18. - 21.09.2019: Reeperbahn Festival - Hamburg - Reeperbahn

24.09.2019
 

 

 Auch in diesem Jahr heißt es beim Reeperbahn Festival wieder: 600 Konzerte, 900 Veranstaltungen, 70 Spielstätten, 1 Stadt – das Reeperbahn Festival in Hamburg zieht wieder Musiker, Künstler und Musikbegeisterte aus aller Welt nach St. Pauli. U.a. DECIHKIND, KUMMER und LEONIDEN laden zum Tanz. Kunst, Film, Word, Workshops und viele, viele Konzerte. Wir haben bei 53 Konzerten reingehört.

Reeperbahn Festival – Tag 1

Los geht es auf dem Spielbudenplatz. Neben dem Merchandise-Zelt, einigen Essens- und Getränkeständen hat der N-JOY Reeperbus sein Parkticket auf der Reeperbahn gezogen und lässt zusammen mit THE BLAND die Zuschauer in Gedanken schwelgen. Frische, entspannte Indie-Folk-Klänge aus Schweden sorgen für die ersten lächelnden Gesichter auf dem Reeperbahn Festival 2019 - wenn auch nur kurz. Nach 10 Minuten Musik und zwei kurzen Interviewfragen ist Schluss. Kurzer Teaser - später am Abend geht es im St. Pauli Museum weiter.

Nur einige Meter entfernt haben die lieben Helferinnen und Helfer von Viva Con Agua eine Paletten-Bühne errichtet. Hier spielt die Österreicherin HUNNEY PUMP im pinken Jogger mit Bomberjacke auf. Selbstbewusste, weibliche Rap-Musik ist spätestens seit SXTN massenkompatibel und genau das macht sich die Raperin zu Nutzen. HUNNEY PUMP mixt weiblichen Rap mit österreichischem Akzent und macht sich das Genre so zu eigen.

Zurück am Reeperbus zeigen IM NOT A BLONDE dass sie auch leise Töne anschlagen können. Sonst im Elektro-Gewand, im Reeperbus vollkommen akustisch. Funktioniert ausgesprochen gut.

Gleichzeitig bildet sich vor dem Docks eine nicht enden wollende Schlange. AMERICAN AUTHORS dürfen das Reeperbahn Festival im großen Docks eröffnen. Rein nach dem äußeren Erscheinungsbild könnte man AMERICAN AUTHORS im regenbogenfarbenen St. Pauli T-Shirt im Punk verorten, doch spätestens das Banjo verrät die Indie-Pop Band. Eingängige, hymnenhafte Indie-Musik mit Hits im Gepäck. Bereits als dritten Song spielen die New Yorker ihre Hitsingle „Best Day Of My Life“ und das Hamburger Docks darf erstmals lauthals mit singen. AMERICAN AUTHORS spiele bereits zum fünften Mal in Hamburg und fühlen sich nach eigener Aussage bereits heimisch. Reeperbahn Festival - nach Hause kommen.

Genau wie Rapperin HUNNEY PUMP sind EASY LIFE im Rap und Hip Hop zu verorten, schlagen jedoch ganz andere Töne als die Österreicherin an und mischen Sprachgesang mit Indie und Soul Elementen. Das Molotow ehrt das Ganze mit einem bis auf den letzten Platz gefüllten Club, sodass der Großteil im Backyard versuchen muss, noch ein paar Töne auf zu schnappen.

Im Headcrash einige Straßen weiter gibt es weniger Gedränge. JUST MUSTARD aus Irland liefern einen experimentellen Mix aus Shoegaze, Indie und Post-Punk. Sphärische Soundgebilde bauen sich über mehrere Minuten auf, um sich dann in Luft auf zu lösen. Fast schüchtern, wie in Trance träumt Sängerin Katie Ball dahin. Zum mit wippen und nachdenken. Wunderbar unaufdringlich aufdringlich. Mehr davon.

Währenddessen lässt MAL ELEVE die Antifa-Flagge über dem Spielbudenplatz wehen. Der ehemalige IRIE REVOLTES Frontmann hat mit „Megafon“ im Alleingang die wahrscheinlich beste IRIE REVOLTES Platte der letzten 10 Jahre veröffentlicht und macht auch textlich da weiter, wo er mit IRIE REVOLTES aufgehört hat.  Für Seenotrettung, für Menschenrechte und gegen Nazis. Denn Menschen zu retten ist kein Verbrechen. Word.

