Zum zweiten Mal fand das Summerblast Festival nun entsprechend des back-to-the-roots Gedanken indoor statt. Was die Zutaten für ein sehr schweißtreibendes Festival bot: Energiegeladene, hochkarätige Bands, ein niedriger Gewölbekeller und Temperaturen jenseits von Gut und Böse.
Für uns startet der Abend mit der englischen Truppe von HEART IN HAND. Den Jungs kommt eindeutig zugute, dass sie in der letzten Zeit sehr engagiert den Kontinent touren und besonders hier in der Pfalz eine sehr starke Fangemeinde haben. So wundert es an sich nicht, dass bei dieser eigentlich noch recht kleinen Band eine wahnsinnig große Anzahl an Sing-Alongs aus dem Publikum gibt und jede Menge Leute, die sich um das Mikro reißen. Die Stimmung ist jetzt schon am Siedepunkt, aber die Begeisterung der Kombo um Charlie Holmes ist ansteckend und im ganzen Raum spürbar. Klasse Set, nur leider können die Briten zwischen ihren Songs kaum variieren, schließlich haben sie bisher nur ein Album veröffentlicht. Schade, denn das ist wirklich der einzige Minuspunkt bei diesem Auftritt.
Weiter geht es mit ALL FOR NOTHING, die letztes Jahr schon auf dem Summerblast gespielt haben. Die Band ist ab der ersten Minute unglaublich präsent und publikumsnah, dabei sympathisch und auf Zack. Als nach dem ersten Song technische Probleme das Set kurzzeitig unterbrechen, nutzt Sängerin Cindy einfach die Chance und erinnert die Menge daran, dass Hardcore mehr als nur Musik ist, sondern vielmehr ein Lebensgefühl und Solidarität und erntet begeisterten Beifall. Deswegen passt es auch, dass sie gleich noch auf ihr Engagement gegen Brustkrebs aufmerksam machen. Als es kurz darauf wieder weiter gehen kann, wird mit einem Aufruf zu Massenstagedives die Konzertstimmung wieder angeheizt. Mittlerweile hat es im großen Exil gut 40° (es sollte später noch heißer werden), gefühlt noch mehr, doch die Niederländer lassen sich davon nicht beeindrucken, spielend weiterhin ein perfektes Set und animieren das Publikum zu körperlichen Höchstleistungen. Und wenn ALL FOR NOTHING im nächsten Jahr noch einmal kommen sollten, kann man sich das gerne wieder ansehen.
Der stickige Gewölbekeller bleibt in der Hand von Niederländern, als NO TURNING BACK die Bühne besteigen. Viel Kraft, viel Gewalt, Testosteron und politische Message (keine Chance für Nazis) sind das, was in den ersten paar Songs präsentiert wird. Nach 10 Minuten muss ich allerdings den brütend heißen Keller verlassen um oben im Innenhof wieder neue Kräfte für die Headliner zu tanken.
Auf STICK TO YOUR GUNS hatte ich lange gewartet. Wie gewohnt hatte sich der Spielplan der Bands im echten Leben im Gegensatz zum Timetable um ca. 10 bis 15 Minuten verschoben, aber man weiß ja nie, wann die Bands tatsächlich anfangen. Außerdem heißt es ab STYG schnell sein, dass man überhaupt noch einen Platz im vollen Exil ergattert. Und so steht und wartet man, verwünscht jede Minute die man unnötig in der Hitze verbringt. Aber dann kommen sie endlich, die Kalifornier und durch Sänger Jesse Barnets Adern muss Eis fließen, denn er steht mit Pulli und ordentlich Gesichtsbehaarung auf der Bühne. Über die Show selbst lässt sich wenig sagen, außer: Mitreißend, musikalisch einwandfrei und wahnsinnig gut. Hier merkt man auch die Stärke ihrer ganzen Choräle und Singalong-Parts, denn der gesamte Raum, bis ganz hinter in die letzten Reihen singt bei Songs wie „Against them All“ aus vollem Halse mit (nicht immer gerade, aber der Wille zählt). Es wird vor allem viel vom neuen Album „Diamond“ gespielt, deswegen ist es, als würde der Raum zerreißen, als der Klassiker „Amber“ angestimmt wird. Und dann auch noch der Aufruf, dass so viele wie möglich stagediven und die Scheinwerferaufhängungen erklimmen sollen…Ganz großes Kino und kein Quäntchen Kritik wäre bei diesem starken Auftritt nötig gewesen.
