22.06.2016: Converge, Harm's Way, Gold - Mannheim - JUZ

29.06.2016
 

 

Eine Venue wie das JUZ Mannheim steht schon längst nicht mehr alltäglich auf dem Tourplan von Converge. Doch dass die Band den DIY-Charakter und die Vorliebe für den sogenannten Underground nie verloren hat, beweist sie heute ein weiteres Mal. Mit Happy End für all die Diehard-Fans dreißig plus.

 

Ein weiteres Markenzeichen der legendären Band um Deathwish-Chef Jacob Bannon ist es, sehr vielseitige Support-Acts mit auf Tour zu nehmen. So auch dieses Mal: Den Abend eröffnen GOLD, eine sechsköpfige Kapelle aus den Niederlanden. Deren Sound auf ein bestimmtes Genre runterzubrechen, ist gar nicht mal so einfach. Selbst betitelt sich die Band auf Facebook als „Post-everything dark rock“. Der Rockfaktor ist mit drei Gitarren definitiv vorhanden, wobei man leider aufgrund der Soundverhältnisse das Gefühl hat, dass manche Sachen, die die Gitarren so fabrizieren, etwas mehr untergehen als sie es tun sollten. Den düsteren Beigeschmack verleiht unter anderem die Performance und auch der Gesang von Frontfrau Milena Eva. Beides hört auch nach 20 Minuten nicht auf, irgendwie verstörend zu wirken und lässt an Acts wie Chelsea Wolfe denken. Die Songs driften ab und zu leicht in den Metal ab, bewegen sich jedoch zumeist im Downtempo-Bereich und muten eher schleppend und atmosphärisch an. Zwar tragen GOLD ihr Set durchaus tight vor, doch der Funke springt weder bei mir noch beim Rest des Publikums so richtig über. Nur vereinzelt gibt es enthusiastische Mitnicker und Laut-Applaudierer. Und so groß meine Freude darüber war, mal eine Band mit einem anderen Stil auf einem Hardcore-Konzert zu sehen, als ich „And I Know Now“ das erste Mal auf Youtube ansah: Ich kann nicht leugnen, dass ich recht schnell sowohl von der Musik als auch vom Auftritt der Holländer gelangweilt bin. Ich denke es gibt im Post-Bereich durchaus Bands, die diese Elemente besser und kurzweiliger zusammenmixen.

 

 

HARM‘S WAY sorgen dann gleich im Anschluss für ordentlich Kontrastprogramm, denn Atmosphäre sucht man bei der Deathwish-Kapelle aus Chicago vergebens. HARM’S WAY stehen für kompromisslose Brutalität, die nur an sehr wenigen Stellen mal durch melodiösere Backing Vocals aufgelöst werden. Der am wenigsten harte Song des Sets ist wohl „Amongst the Rust“, der mehr in andere Metal-Subsparten abdriftet und sogar leicht an Slipknot erinnert. Für die restlichen 25 Minuten sind HARM’S WAY eine pure Dampfwalze, was Frontmann James Pligge auch verkörpert wie kein Zweiter. Vereinzelt drehen ein paar Leute im Moshpit durch, doch die Reaktion auf die entsprechenden Parts fällt mauer aus, als man das vielleicht hätte erwarten können. Außerhalb eines JUZ-Kontextes und in einem anderen Lineup wäre das sicherlich anders gewesen. Und das halte ich für positiv, denn ich kann der testosteron-geschwängerten Selbstdarstellung im Moshpit in vielen Fällen nicht mehr abgewinnen als ein schwerwiegendes Gefühl der Fremdscham.  HARM’S WAY sehen das vielleicht anders, denn man kann auf die Musik ja kaum anders reagieren als mit Gewalt und Aggression. Ich habe es noch nie erlebt, dass bei der Band mal mitgesungen wird oder etwas Anderes passiert, als dass irgendein Meshshort-Kevin im Publikum seine Mitmenschen abräumt. Verblüffend, wie stark man sich als Musiker im Songwriting reduzieren kann, dass dabei letztendlich nur ein Gefühl entsteht und transportiert wird. Andererseits vielleicht auch eine Stärke und sicherlich auch so gewollt. Nails agieren ja ähnlich, sind für mich dann jedoch der präferierte Griff, wenn ich pure Brutalität haben will. HARM’S WAY jedenfalls machen mit der Auswahl ihres letzten Songs alles richtig und spielen „Scrambled“, einen der härtesten Alben-Opener der jüngeren Hardcore-Geschichte. Leider vermisse ich heute „Left to Disintegrate“ im Set, denn ich bin durchaus Fan der melodischeren Abweichungen auf der „Rust“-LP und habe dadurch erst ein bisschen Zugang zu HARM’S WAY gefunden.

