19.03.2012: Maybeshewill, Howard James Kenny - Köln - Blue Shell

19.03.2012
 

 



Fast beschämt sitzt er da auf der Fensterbank hinter den Merchandise Artikeln. Dieser auf mittlere Größe gewachsene und doch sehr schlaksige junge Mann, der auf den ersten Blick durchaus unscheinbar wirkt. Ganz so, als gehöre er hier nicht hin oder würde nicht hierhin gehören wollen. Wie er vorsichtig an seinem Bier nippt, verstohlen durch den Raum blickt. Minuten später jedoch, nachdem er seine Umhängetasche und sein Bier in die Hand nimmt und durch das Publikum wandert, wirkt er so, als würde niemals irgendwo anders hingehören. Als wäre dieser Club seine Heimat, die Bühne sein zu Hause. Ein Mann, zwei Gitarren, unzählige Patterns. Er erzeugt Atmosphäre. Alleine durch seine Präsenz, dem Moment der Wiederholung und - das ist sicherlich das markanteste Merkmal - seine Stimme. Songs, die nahe gehen, zu verspielt für Singer/Songwriter und doch nicht ausufernd genug, um in irgendeiner Form als Postrock zu gelten. Nennen wir es schlicht und ergreifend Musik, ohne labeln zu wollen. Und diese packt. Von vorne herein. Spätestens mit dem Cover von MASSIVE ATTACKs „Teardrop“ hat er das Publikum, welches von Anfang an still und leise ist und ihm lauscht. Aber er kann mehr. HOWARD JAMES KENNY spielt. Er spielt verquere Melodien, nimmt sie zeitgleich auf und lässt sie dann wieder abspielen. Immer wieder. Und er fügt neue Melodien hinzu. Oder einen Beat. Nur durch das Schlagen auf die Gitarre und anschließendem Klatschen in die Hände. Ein nächster Druck auf den Knopf und schon wiederholt sich dieser. Er nutzt seine Stimme. Als Organ und als Instrument. Rhythmisch hypnotisierend. So entstehen nach und nach Kompositionen, die an mancher Stelle an SIGUR ROS erinnern, dann aber wieder ganz leise, still und heimlich eine ganz eigene Not bekommen. Sehr interessant. Sehr schöner Einstieg in einen Abend, den man so an einem Montag immer nach Feierabend gebrauchen könnte.

Es wird wieder still. Man hört Leute flüstern. Erst ganz leise, dann mehr ein Raunen, bis die Töne wieder in der üblichen Lautstärke einer Clubatmosphäre aus den Mündern der Gesprächsteilnehmer schallen. Unklare Laute, sich bewegende Lippen. Das Klirren der Bierflaschen, das Geräusch von Geld, welches in die Kasse fällt. Türen, die auf und zu geschlagen werden. Der Kickerball, der gerade vom Stürmer ins Tor geschossen wird. Kurzer Jubel. Eine Klospülung. Wir befinden uns immer noch im Blue Shell zu Köln, das Licht ist blau gedämpft, die Stimmung ausgelassen, das Bier kalt. MAYBESHEWILL, darauf wartet eigentlich jeder hier, während der junge schlaksige Mann schon wieder hinter den Merchandise Artikeln sitzt und hofft, wenigstens eine Platte zu verkaufen. Sollte er später.

Erstmal aber hat Leicester Auswärtsspiel. MAYBESHEWILL starten ohne große Worte und eröffnen mit „Opening“ und „Take This To Heart“ von ihrer neuen Platte „I Was Here For A Moment, Then I Was Gone „ und das Publikum geht mit. Wie sollte das auch anders sein, wenn einem solch schöne Melodien um die Ohren geknallt werden. Die Wucht an der richtigen Stelle, die Verspieltheit im unerwarteten Moment und die Ruhe im Gedanken an Sturm sind die Zutaten zu dem unscheinbaren Gemisch, welches einen leicht entführen sollte. Gerade versucht man sich fallen zu lassen, da werden einem lauthals dämliche Sprüche von rechts in die Ohren gebrüllt. Hier ein kurzer Gruß: Ey, Typ aus Düsseldorf, blonde Haare, rotes Shirt: Fick dich! Und auch du, braunhaariger Kerl, mit blauem Pulli, den ein Gemisch aus Spucke und Bier nun ziert, nachdem sein Penis den Arm meiner Begleitung streifte: Fühl dich gegrüßt. Menschen hassen euch. Gewöhnt euch dran. MAYBESHEWILL spielen weiter. Quer durch die Diskographie mit großem Augenmerk auf neueres Material. „Critical Distance“ mit seinem sehr an die 80er angelegtem Keyboard lässt die Menschen im Blue Shell hin und her wippen, fast könnte man es tanzen nennen. Irgendwas hält sie aber davon ab. Vielleicht einfach nur die Konzentration auf die Musik. Entweder mit geschlossenen Augen oder doch eher mit dem Blick auf die Bühne, auf der man erkennt, mit welcher Hingabe die Band zu Werke geht. Diese Zurückhaltung wechselt aber dann mit dem Abschlussstück „Not For Want Of Trying“ in eine Ausgelassenheit über, die man von solch trägen Menschen eigentlich nicht erwartet. Umso schöner. Nach kurzem Applaus lassen sich MAYBESHEWILL nicht zwei Mal bitten und geben noch eine Zugabe von zwei Songs. Darunter „He Films The Clouds Pt. 2“, welches nach leichtem Einstieg mit hymnischen Männerchören beendet wird. Die Jungs schaffen es, schwermütige Songs durchaus leichtfüßig und konsumierbar wirken zu lassen, ohne sich dabei verstellen oder anstrengen zu müssen. Einfach durch ihre eigene verspielte und sympathische Art. Das soll belohnt werden und so ertönt mit den letzten Klängen und auch schon weit davor noch einmal Applaus, der erst ausklingt, als die Band endgültig im Backstage Raum oder schon am Merchtisch verschwunden ist. Ein paar lustige mitgehörte Gespräche später, nach kurzem Einkauf und einem herzlichen Wiedertreffen mit den zwei weiter oben schon erwähnten Typen, das mit einem „Schönen Abend“ und falschem Grinsen quittiert wurde, steht man auch schon wieder draußen an der frischen Luft und befindet sich auf dem Weg zur Bahn. Kurzer Abend, aber schön, für 'nen Montag gar nicht mal schlecht. Fand ich. Fanden die anderen auch. Das hab ich gehört.