GURR sind so etwas wie die Post-Punk-Newcomer des letztes Jahres und begeisterten mit ihren Debut "In My Head" nationale wie auch internationale Musikmagazine. Genreübergreifend. Fluffiger Garagepunk, Shoegaze-Elemente, Post-Anything und dazu ganz viel Pop und Happiness.
Ihr Debut erschien im Herbst des letzten Jahres und kurzerhand später feierten die Wahlberlinerinnen ihre Releaseparty in der Kantine im Berghain. Da ich beide Konzerte besuchte, ist es natürlich nicht leicht, diese nicht miteinander zu vergleichen. Die Berhainkantine fasst ca. die Hälfte des Lido-Publikums und war, trotz beginnenden Hypes, nicht ausverkauft. Ein ausverkauftes Lido hingegen, welches heute der Fall war, platzte nahezu aus allen Nähten. Als tendenziell eher kleiner Mensch hab ich natürlich eine grundsätzliche Abneigung gegen diese Location, aber das sind wohl Berliner Luxusprobleme.
Beginn 20 Uhr. Meine Begleitung und ich standen also pünktlich as usual um 20:45 in der Schlange. Während des Einlasses wiedermal irritiert bemerkt, dass mindestens die Hälfte des Publikums auf der Gästeliste steht. Hust.
Eine Entschuldigung an dieser Stelle auf jeden Fall an die Vorband SUN AND THE WOLF - wir haben euch leider nicht mehr gesehen. Aber es herrschte im überaus voll stehenden Raucherbereich der Grundtenor, dass ihr super wart.
Jacken abgegeben, Wasser gegönnt (haben richtig einen Drauf gemacht) und rein in die volle Konzerthalle. Plätzchen in der hintersten Ecke ergattert und dennoch direkten Blick zur Bühne. Opti. 20:15 Introsong, 20:19 (ja, der gute Musikjournalist erspäht die Details) Beginn. Erst einmal irritierend aufgeblickt, da die Dame Laura Lee welche sonst den Zweitgesang inne hat und währenddessen ihre Gitarre bespielt, an den Drums sitzt, singt und mit ihrem Duo-Gegenpol zwei Lieder anstimmt, welche mir völlig unbekannt sind. Netter Einstieg.
Nach den beiden Songs dann die endgültige Bandbesetzung. Ihre mittlerweile angestammte Band wird durch einen männlichen Drummer und ein weiteres weibliches Mitglied am Bass komplettiert.
Das reguläre Set beginnt mit dem inoffiziellen Titeltrack "Klartraum", gefolgt von "Breathless". GURR sprachen zu Beginn noch davon, dass sie vor ihrem größten Berlinauftritt deutlich nervös sind, wovon man aber nach den beiden Up-Tempo Nummern nicht mehr viel mehr spürt. Die Band groovt sich allmählich ein, Frontsängerin Andreya Casablanca hüpft über die komplette Bühne und man fragt sich, weshalb die Band GURR offiziell nur aus den beiden bereits genannten Damen besteht, immerhin werden sie live schon seit langer Zeit von den selben MitmusikerInnen unterstützt, welche sowohl optisch als auch musikalisch so wirken, als wären sie mittlerweile ein fester Bestandteil. Gerade die Bassistin gibt instrumental den besten Part ab.
Weiter im Set geht´s mit "Computer Love", welcher mit seiner Happiness und vor allem der Textzeile "It Breaks My Heart" auch allen Anwesenden das Herz bricht. Mit "Diamonds" folgt mein Lieblingstrack vom Debut und gleichzeitig die beste Performance des Abends. Nach "Walnuss" in deutscher Fassung, welcher endlich auch das Publikum dazu bewegte mitzusingen, kam das deutlich härtere "Don´t Go To School" von der ersten EP.
Die härten Songs sind es auch, welche die Band am besten spielt und das Publikum zum Bewegen animiert. Den ruhigeren Momenten des Abends fehlt der zwingende Druck und driften somit leider immer wieder in Belanglosigkeiten ab. Paradebeispiel hierbei ist der Song "Free", welcher erst ruhig beginnt und erst mit dem Tempowechsel das Publikum packt und die komplette Band dazu bewegt, mehr aus sich heraus zu kommen.
Das bekannte Gwen Stefanie-Cover in Form von "Where Did You Go" fehlt natürlich nicht, ebenso der Song "Yosemite". Etwas enttäuschend war die Performance von "Moby Dick", aus dem kurzerhand eine Ballade wurde und dem Drums und Bass deutlich fehlten. Schade, ist die Single in ihrer Ur-Version wirklich ein Hit.
Meine Begleitung ist mittlerweile vorzeitig abgehauen - Raucherpause. Währenddessen spielte die Band punkigere Songs.
Es folgten noch Anekdoten aus der FH Potsdam, eine Videoankündigung, ein dadaistischer Song mit Tiergeräuschen, eine Anti-Homage an Celine Dion und Shania Twain und die zuletzt veröffentlichte Single "#1985".
Als Zugabe fröhnten die Wahl-Berlinerinnen u.a. nochmals Gwen Stefanie mit einem Cover von "Hollaback Girl" und spielten mit dem Song "Rollerskate" einen der besten Songs des Abends.
Fazit. Unheimlich tolle und sympathische Band, die die Freude an ihrer eigenen Musik direkt ans Publikum übergeben kann. Die letzten Wochen brachten Routine in die Bühnenperformance, es mangelt jedoch etwas an Energie abseits der aufgedrehten Parts. Während sich Gurr in lauten Momenten positiv in sich selbst verlieren, fällt die Spannung während leiser Parts regelmäßig ab. Das Konzerterlebnis in der Kantine am Berghain wurde nicht übertroffen, klar, dazu war die damalige Euphorie um das gerade veröffentlichte Debut zu groß und die Intensität des Konzerts auf Grund des kleinen Rahmens deutlich intimer. Dass mittlerweile das Lido ausverkauft ist, zeigt aber, dass die einstige kleine Band GURR groß geworden ist.