21. - 23.04.2011: Friction Fest - Berlin, Berghain

23.04.2011
 

 



Gründonnerstag, 10 Uhr irgendwo in Deutschland.
Das Auto ist vollgepackt, die Stimmung ist gut, die Vorfreude kaum in Worte zu fassen und das Wetter schon zu diesem Zeitpunkt herrlich. Auf zum Friction Festival 2011 in Berlin!

Nach schier endloser Fahrt mit „kurzem“ Zwischenstopp auf der gesperrten Autobahn, kam man endlich am Ziel an: Berlin, Berghain – normalerweise eine etwas andere Diskotheke - über das Osterwochenende die Location für das diesjährige Friction Festival.
Auch in unserer Hauptstadt herrliches Wetter. Ein Essenstand vor dem alten Heizkraftwerk versorgt die Menschen mit überwieg veganer Nahrung, welche alle drei Tage über abwechslungsreich und frisch war und auch dazu richtig gut geschmeckt hat.
Dann der erste Schock, GOD IS AN ASTRONAUT müssen zum nächsten Konzert zu lange fahren, daher wurde die Running Order geändert und GOD IS AN ASTRONAUT spielen deshalb als erste Band auf der großen Bühne. Nun war Eile geboten, denn damit hatte niemand gerechnet. Schnell Bändchen abgeholt und ab gings in die „Panorama Bar“ des Berghains – scheinbar der Hauptdancefloor des Tanzclubs.
Was GOD IS AN ASTRONAUT dann boten war dann leider nicht so berauschend wie erhofft. Vielleicht lag es daran, dass man praktisch in Auftritt hineingeworfen wurden und noch nicht mental darauf vorbereitet war. Jedenfalls drangen die auf Platte doch sehr überzeugenden, verträumten Melodien nicht bis zum Hörer vor und es wollte partout keine Atmosphäre entstehen. Leider wollten daran auch die abgespielten Filmszenen, auf einer Leinwand hinter der Band, nicht viel verändern.

Nach kurzer Umbaupause stand nun JULIE CHRISTMAS an. Die Mischung aus Sludge und an JARBOE erinnerndem Gesang ist gleichzeitig faszinierend und verschreckend. Die MADE OUT OF BABIES Frontfrau schafft es immer wieder durch die walzenden Gitarren ihrer Mitmusiker zu brechen. Aber gerade mit ihrem speziellen Gesangsstil schafft JULIE CHRISTMAS es den einen oder anderen Zuhörer zu verschrecken. Zu speziell und gewöhnungsbedürftig scheint die Musik für einen Hörer, der noch nie vorher Kontakt zu diesem Projekt hatte.
Wenn man sich jedoch darauf eingelassen hat, zieht einen der Auftritt der charismatischen Frontröhre und ihrer Mannschaft, durch seine atmosphärischen Zwischenspiele und immer wieder folgenden brachialen Ausbrüche, in seinen Bann.

Für die nächste anstehende Band musste nun zum ersten Mal die Location gewechselt werden. Raus ging es aus dem Hauptgebäude des Berghain und rein in die sogenannte „Kantine“, eine kleine Bar daneben. Ein Problem, welches aber augenscheinlich nur am ersten Tag des Festivals bestand, war, dass meist nicht alle die sich ein Konzert in der Kantine ansehen wollten auch hineinkamen und sich so meist eine Schlange davor bildete. Mit MAYBESHEWILL folgte dann mein erstes persönliches Highlight. Die Briten wussten mit ihren teilweise ziemlich flotten Post-Rock Stücken zu überzeugen. Dabei wurden die elektronischen Spielereien der Alben zwar leider nur von Band gespielt, die Grundstimmung von MAYBESHEWILL jedoch perfekt eingefangen und durch eingesetzte Sprachsamples unterstützt. Mit einem Querschnitt durch durch die bisherigen Veröffentlichungen und einen Ausblick auf das im Mai anstehende dritte Album wurde eine gute Mischung aus neuen und alten Liedern gefunden, was das Publikum dem Quartett auch mit heftigem Applaus bedachte.
Schon während des Konzertes merkte man das zweite große Problem der Kantine. Wenn diese gefüllt war, wurde die Luft auf Grund eines offensichtlich fehlenden Abluftsystems sehr stickig. So wurde nach MAYBESHEWILL die Kantine wieder verlassen um draußen Luft zu schnappen und folgend auf der großen Bühne KILLIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE anzusehen.