Im Docks legen SLEAFORD MODS eine genauso abgefuckte wie geniale Show hin. Wie bereits auf dem Maifeld Derby einige Wochen zuvor. Stand Up mit Beats und Message. SLEAFORD MODS wollen in keine Genre Grenzen passen und kotzen irgendwo zwischen Elektro, Spoken Words und Punk ihre Wut aus. Die Beats kommen aus einem auf 5 Astra-Bierkisten stehenden Laptop. Play und Bier trinken. Assi, arrogant, abgewrackt in seiner positivste Art und Weiße.

Einige Gehminuten von der Reeperbahn entfernt wird der kleine Hanseplatten-Plattenladen wie in jedem Jahr zu einer kleinen, aber feinen Konzertlocation. Die Schallplattenkisten werden zur Seite geschoben, die Kassenzone wird zur Biertheke und das Lager zum Klo. Fertig. LINGUA NADA befinden sich zurzeit auf großer Europa-Tournee und haben bereits zwei Wochen zuvor den Pudel in Hamburg zerlegt. Nimmermüde wird sich über alle Genre-Grenzen hinweggesetzt. Die Leipziger spielen ausschließlich neue Songs von ihrer frisch erschienenen Platte „Djinn“. Die neuen Lieder funktionieren live um einiges besser als die der älteren Langspielplatten. Weniger verschnörkelte Gitarrenparts, mehr Elektrosounds und Autotune. LINGUA NADA spielen verzwickten Elektro-Punk mit Hardcore-Anleihen. Alles und nichts. Laut und leise, poppig wie punkig. Funktioniert. Solange bis der Strom ausfällt.

Zum krönenden Abschluss des ersten Festival-Tages reißen LEONIDEN das Docks ein. Immer gut gelaunt, niemals müde - LEONIDEN aus Kiel. Die Kieler dürften nach unermüdlichen Support-Shows, Festival-Auftritten und Instagram-Storys auch dem letzten Festival Besucher ein Begriff sein und dementsprechend voll ist es. LEONIDEN liefern ihre gewohnt energiegeladene, irrwitzige Show mit mehr Gitarren in der Luft als am Körper. Abriss.

Reeperbahn Festival – Tag 2

Der zweite Reeperbahn Festival Tag startet wie der Erste: Sonnenuntergang, Spielbudenplatz, N-JOY Reeperbus. KIDOO zeigt einen kurzen Ausschnitt aus ihrem Bühnenprogramm, ehe es am Abend im Drafthouse wie am nächsten Tag im Übel & Gefährlich das ganze Programm zu sehen gibt. DRAKE-Cover und melancholische Pop-Musik. Schön für zwischendurch.

Einige Meter weiter hat ein weiterer Bus geparkt - der BAZZOOKAS Bus. Gut gelaunte Ska Musik aus den Niederlanden im engen, schwitzigen, amerikanischen Schulbus. Jeden Tag wird der Bus mehrfach von BAZZOOKAS bespielt, sodass auch der letzte Festivalbesucher in den Genuss der Big Band kommen kann. 12 Mal bespielen BAZZOOKAS insgesamt das Reeperbahn Festival. An den Niederländern kommt keiner vorbei.

Am anderen Ende der Reeperbahn bespielen TEEPEE mit melancholischem Singer Songwriter Indie das Thomas Read Pub. Und jenes verhängt pünktlich zum Konzertbeginn einen Einlass-Stop. Der länglich geschnittene Saal lässt jedoch selbst wenn man es hineingeschafft hat nur schwer gezielte Blicke auf die Bühne zu. Doch der Sound der Tschechen überzeugt auch ohne Bild. Träumen, zuhören, in Erinnerungen schwelgen - TEEPEE liefern den passenden Soundtrack.

DRAHLA aus Leeds beschallen im Anschluss den Nochtspeicher. Indie, Post-Punk, Rock-Musik und ein besserer Blick auf die Bühne. Weiblicher Gesang, unruhige Rhythmen, gewollt verstörende Welten. Geheimtipp.

