17.01.2020: DARKEST HOUR, FALLUJAH, BLOODLET, UNE MISÈRE, LOWEST CREATURE - Karlsruhe - Weiße Rose

18.01.2020
 

 

Was ein Paket so früh im neuen Jahr! DARKEST HOUR feiern 25-jähriges Jubiläum und haben sich einige illustre Gäste eingeladen. Insgesamt fünf Bands haben sich in der Weißen Rose in Karlsruhe angekündigt, die einen spannenden Abend erwarten lassen: LOWEST CREATURE, UNE MISÈRE, BLOODLET, FALLUJAH und eben als Headliner DARKEST HOUR. Knapp 200 Leute sind erstaunlicherweise nur gekommen, deshalb haben die Organisatoren entschieden, das Konzert nicht in den großen Saal, sondern in die kleine Venue zu verlegen. Wer Angst hatte, dass der Sound deshalb matschig werden könnte, wird schon beim Opener-Act schnell eines besseren belehrt.

 

Um kurz nach halb sieben treten LOWEST CREATURE auf die Bühne. Die schwedische Metal-Hardcore-Combo hat in diesem Jahr ihr Debütalbum "Sacrilegious Pain" auf Isolation Records veröffentlicht. Schnell schaffen es die fünf Musiker die ersten Besucher vor die kleine Stage zu ziehen. Fliegende lange Haare gibt es bei den Gitarristen Dodge Rose und Viking und Vocalist Toby zu bestaunen, der Sound der Band – eine Gratwanderung zwischen punkigem Trash, Rock‘n Roll und Hardcoreeinschlag – geht in die Beine. Dreckig, galoppierend, angepisst sind hier die Stichwörter. Die schwedische Herkunft ist dem Quintett deutlich anzuhören, die Mucke lässt einem im Kopf in Erinnerungen an ENTOMBED oder DISMEMBER schwelgen. Nach 30 Minuten gibt es für ein unterhaltsames Set viel Applaus vom Publikum.

 

Kaum ein anderes Land übt eine derart gewaltige Faszination aus wie Island. Mit UNE MISÈRE stellt sich eine Band vom Inselstaat vor, die zwar erst 2016 gegründet wurde, aber schon Auftritte beim Wacken Open Air und Summer Breeze vorweisen kann. Das Debütalbum „Sermon“ erzählt von der Suche nach dem Glück, aber auch von Problemen mit Drogen und dem allgegenwärtigen Damoklesschwert des Todes und ist musikalisch schwer in Schubladen zu packen. Das Quintett nimmt sich das Beste aus Metalcore, Hardcore und Blackened Metal, ohne dabei belanglos zu werden beziehungsweise einen unverdaulichen Brei zu produzieren. Dazu kommen überraschende Einschübe, wie die Drum & Base-Sprengsel im Song „Beaten“, den die Band auch in Karlsruhe spielt. „Das ist ein Song zum Tanzen“, sagt Frontmann Jón Már Ásbjörnsson, der nicht nur durch seine fiesen Ghrouls gemischt mit sphärischem Gesang auffällt, sondern auch durch oftmals, wie soll man es formulieren, eigentümliches Verhalten. Mal streckt der Blondschopf wie wild geworden seine Zunge raus, ballt die Faust, steckt sich dann das Mikron vollends in den Mund, um im nächsten Moment seine eigene Spucke ins Gesicht zu reiben. Der große Vorteil der Band? Die Isländer entwicklen jede Menge Druck, der sich schnell aufs Publikum überträgt. Man merkt schnell: diese Band hat einen roten Faden. Und auch eine Botschaft: Der letzte Song „Damages“ ist einem Freund der Band gewidmet, der 2017 Selbstmord beging. „Passt auf euch auf. Wenn es euch nicht gut geht, redet mit jemand“, sagt Sänger Jón Már Ásbjörnsson mit Nachdruck. Eine spannende Band tritt nach 35 Minuten von der Bühne, dieses Quintett muss man definitiv im Auge behalten.

 

In eine ganz andere Richtung gehen BLOODLET aus Orlando (USA), die in ihrem Sound Metalcore, Sludge Metal und New-School-Hardcore miteinander verknüpfen. „...sweet music set to the beat of a tormented heart“ beschreibt es die Band in der Info auf der Facebookseite. Noisige Gitarrenwände, HELMET-Riffs und der Wechsel aus moshigen und atmosphärischen Parts erschaffen einen düsteren und vertrackten Klang. Dazu kommen die Vocals von Scott Angelacos, der zwischen Geschrei, Spoken Words und Klargesang wechselt. 1992 hat sich die Band gegründet, nach diversen Auflösungen ist der Fünfer seit 2017 wieder am Start, auf ein neues Studioalbum warten die Fans aber bislang vergeblich. Nach 40 Minuten gibt es vom Publikum Applaus, so richtig Stimmung kommt beim Quintett aber nicht auf. Musikalisch passen BLOODLET nicht ganz zum Rest des Abends.