Wie schon GOD IS AN ASTRONAUT zuvor versuchten die Niederländer mit eingespielten Szenen ihrer Kopfkinomusik auch eine visuelle Ebene zu verschaffen. Dies scheiterte jedoch kläglich daran, dass die Projektion viel zu groß war und so über die komplette Wand des Konzertsaal ausgestrahlt wurde – Problem dabei waren die im Weg stehenden Säulen, Lichtprojektionen und die Wand selbst, die noch Löcher der Heizkraftwerk-Rohre aufwies. So wollte nie ein komplettes Bild entstehen und die Videos verpufften in Ausschnitte. Die Musik des KILLIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE war natürlich über alle Zweifel erhaben und die sieben Musiker entführten mit ihrer avantgardistischen Experimentalmusik für rund 50min in eine andere Welt. Wie auch bei nahezu allen anderen Bands auf den beiden Bühnen schallte auch hier der Sound glasklar, druckvoll und differenziert aus den Boxentürmen.

Nach diesem Ausflug in eher ungewöhnliche Klangwelten musste nun die erste wirklich schwere Entscheidung des Festivals getroffen werden, denn auf der großen Bühne standen nun die Doomer von ELECTRIC WIZARD an, auf der kleinen die wundervolle Instrumentalmusik von CASPIAN. Nach längerem Überlegen wurde dann schweren Herzens entschlossen zu CASPIAN zu gehen, um den Abend friedlich ausklingen zu lassen.
Diese Entscheidung sollte im Laufe des Abends auch nicht bereut werden. Die Jungs aus Massachusetts nahmen ihre Zuhörer mit auf eine Reise, die schöner nicht hätte sein können. Auch wenn die für Post-Rock so typischen monolithischen Soundwände der drei Gitarristen oftmals dunkel und beinahe schon verzweifelt daherkamen, sah man durch die tollen Melodielinien in CASPIANs Musik immer den rettenden Silberstreifen am Horizont, das berühmte Licht am Ende des Tunnels. Sehr vielen Menschen im Publikum malte dies ein Lächeln ins Gesicht. Im großen Finale „Sycamore“ wird die abschließende Percussioneinlage von allen Bandmitgliedern an verschiedenen Rhythmusinstrumenten dargeboten, was das Publikum noch einmal komplett in Ekstase versetzt.
CASPIAN schafften es einfach die Menschen im kleinen Saal zu berühren, sie mit ihrer Musik an die schönen Momente im Leben zu erinnern und Hoffnung zu verbreiten – da konnte es noch so stickig und heiß in der Kantine sein.

Müde und glücklich ging es dann zurück ins Hostel, um sich nach einem Abstecher an der Bar die nötige Nachtruhe für den nächsten Festivaltag zu holen.


Karfreitag, Berlin
Wo in beinahe jedem anderen Bundesland am Karfreitag ein Tanzverbot gilt, war dies in Berlin nicht der Fall. Hier durfte auch am Karfreitag freudig musiziert werden. Glück für uns, denn am Abend stand die nächste Episode Friction Festival 2011 an!

Die erste gesichtete Band des Abends waren die Bartträger von ABRAHAM. Dieses Mal gab es kaum Gedränge an der Kantine, was vielleicht daran gelegen haben mochte, dass durch das etwas schwächere Line Up des zweiten Tages nicht mehr so viele Leute den Weg ins Berghain gefunden hatten. Auf die Musik der Schweizer konnte man gespannt sein, denn wer Sludge spielt und sich an Größen wie CULT OF LUNA orientiert, der kann nicht so viel falsch machen. ABRAHAM kann man das auch nicht vorwerfen. Falsch gemacht haben sie eigentlich nichts. Der Gesang energetisch, die Gitarren gestampfend und das Schlagzeug sich von Crescendo zu Crescendo schleppend. Das Problem an der Sache war einfach nur, dass es eben Bands wie CULT OF LUNA oder ISIS gibt und die Quasi-Plagiate, wie ABRAHAM, komplett in den Schatten stellen. ABRAHAM lieferten einen grundsoliden Auftritt, der am altbekannten Muster des Post-Metal Genres scheiterte und dadurch belanglos und teilweise sogar langweilig herüberkam. Ein wenig Eigenständigkeit hätte dem Auftritt sehr gut getan. Fairerweise sollte man aber ergänzen, dass es einem Großteil der Hörerschaft ausgesprochen gut gefallen hat und sich die Schweizer ordentlich Applaus abholten.