Melodischer wird es im Kaiserkeller. SPARKLING liefern modernen Indie-Pop ala I HEART SHARKS. Gut gemacht, gut gelaunt, gut besucht. Die Deutschen lassen sich ihre Herkunft nicht anhören, verpassen selbst ihren deutschen Liedtexten einen ausländischen Akzent und klingen dadurch extrem international. Irgendwo zwischen Englisch, Französisch und Deutsch. Mit Vollgas in die Indie-Disko.

Zeitgleich im Molotow machen der Reihe nach BLACK COUNTRY NEW ROAD, JUST MUSTARD und BILK Gitarrenmusik wieder groß. Drei Ebenen, ein Hinterhof. Im Molotow ist immer etwas los.

SEA GIRLS im Knust springen den Kollegen im Molotow bei und spielen emotionalen Indie-Rock. Anders als der Name gegebenenfalls vermuten lässt, besteht das Quartett einzig und alleine aus Männern. Obwohl die Bandgründung noch nicht allzu lange zurück liegt, ist das Knust bis unter die Decke gefüllt. Sympathisch und frisch spielen SEA GIRLS ihre Definition von moderner Rockmusik, lassen die Haare wackeln und bedanken sich immer wieder für die gelungene erste Show in Hamburg. Frisch.

Gegenüber spielen FORTUNA EHRENFELD ihre eigene Version von KETTCAR, TOMTE und THEES UHLMANN. Post-Indie-Poesie mit deutschen Texten. Verträumt, klar, unvergänglich. „Erst gegen die Vernunft, dann gegen die Faschisten“. Mit Federboa und Schlafanzug sitzen FORTUNA EHRENFELD irgendwo zwischen Künstler-Kollektiv, der letzten getrockneten Träne und der daraus entstehenden Hoffnung. Über jeden Zweifel erhaben. Gut fürs Herz.

Außerhalb des Reeperbahn Festivals, aber dennoch auf der Reeperbahn stellt KUMMER aka Felix Brummer von KRAFTKLUB sein neues Video vor und spielt dazu drei Songs live. Um 23 Uhr fährt an der Bushaltestelle Davidsstraße ein Truck vor. Auf der gegenüberliegenden Häuserwand wird das neue KUMMER Video projeziert, danach tritt Felix selbst auf das Dach des Trucks und performt zwei Songs seines Solo-Albums plus den KRAFTKLUB-Banger „500K“. Guerilla-Konzert. Mitwippen und Abfeiern.

Zurück im Übel & Gefährlich zelebrieren HUNDREDS monumentale Elektro-Indie-Musik. Fette Bässe, poppige Refrains und große musikalische Aufbauten. Die Geschwister Eva und Philipp schaffen im Zusammenspiel mit den visuellen Effekten eine ganz eigene Welt und dem zweiten Festival Tag einen gebührenden Abschluss.

Reeperbahn Festival - Tag 3

Über dem dritten Reeperbahn Festival Tag weht die Australien-Flagge, denn der Vor- und Nachmittag im Molotow ist ausschließlich australischen Künstlern gewidmet. The Australian BBQ holt 15 Künstler aus Down Under nach Hamburg und bietet Ihnen eine Bühne. Die größte Show australischer Künstler in ganz Deutschland.

Bereits früh ist das Molotow bis unter das Dach gefüllt. Alle Ebenen Plätzen aus allen Nähten. Im Obergeschoss hat es sich DOBBY gemütlich gemacht. Rap-Musik aus Sydney mit vielen, vielen Mit-Mach-Parts. Der kleine feuerwütige Australier versteht es Stimmung zu machen und tanzt sich die Seele aus dem Leib. Rap Musik trifft gute Laune. Hamburg, what up?

Im Molotow Backyard geben RVG emotionsgeladene Rock-Musik zum Besten. Kraftvolle Stimme gepaart mit spielerischen Post-Punk und Indie-Gitarren. Abstand, Hoffnung, Aufgabe. Dieser Stimme glaubt man einfach alles. Die australische Version von AGAINST ME.

Im Club geht es rockig weiter. DZ DEATHRAYS spielen Garage Rock und verbinden diesen mit Elementen des Dance Punks. Haare auf und Köpfe schütteln. Rock‘n‘roll oder so.