Bei EVERGREEN TERRACE hatte ich das Nachsehen – im wahrsten Sinne des Wortes. Schon 2 Minuten nach Konzertbeginn war kein Reinkommen mehr ins Exil, also war man gezwungen vor den Türen stehen zu bleiben. Aus der Ferne sieht man nur fliegende Füße und –Körper, die Stimmung muss also gut gewesen sein. Die Amerikaner profitieren eindeutig davon, dass sie schon so lange im Geschäft sind und können auf ihr großes Songrepertoire zurückgreifen und wissen auch, wie sie mit der Menge umzugehen haben. Echte Berufsmusiker eben. Aber so vor den Türen macht auch kein noch so gutes Konzert Spaß – leider nur dabei, statt mittendrin…
Als ARCHITECTS zu spielen beginnen, ist der Raum endgültig zum Brechen voll. Nachdem man sie zuletzt auf der großen Tour mit RISE AGAINST vor ca. 10.000 Menschen gesehen hat, scheinen die Engländer jetzt etwas verstimmt zu sein, in Anbetracht der kleinen Clubgröße. Nicht nur, dass Sam Carter eine ziemlich Fresse zieht, mit seinem reichlich schief gesungenen Intro hat er sich auch nicht mit Ruhm bekleckert. Zwar hat er nur nach Monitorboxen und ohne „Knopf im Ohr“ gesungen, krumm waren die Cleanparts trotzdem. Abgesehen davon leistet die gesamte Band eine wirklich gute Arbeit und spielt auf den Punkt, und auch Sams Vocals sind ansonsten anstandslos gut. Der neue, aggressivere Sound ihres neuen Albums „Daybreaker“ kommt ihm Publikum gut an und auch die Texte sitzen schon erstaunlich gut. Persönliches Highlight: Als zwei Fangirlies die Bühne erklimmen und mit zu viel HipHop-Attitude tanzen, steht Sam da, blickt verdutzt zu den Mädchen, die ihn rechts und links flankieren, und zeigt spontan mit beiden Händen die „Horns“ und headbangt. Solche charmant-witzigen Momente hätte man gerne häufiger gesehen, denn die schlechte Laune der ARCHITECTS war schon ein Trübnis.
… Vorallem, wenn man feststellt, dass die Engländer für viele der eigentliche Headliner waren.
Als H2O als letztes die Bühne betreten hat sich der Raum nämlich schon merklich geleert. Aber wer bis jetzt durchgehalten hat, wurde mit einer publikumsnahen Band belohnt, die sichtlich jeden Moment auf der Bühne genoss. Und wer jetzt noch eine Stimme hatte, konnte sich bei „1995“ oder „Nothing to Prove“ noch einmal so richtig heißer brüllen. H2O liefern einfach eine klasse Show und schaffen es auch, ein langsam müder werdendes Publikum wieder zu motivieren. Ich bin trotzdem froh, als ich irgendwann wieder die kalte Nachtluft einatmen kann.
So schön die Besinnung auf die eigenen Wurzeln doch ist, aber ich persönlich kann dem Indoor-Konzept wenig abgewinnen – und die meisten anderen Besucher auch. Es ist schade, dass die fest installierte Freilichtbühne im Innenhof des Exhaus nicht als Konzertlocation genutzt wird, sondern nur als Parkplatz dient. Und irgendwie sollte „Summer“ nicht nur drauf stehen, sondern auch drin sein. Was man dann allerdings nicht hätte: So einen intensive Kontakt zu den Bands und dieses wahnsinnig nahe Live-Gefühl, wie man es unten in dem kleinen stickigen Keller, dafür ohne Absperrungen und Wellenbrecher hatte.