 

Die Tech-Death-Metaller von FALLUJAH sind wahre Stehauf-Männchen, erfindet sich die Band doch immer wieder neu und sieht auch Personalveränderungen als Ansporn. 2019 erschien mit „Undying Light“ das vierte Album der US-Amerikaner, das erste ohne Sänger Alex Hofmann. Antonio Palermo steht nun am Mikrofon und gibt der Raserei der Band ein Gesicht. Gefangene? Werden bei FALLUJAH keine gemacht. Sofort brettert die Band los, ein Double-Bass-Gewitter bricht untermalt mit fiesen Gitarrenriffs auf das Publikum herein. Der neue Frontmann keift und schreit über Blastbeats, lässt aber auch einige Clean-Parts einfließen. Manchmal wirkt das ein wenig orientierungslos, musikalisch ist das aber großes Tennis, besonders, wenn die Band zeigt, dass sie auch melödios kann. Mit rasenden Tremolo-Riffs gibt es aber meistens direkt auf die Glocke, das unnachgiebige Geballer sorgt für ordentlich Bewegung im Publikum. Verspielt und progressiv hält Drummer Andrew Baird mit seinem tollen Schlagzeug-Spiel den Sound der Band zusammen. 40 Minuten gibt es auch für FALLUJAH, die mit viel Applaus verabschiedet werden.

 

Die römischen Lettern XXV prangen dann in großen weißen Lettern im Bühnenhintergrund. Kinder wie die Zeit vergeht, DARKEST HOUR haben sich vor genau 25 Jahren in Washington DC gegründet. Grund genug für die Band in diesem Jahr eine große Europatournee zu starten, den Start macht der Abend in Karlsruhe. Doch was spielt man, wenn man 10 Studioalben und 2 EP‘s in ein Set packen will? DARKEST HOUR haben sich wohl für ihr Durchbruchsalbum „Undoing Ruin“ entschieden. 2005 schaffte das Quintett mit diesem aus heutiger Sicht Meilenstein den Durchbruch. Los geht es deshalb auch mit „With A Thousand Words To Say But One“, das nach kurzem Intro die Markenzeichen der Band auf den Punkt bringt. Die Breitwand-Riffs der beiden Gitarristen Kris Norris und Mike Schleibaum, der keifende, sich auskotzende Gesang von Sänger John Blakemore Henry und dazu ein Händchen für einprägsame Melodien.

Natürlich darf bei einer Jubiläums-Show auch nicht der Blick auf die Anfänge fehlen: Mit „An Epitaph“ vom Debütalbum „So Sedated, So Secure“ und „The Sadist Nation“ von „Hidden Hands of a Sadist Nation“ gibt es schon früh im Set zwei knüppelharte Knochenbrecher. Auch beim Karlsruher Publikum tut sich einiges. Die Fäuste sind in der Luft, zahlreiche Stagediver unterwegs, natürlich gibt es auch einen Circlepit. „The Human Romance“, das Album von 2011, ist mit „Man & Swine“ nur einmal vertreten, ebenso wie „Godless Prophets & the Migrant Flora”, von dem es nur “Knife in the Safe Room” auf die Setlist schafft. „Wir wollen bei dieser Tour etwas Spezielles anbieten. Wir wollen heute auch mal Songs spielen, die wir noch nicht so oft gespielt haben in den letzten Jahren“, sagt Frontmann Henry, um damit die live in der Tat selten zu hörenden „Tunguska“ und „A Paradox With Flies“ vom 2007er-Album „Deliver Us“ einzuleiten.

Und weiter geht es mit den Kuriositäten und einer Ansage. „Wir wollen einen Coversong spielen“, sagt Henry und erklärt auch gleich warum. Die rechten Tendenzen und der gestärkte Rechtspopulismus überall auf der Welt machen der Band Sorgen. „Wir sind alle Menschen. Egal welche Hautfarbe wir haben, welches Geschlecht oder Religion wir haben“, fasst es der Sänger kurz und prägnant zusammen. Szenenapplaus. Um dieses Thema abzuhandeln, welcher Song würde da besser passen als „Nazi Punks Fuck Off“ der Dead Kennedys. Textsicher und mit gezückten Mittelfingern im Köcher geht es durch 90 Sekunden Hardcore-Punk. Knapp über eine Stunde zeigen DARKEST HOUR warum sie eine Institution in Sachen Metalcore und Melodic Death Metal sind: Melodisch, zugänglich, spielfreudig und trotzdem mit einer knallharten Wucht und Live-Energie. Der Abend wird zu einem Streifzug durch das Schaffen einer wichtigen Band. Zum Abschluss gibt es als Zugabe noch den sechsminütigen Brecher „Tranquil“, der auch das Album „Undoing Ruin“ beendet. So schließt sich der Kreis. Was bleibt noch zu sagen als: Prost, auf die nächsten 25 Jahre.