Damit ist noch nicht FLORENCE + THE MACHINE gemeint, sondern die Jungs von MADSEN, die als Ersatz für BEN HOWARD da sind. Für MADSEN ist das Hurricane quasi ein Heimspiel und das merkt man auch vor der Bühne. Niemand scheint traurig um BEN HOWARD zu sein. Alle freuen sich auf MADSEN und so schaffen die es den stimmungsgeladensten Auftritt des kompletten Wochenendes hinzulegen.
Das Hurricane-Publikum frisst MADSEN mittlerweile aus der Hand. Gerade Sebastian freut sich angesichts der beeindruckend aussehenden Menge vor der Bühne und rennt wie von der Tarantel gestochen zu Liedern, wie „Du Schreibst Geschichte“, „Perfekt“ oder „Nachtbaden“ über die Bühne.
Als Headliner dürfen FLORENCE + THE MACHINE das Festival in diesem Jahr abschließen. Schon allein die Bühne ist beeindruckend. Florence steht in einem hellen weißen Gewand vor einer Wand, die aus halbdurchlässigen Spiegeln mit einer LED-Lichtanlage dahinter besteht. Anderes Licht bräuchte die Band fast gar nicht mehr. Der Effekt ist beeindruckend. Glitzerlicht in den buntesten Farben, was zur Popmusik der Band passt.
Mit „What The Water Gave Me“ kommt die Band auf die Bühne und dank der passenden Beleuchtung und dem Auftreten der Frontfrau wird klar: Ja, das ist eine headlinerwürdige Show. Viel Kritik hat es im Vorfeld an den Headlinern des Hurricanes gegeben. PLACEBO sind unbestritten ein realer Headliner, MARTERIA wahrscheinlich eher nicht, zündet aber trotzdem eine Show, die headlinerwürdig ist. Ebenso FLORENCE + THE MACHINE, die erst 2012 noch im Nachmittagsprogramm auf der Blue Stage spielten. Führte der Auftritt damals dazu, dass ich vor Müdigkeit fast vor der Bühne eingeschlafen bin, bin ich nun richtig angetan von der Band. Mein Mund stand während des Konzertes offen. Ich hätte FLORENCE + THE MACHINE die Headlinerrolle nicht zugetraut, muss mich nun aber gründlich korrigieren.
Zu „Shake It Out“ tönt ein Frauenchor so breitgefächert von der Bühne, dass es atemberaubend klingt und etwas das Gefühl eines Drogentrips aufkommt auf dem man sich gerade befindet. Das verstärkt sich noch durch Abstecher von Florence ins Publikum. Sie weiß, wie man ein Publikum entertaint. So kommt dann auch zum Ende hin ein Fan, der ein „Hug“-Schild hochhält zu seiner ganz speziellen Erinnerung. Zu „You've Got The Love“ darf er zu Florence auf die Bühne, sie umarmen und mit ihr tanzen.
Ein definitiv würdiger Abschluss für dieses Festival, welches mittlerweile atmosphärisch mit den englischen Festivals Glastonbury oder Reading/Leeds anschließt. Dafür sorgen nicht nur die Bands, sondern auch die zahlreichen Walking Acts auf dem Festivalgelände, die dieses in eine kunstvoll gestaltete Parallelwelt verwandeln.
Und wenn man nach England sieht, dann sollte auch die Headlinerdiskussion ein Ende gefunden haben. Dort wurden FLORENCE + THE MACHINE gerade als Headliner-Ersatz für die FOO FIGHTERS auf dem Glastonbury angekündigt. Dave Grohl muss sein gebrochenes Bein schonen. Die FOO FIGHTERS hätte man übrigens sehr gerne in Scheeßel gesehen berichtet Folkert Koopmanns auf der Abschlusskonferenz. Am Geld lag es auch nicht, doch die Band rund um den Ex-NIRVANA-Schlagzeuger hatte schon Termine im Wembley Stadium eingeplant.
Da diese nun 2016 nachgeholt werden, zusammen mit dem Glastonbury Auftritt kann es ja nun vielleicht nächstes Jahr beim Hurricane Festival klappen. Immerhin wird die Tour der FOO FIGHTERS auch durch FKP gebucht.
Tickets kann man auf alle Fälle schon kaufen. Die Wild Cards gibt es für 125 Euro zu kaufen. Hurricane, wir sehen uns vom 24. bis 26. Juni 2016 wieder.
Bildergalerien zum Festival:
Donnerstag (18.06.2015)
Freitag (19.06.2015)
Samstag (20.06.2015)
Sonntag (21.06.2015)
und einmal Impressionen bitte.
von Jan-Christian Schneider und Marcel Linke