Etwas entspannter wird es währenddessen in der Molotow Skybar. James Draper und Jorday Brady aka WINTERBOURNE bieten nach kurzer Verspätung mitreißende Indie-Pophymnen. Zwei Gitarren, zweistimmiger Gesang - mehr brauchen die Beiden nicht um etwas australische Sonne ins graue Hamburg zu bringen. Auch wenn sich die beiden direkt beim zweiten Song uneins sind, sind die beiden Stimmen der Australier wunderbar aufeinander eingestimmt. Zum dahin schmelzen - nicht nur aufgrund der Hitze.

YOU AM I bringen dagegen wieder klassische Rock-Musik mit nach Hamburg. Die australischen Garage-Rock und -Pop Legenden haben ihr größten Erfolge in den 90ern gefeiert, rocken aber dennoch einfach weiter und lassen sich ihr Alter nicht anmerken. Mit Jacket auf nackter Haut - Berufsjugendliche. Mal poppiger, mal vertrackter, den Ohrwurm aber immer in Reichweite.

Anschließend wird es olympisch. OLYMPIA schweben elegant und vollkommen unaufgeregt auf einer Wolke aus Indie und Pop über den Besuchern des Molotows. Unnahbar, schön, kunstvoll. Im Mittelpunkt steht stets die schwummrig schöne Sopran Stimme von Sängerin Olivia Bartley. Passt genau so gut ins Molotow wie in die Elbphilharmonie. Genießen.

Für den krönenden Abschluss des Aussie BBQs sorgen THE RUBENS im Molotow Backyard. Cooler, angesagter Indie-Rock, der weiß was er kann. Modern, gut aussehend, mitreisend. Was können diese Australier eigentlich nicht? Extrem frisch.

Auch der Reeperbus wird am Freitag wieder bespielt. Und CHEF SPECIAL zeigen was auf der kleinen Bühne so alles möglich ist. Unaufhaltsam klettert der niederländische Frontmann auf das Vordach der Bühne, um die Masse von oben herab zu dirigieren. Angenehme Reggea Musik ohne die klassischen Klischees. Auf einen Joint in Harlem.

Quietschende Gitarren, jaulender Gesang. THE ENTREPRENEURS lassen alte Grunge-Tage wieder aufleben. Das Millerntor Stadion im Rücken, viele kleine Kunstgalerien drum herum und eine Rollschuhdisko direkt neben an - das Heiligengeistfeld weiß mit einer bunten Mischung aus Kunst, Musik und Trubel zu überzeugen, während THE ENTREPRENEURS das Schauspiel musikalisch untermalen. Unkonforme Stilbrecher.

Nachdem KUMMER bereits am Tag zuvor die Hamburger mit einem kurzen Spontanauftritt bedacht hat, tun es ihm DEICHKIND am Folgetag gleich. Kurzfristig kündigt die Band über Facebook ein Konzert am Millerntorstadion an - für alle - mit oder ohne Reeperbahn Festival Ticket. DEICHKIND testen neue Songs, lassen aber auch immer wieder ältere Tracks in die Setlist mit einfließen. Die Bühnenshow ist für DEICHKIND-Verhältnisse auf ein Minimum beschränkt. Ohne Ferris MC und dennoch mit bis zu 25 Personen auf der Bühne, sitzen zwar die ersten Tanzchoreos zu den neuen Liedern, viel mehr gibt es jedoch erst einmal nicht zu sehen. Minimalismus funktioniert bei DEICHKIND jedoch nicht auf Dauer und so wird für die letzten drei Songs noch einmal alles aufgefahren, was nicht niet- und nagelfest ist. Auf einem Wagen, begleitet von unzähligen DEICHKIND-Klonen zieht es das Kollektiv einmal quer über den Platz, ehe allesamt wieder auf der Tribüne des Stadions angekommen sind. Krawall und Remmidemmi. Das neue Album verheißt großes.