 

 

Doch der Hauptanwesenheitsgrund für fast alle Menschen im ausverkauften JUZ Mannheim ist natürlich CONVERGE, die nur zwei Monate nach ihren „Blood Moon“-Sets im April bereits wieder zurück in Europa sind. Bereits beim Soundcheck merkt man, dass die Band sehr ausgelassen und zum Scherzen aufgelegt ist. Bassist Nate ist der Sound scheinbar völlig egal, während Ben Koller für den Drum-Soundcheck seine Skills mal kurz auf die eines Gehirnamputierten minimiert und Kurt Ballou Brunftschreie und Tiergeräusche ins Mikro macht. „Dark Horse“ eröffnet dann ein mit Hits gespicktes Set, bei dem nun endlich gestagedivet, mitgesungen und sogar Schweinepogo mit Bierdusche betrieben wird. Da kann es schon mal passieren, das mitten im Song mal eben jemand feucht durchwischt oder sich jemand für eine gefühlte Minute in einem von der Decke hängenden Kabel verfängt und man fast fürchtet, dass er dabei seinen Fuß verlieren muss („Last Light“). CONVERGE haben keine neue Platte im Gepäck, lediglich die „You Fail Me“ LP wurde als Redux neu herausgebracht. Allerdings werden trotzdem nicht allzu viele der ollen Kamellen ausgepackt (nur die größten Hits wie „Eagles Become Vultures“ und „Concubine“), das Set wird dominiert von Liedern der neuesten zwei Alben wie „Aimless Arrow“, „Trespasses“, „Worms Will Feed“, „A Glacial Pace“ oder dem Titeltrack des letzten Albums „All We Love We Leave Behind“. Doch gerade bei den alten Songs ist der Mitsing-Faktor immens und ein paar Fans der ersten oder besser gesagt zweiten Stunde (aus dem Frühstwerk von CONVERGE gibt es wie gewohnt fast nichts) stürmen für wenige Minuten nach vorne. Definitiv eine gute Mischung, darauf kann man sich einigen. Als besonderes Schmankerl darf das Publikum sich dann bei der Zugabe entscheiden: „Do we wanna get emotional or do we wanna get wild?“ fragt Jacob Bannon. „Or in other words: Do you want us to fuckin ruin the song or play a song that we can play?“ fragt Nate Newton. Als Bannon dann die Songtitel zur Abstimmung gibt (“Jane Doe” und “The Saddest Day”) ist die Entscheidung natürlich von vorneherein klar. Und dafür, dass CONVERGE den Song nach eigener Aussage 10 Jahre lang nicht geprobt hätten, funktioniert „The Saddest Day“ dann zwar nicht komplett reibungslos, aber wesentlich besser als erwartet. Und für einige Converge-Diehards ist damit sicherlich einer der sehnlichsten Wünsche in Erfüllung gegangen. Jacob Bannon verabschiedet sich mit der Anmerkung, dass er nicht weiß, ob CONVERGE so schnell zurück sein werden. Man darf also wohl hoffen, dass die Mathcore-Urgesteine beim nächsten Wiedersehen neues Material im Gepäck haben.