Locationwechsel, Panorama Bar, Band EF.
Post-Rock aus Schweden, meist Instrumental dargeboten, teilweise mit Gesang. Den Einfluss von SIGUR ROS in der Darbietung können die jungen Schweden kaum von der Hand weisen. Besonders deutlich wurde dies durch die häufige Nutzung eines Geigenbogens zum spielen der Gitarre – ganz in SIGUR ROS Manier. Nichtsdestotrotz schafften es EF, zum Beispiel durch den häufigen Einsatz eines zweiten Percussioninstruments, ihrer Musik Tiefe und Charakter zu geben. Auch die zuckersüßen Melodiebögen ihrer Songs verhelfen der Band aus Göteborg dem Dschungel der doch üblichen Post-Rock Bands zu entfliehen und auf der Bühne eine sehr gute Figur zu machen.

Nun stand die zweite schwierige Entscheidung dieses Festivalwochenendes an, SABBATH ASSEMBLY oder KHOMA. Obwohl hier die Entscheidung nicht ganz so schmerzlich war wie am Abend zuvor, war es doch schade eine der beiden großartigen Bands nicht zu sehen.
Das Rennen machten hier KHOMA denn dies war die Deutschlandpremiere der schwedischen Band und außerdem war deren letztes Album „A Final Storm“ so stark, dass man es sich unmöglich hätte entgehen lassen können die Truppe live zu sehen.
Auf diese Werk fokussierte sich der CULT OF LUNA Ableger dann in ihrer Show auch. Die sympathische Truppe sprühte nur so vor Spielfreude und es ist jedem Einzelnen überlassen, ob man es gut fand, dass der Sänger Jan Jämte, zwischen den doch oft melodramatischen Songs, ein Lächeln auf den Lippen hatte. Da viele der Lieder live wesentlich schmissiger rüber kamen als auf Platte entstand auch eine gewisse Bewegung im Publikum, welches „freudig“ die Köpfe im Takt bewegte. Insgesamt eine wunderbare Premiere der Schweden, welche sich in dieser Spiellaune gerne öfters auf deutschen Bühnen blicken lassen dürfen.

Nach KHOMA gab es dieses Mal ausnahmsweise mal keine Stagehopping sondern eine kurze Verschnaufpause, die dazu genutzt wurde sich zu stärken und sich angemessene Kleidung für die nun doch schon etwas kühleren Temperaturen zu besorgen.
Pünktlich zu EARTH traf man dann aber wieder in der Panorama Bar ein. Dylan Carlsons Band wusste aber live einfach nicht zu gefallen. Höchstwahrscheinlich lag es daran, dass sie ihren Americana-Drone live noch ein Stück langsamer darboten, als sie es auf ihren Veröffentlichungen sowieso schon tun. Die Melodien stimmten, die Songauswahl, welches hauptsächlich aus Liedern des aktuellen Werks bestand, auch. Es schliefen hier nicht nur die Füße ein, sondern man hätte dieses Konzert wohl eher im sitzen oder gar stehen genießen können. So aber musste man dafür sorgen, dass man bei dieser Art von repetitiver Musik zu dieser späten Stunde nicht im Stehen einschlief – da half auch der gute Club-Mate nicht. Schade drum, auf Platte funktionieren EARTH bei mir wesentlich besser.

Die abschließende Band T.RAUMSCHMIERE schloss dann den Karfreitag und das reguläre Friction Festival 2011 ab. T.RAUMSCHMIERE boten Electro-Punk, welcher im ersten Moment ziemlich tanzbar und unterhaltsam wirkte, nach einiger Zeit jedoch langweilte und zeitweise sogar auf die Nerven ging. Ob man diese Band mit ihrer doch sehr straighten In-Your-Face Musik in dieses sonst sehr experimentelle Line-Up hat packen müssen ist doch sehr fraglich.