Komplettes Kontrastprogramm im Hamburger Michel. PENGUIN CAFÉ holen klassische Musik aufs Reeperbahn Festival. Neben all dem „Krach“ eine willkommene Abwechslung in schönster Atmosphäre. Die sieben Musikerinnen und Musiker packen klassische Musik in ein modernes Gewand und steuern damit etwas andere Töne dem Festival bei. Leider ist die St. Michaelis Kirche nicht sehr gut besucht, liegt aber auch etwas Abseits der Reeperbahn. An PENGUIN CAFÉ liegt es jedenfalls nicht. Diese spielen ein hochinteressantes, durchstrukturiertes Set, dass jede Menge Spaß macht.

Nach Klassik folgt Punk im Molotow. Female Fronted Power Punk - MISS JUNE aus Neuseeland haben die nötige Attitüde, die es für ein spannendes Punk-Projekt braucht: Ungestüm, laut, geradlinig. Während die Schlange vor dem Molotow nicht kürzer werden will, wird drinnen radikal rasiert. MISS JUNE reisen das, was die Australier und Immobilienkonzerne vom Molotow noch übrig gelassen haben, weiter ab. Rrriot.

Auch oben, unterm Dach gibt es immerhin einen Frauenanteil von 25% auf der Bühne. Das sogenannte "Keychange"-Programm des Reeperbahn Festivals zur Gleichstellung der Geschlechter in der Musik will bis 2022 ein ausgewogenes 50-Prozent-Ziel erreichen. 2019 kann man bereits einen Wert von über 40 % vorweisen. Stark.

In der Molotow Skybar werden vergleichsweise sanftere Töne angeschlagen. PENELOPE ISLES aus Brighton spielen wunderbar schnulzigen Dream Pop und erwecken damit Gedanken an wärmere Tage. Dass es so etwas in Brighton gibt?! Ein Zuschauer scheint zumindest großer Fan der Stadt zu sein und ruft unermüdlich den Städte-Namen in Richtung Bühne - solange bis PENELOPE ISES die Rufe schlichtweg ignorieren.

Mehr Frauen, mehr Rockmusik, dafür weniger Luft gibt es im Karatekeller. Klein, eng und schwitzig. Die Däninnen von VELVET VOLUME spielen Rockmusik mit und ohne Schnörkel. Mehr Luft, mehr Frauen und mehr Indie-Pop dagegen im Backyard. TALLIES aus Kanada setzen ein weitere Zeichen: Mehr Frauen auf die großen und kleinen Bühnen, mehr Frauen an die Macht.

Bei Meet The Mannheimers im Indra spielen Künstler der Popakademie in Mannheim. So auch CINEMAGRAPH. ALI NEUMANN hat im Gruenspan gerade ihr Konzert beendet, da strömen die Massen eine Haustüre weiter ins Indra, um weiteren Indie-Klängen lauschen zu können. Indie-Pop-Rock (wie zu erwarten) handwerklich gut gemacht. Der Beamer sorgt für die passende visuelle Untermalung. Mannheimer zu treffen ist niemals eine schlechte Idee.

Bands aus Edingburgh auch nicht. WE WERE PROMISED JETPACKS sorgen für den nächsten Einlass-Stop des Abends. Das Übel & Gefährlich ist pickepackevoll. Wer es bis in den Bunker, vor die Tür geschafft hat kann zumindest den Indie-Rock-Klängen der Band lauschen. Wer noch draußen steht, muss sich mit den Klängen der vorbeifahrenden Autos zufrieden geben oder zu SAM VANCE LAW ins Knust bzw. SHATTEN bei Hanseplatte ausweichen.

LUEAM ist Solo unterwegs, TRIXSIE haben Teile von FINDUS bei sich aufgenommen und auch bei SHATTEN haben Ex-FINDUS Mitglieder ein neues zu Hause gefunden. Und das hört man. Eigensinniger Indie-Post-Punk mit deutschen Texten. Kryptisch und dich irgendwie klar und deutlich. Widerspruch und Einklang.

Gegenüber skizziert SAM VANCE LAW moderne, durchdachte Pop-Musik mit Inhalten. Mit Geige, Klarinette und Klavier, aber auch Gitarre, Schlagzeug und Bass im Gepäck zeigt der Kanadier wie raffiniert und dennoch eingängig Musik sein kann. Ganz nebenbei macht sich SAM damit auch noch für die Rechte von Schwulen und Lesben stark, ist unglaublich sympathisch und covert Mac DeMarco. Was macht / ist / kann dieser Mann eigentlich nicht? Von GET WELL SOON lernen heißt siegen lernen.

Nach SHATTEN feiern CLICKCLICKDECKER ihr Heimspiel in Hamburg. Akustik-Klampfe, Strom-Gitarre und Schlagzeug. Deutschsprachige Singer Songwriter Musik mit Bandbegleitung. Am Arsch der kleinen Aufmerksamkeiten.

Die Audiolith-Kollegen von FRITTEBUDE sorgen direkt im Anschluss für den krachenden Abschluss des Reeperbahn-Festival-Freitags. Und krachen soll es direkt während des zweiten Songs: Beim Versuch zu Stagediven stürzt Stritzi Streuner ab, verliert seinen Schuh und vergräbt dabei große Teile der vorderen Reihen unter sich. Aufstehen, Schütteln, weite geht´s. Ansonsten wird in der Großen Freiheit 36 gemeinsam gegen Deutschland und die Strapazen der letzten Tage geraved. Denn „jeder Song ist ein antifaschistischer Song“. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten taut das Publikum nach rund 20 Minuten endlich auf und fängt langsam an zu pogen. Das JÖRKK MECHENBIER Feature bleibt aufgrund von Krankheit leider trotzdem aus. Keine Grenzen, keine Heimat - es ist alles so einfach. Party.

Reeperbahn Festival – Tag 4

Samstag - vierter und gleichzeitig letzter Festivaltag. Nach drei Tagen ohne zählbare Sonnenstunden lässt sich am letzten Festivaltag auch die Sonne in Hamburg blicken. Festival Village, Open Air, MELBY - die Schweden geben den Startschuss. Entspannter, träumerischer Indie-Folk der sich wunderbar in die Kulisse einfügt. Millerntor, Übel & Gefährlich, Festival Village, Sonnenschein und MELBY. Schöner kann ein Tag kaum starten.

Passend zum Sonnenschein geht es auf dem Spielbudenplatz unter freiem Himmel weiter. Irgendwo zwischen Frankreich und Venezuela, zwischen Pop und Elektro findet sich der Sound von LA CHICA wieder. Nach Sound- und Verständigungsproblemen geht es mit rund 10 Minuten Verspätung los, sodass der Band nur noch weiter 10 Minuten bleiben, um im eng getakteten Zeitplan zu bleiben. Experimentell, verspielt und dennoch poppig spielen LA CHICA elektronische Pop-Musik. Gute Stimme trifft auf bretternde Bässe. Jedoch nur kurzzeitig, denn die anfängliche Verspätung soll gegen Ende des eh schon kurzen Sets ein Nachspiel haben. Nachdem der Stagemanager die Band freundlich darauf hinweist, dass die Spielzeit gleich zu Ende sei, gibt es wilde Wortgefechte von Seiten der Band mit dem Bühnenpersonal, ehe der Band einfach der Sound abgestellt wird. Das Publikum solidarisiert sich mit der Band, buht die Crew aus, schafft es jedoch nicht jene umzustimmen und LA CHICA einen weiteren Song zu ermöglichen. Zum Abbau werden noch einmal wüste Beschimpfungen ausgetauscht, ehe die nächste Band kleinlaut aufbauen darf. Großes Kino.

Nebenan zeigen PROVINZ einen kurzen Einblick in ihre Songs und finden sich dabei in der Großstadt überraschend gut zurecht. Singer Songwriter Folk ala FABER. Deutschsprachig, klar und blutjung.

YOUR FAVORITE ENEMIES-Frontmann ALEX HENRY FOSTER ist weniger auf Konflikte aus und bleibt bei seinem Auftritt friedlich. Besser so. Der Sozialarbeiter, Aktivist und Amnesty International Sprecher macht Solo auf dem Reeperbahn Festival halt. Begleitet von sieben Musikern und damit eigentlich bestens vorbereitet, liest der Frontmann seine Texte dennoch konsequent aus einem Ordner vor seiner Nase ab. Sieht komisch aus, scheint aber zu klappen. Sound und Texte stimmen.