Nach einigen Bieren an der Hostelbar und langer Unterhaltung mit den ebenfalls im Hostel gastierenden Mitgliedern von EF endete dann auch dieser Tag, welcher insgesamt Bandtechnisch klar hinter dem ersten zurückstecken musste.


Karsamstag, Berlin, Friction Bonus Tag
Der letzte Tag des Friction Festivals 2011 war exklusiv für die ersten 200 Kartenkäufer gedacht und fand nur in der Kantine statt. In der Kantine war daher auch nicht so dichtes Gedränge wie an den anderen beiden Festivaltagen. Auch waren nicht die angegebenen 200 Besucher vor Ort, sondern wesentlich weniger, was wohl mit dem Osterwochenende zu tun gehabt haben könnte.

Erste Band des Bonusabends waren die Herren von BRACE/ CHOIR die eher schlichten Post-Rock spielten, der einzig von der manchmal eingesetzten Orgel etwas aufgehellt wurde. Schade, mit diesem Instrument im Repertoire hätte man sicher noch etwas mehr experimentieren können! So aber langweilte man sich durch die Spielzeit und trank lieber ein Bier an der Theke.

Den mittleren Slot füllten HUMANFLY die mit ihrem Sludge-Metal dort ansetzten wo ABRAHAM an gleicher Stelle tags zuvor gescheitert waren. HUMANFLY wussten in ihren Instrumentalpassagen zu überzeugen und eine Stimmung zu kreieren, am Gesang Andy Sutcliffes jedoch schieden sich die Geister. Zu kratzig und keifig kam dieser rüber und ein ums andere Mal wurden damit die atmosphärischen Momente einfach „kaputtgeschrien“. Auch hier wäre wie schon bei BRACE/ CHOIR wesentlich mehr drin gewesen.

Die jungen Dänen von LIS ER STILLE stellen die letzte Band des Abends und des ganzen Festivals. In welche Schublade man deren Musik stecken soll ist unklar – wohl irgendwo zwischen der Melancholie von SIGUR ROS, den Kammerorchesteranleihen von EFTERKLANG und ihrem eigenen experimentellen Stil. Klar ist jedoch, dass LIS ER STILLE einen der beeindruckendsten Auftritt des ganzen Friction Festivals hinlegten und es schade für all jene ist, die sich nicht unter den ausgewählten Besucher befanden. Querbeet spielte man sich mit einem Enthusiasmus durch die Bandgeschichte, dass man einfach nur staunen konnte. Fragil und zurückhaltend in einem Moment, extrovertiert und aufbrausend im nächsten schallte die Musik aus den Boxen.
Ein würdiger Abschluss eines tollen Festivalwochenendes!

Insgesamt kann man über das Friction Festival 2011 sagen, dass es zwar leider nicht mit einem so starken Line Up wie 2010 aufwarten konnte, dafür aber mit vielen kleinen feinen Bands. Die Organisation verlief bis auf den Einlass in die Kantine am ersten Tag und der zwangsläufigen Verschiebung des GOD IS AN ASTRONAUT Gigs reibungslos. Die Festivallocation scheint wie geschaffen für das Friction Festival und kaum eine Band hatte nach dem ersten Lied noch mit technischen Schwierigkeiten oder Soundproblemen zu kämpfen. Merch-, Essen- und Trinkenpreise waren absolut angemessen, das Essen war für den angebotenen Preis sogar überdurchschnittlich gut!
Was das Friction Festival für mich so besonders gemacht hat, war die entspannte Atmosphäre. Seien es die Ordner an den Türen die niemals unfreundlich oder aufdringlich waren, die Verkäufer hinter den Ständen die sich gerne auf einen Plausch eingelassen haben oder die Besucher des Festivals selbst, alle waren friedlich und man merkte ihnen den Spaß an der Sache an.

Vielleicht gibt es nächstes Jahr wieder mehr „größere“ Bands, ansonsten gab es nicht viel zu beanstanden.
Bis zum nächsten Jahr liebes Friction Festival, ich habe dich in mein Herz geschlossen!