Auf den ersten Blick wirkt JOEY STYLEZ wie eine schlechte Kopie von Rapper MONEY BOY. Tattoos, Bandana und Schmuck wohin das Auge reicht. Musikalisch ist JOEY STYLEZ jedoch vielseitiger und vermischt Hip Hop und RnB Elemente mit Gitarrenmusik. Irgendwo zwischen Hip Hop, Rap, Country und klassischer Rockmusik. Und teilweise ziemlich skurril: Ungelenke Bewegungen, Grimassen und Ansagen lassen einen eher schmunzeln als gespannt zuhören. „This Life Is No Joke“. Achso.

Das Molotow grillt auch am Samstag wieder australische Bands. Pünktlich um 15:00 Uhr ist der Pop-Rock von ALI BARTER an der Reihe. Vom Refrain geprägt Songstrukturen, die sofort ins Ohr gehen und genau dort auch erstmal bleiben, gepaart mit einer süßen, hohen Stimme und einem sympathischen Wesen. ALI BARTER verzaubert das Molotow - egal ob alleine mit Gitarre oder mit Band. Nette Ansprachen, sowie vereinzelte Versuche auf Deutsch zu sprechen („Moin“, „Hast du Feuer?“, „Ich habe kein Geld“) tun ihr übriges.

Auf dem Spielbudenplatz starten SPARKLING ihren zweiten und letzten Festival-Auftritt. Nachdem die Kölner bereits am Donnerstag im Kaiserkeller ihren Sound zum Besten geben durften, darf die Band nun ein zweites Mal ran. Und zwar diesmal Open Air. Zwar reißt direkt während des ersten Songs eine Saite, die Band lässt sich davon jedoch nicht aus der Ruhe bringen und spielt einfach mit 5 Saiten weiter. Zeit zum Saitenwechsel bleibt bei einem 20 Minuten-Slot schlichtweg nicht. Und weil das nicht reicht, wird zum letzten Song auch noch das Schlagzeug zerlegt. Sprudelnd.

Der Reeperbus nimmt diesmal SEED TO TREE mit auf Reise. Die Luxemburger spielen Elektrobasierte Indie-Musik. Ruhig, einfühlsam, tiefgründig. SEED TO TREE haben früher selbst gerne THE SUBWAYS gecovert (auch wenn man es heute nicht mehr hört) und freuen sich dementsprechend auf dem Festival Auftritt der Formation am späten Samstag-Abend. Ansonsten freut sich die Band schlichtweg wieder in Hamburg zu sein. Willkommen.

Anschließend gibt es mit SQUID im Molotow endlich wieder Punk-Rock auf die Ohren. Die erste Eigenheit der Engländer wird schnell deutlich - hier wird in Form von Ollie Judge gleichzeitig gesungen und Schlagzeug gespielt. Denn auch in 21. Jahrhundert sind singende Schlagzeuger noch immer eine Seltenheit. Krachender Post-Punk, monoton und leicht daneben ins Mikro gebrüllt. Passt wie Faust aufs Auge.

Wieder vor dem Reeperbus spielen PAULS JETS bzw. in diesem Fall PAULS JET auf. Solo und ohne Band werden einige Songs auf der E-Gitarre zum Besten gegeben. Österreich strikes back.

Später am Abend soielen noch THE INTERSPHERE, CARLIE HANSON, THE GARDENER & THE TREE, THE SUBWAYS und SOPHIE AND THE GIANTS grandiose Konzerte, ehe auch das Reeperbahn Festival 2019 wieder Geschichte ist.

Fotos von Peter / lost realist photography - weiter Fotos unter:

Repperbahn Festival - Tag 1: 
https://www.allschools.de/photoGallery/show/REEPERBAHN_FESTIVAL_2019_-_Hamburg_-_Reeperbahn_18_09_2019_1568985055073
Reeperbahn Festival - Tag 2:
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Reeperbahn Festival - Tag 3:
https://www.allschools.de/photoGallery/show/REEPERBAHN_FESTIVAL_2019_-_Hamburg_-_Reeperbahn_20_09_2019_1569160277919
Reeperbahn Festival - Tag 4:
https://www.allschools.de/photoGallery/show/REEPERBAHN_FESTIVAL_2019_-_Hamburg_-_Reeperbahn_21_09_2019_1569160945119