23./24.04.2010: Groezrock Festival - 2010

24.04.2010
 

 

Freitags zum Groezrock zu fahren ist immer eine ziemlich stressige Sache. Stau ist quasi unvermeidbar (bei uns etwa 5 an der Zahl), wenn man dann noch in der Kölner Innenstadt vorbei muss, wird das Ganze nicht einfacher. Und den obligatorischen Stau vor dem Parkplatz, nachdem man sich stundelang den Arsch platt gesessen hat, dürfte auch jeder kennen, der schon mal auf dem Groezrock war. Wobei der dieses Jahr sogar ging, denn die Parkplätze waren dieses Jahr an anderer Stelle. Der Fußweg zum Zeltplatz sind dann nochmal qualvolle 20 Minuten mit lauter Gepäck, bis man dann endlich da ist, muss man nur noch die lange Schlange vor dem Campingplatz abwarten. Dann freut man sich aber, dass alle seine Leute schon da sind, das Wetter und die Stimmung super sind und man keine Band verpasst hat, die man sehen wollte, der Ärger stellt sich relativ schnell ein.

Im Gegensatz zu dem, was die Organisatoren dieses Jahr kurz vor dem Wochenende leisten mussten, ist der „Aufwand“ aber ein Witz, der eigentlich gar nicht erwähnt werden sollte. Ich fand es aber als Einleitung ganz passend den Stress, den das Groezrock-Team hatte, zu erwähnen, denn aufgrund der Vulkanasche mussten ganze sechs Bands, darunter große Namen und sogar ein Headliner ersetzt werden: Hatebreed, Saves the Day, Sunny Day Real Estate, Stick to Your Guns, Oh Sleeper und Snapcase hatten abgesagt. Betroffen war also vor allem der Freitag.
Erstaunlicherweise jedoch schafften es die Veranstalter, diese Verluste binnen kürzester Zeit fast makellos auszugleichen und holten dafür Millencolin, Caliban, Funeral for a Friend, Holding onto Hope und The Ghost of A Thousand ins Boot, MC Lars trat zwei mal auf.
Neben einem genialen Line-Up gab es dieses Jahr sogar 4 Bühnen, denn auf der so genannten Macbeth-Stage wurde scheinbar ein Bandcontest ausgetragen (namhafte Bands wie Antillectual, Campus und High Five Drive waren vertreten!) . Ich freute mich im Vorfeld natürlich am meisten auf die Etnies-Stage, die durch den Fakt Charme entwickelte, dass dort keine Barriere vorhanden war. Desweiteren gibt es wie jedes Jahr zahlreiche Distros, Merch-Stände, Essens- und Trinkensangebote, ein Zelt mit elektronischer Musik und zahlreiche andere Stände (wie den von Jägermeister). Es wurde also für jedermann alles geboten, was das Herz begehrt. Neben den Auftritten der Bands konnte man diese auch persönlich bei den Signing Sessions treffen und zu sehen gab es auch etwas anderes als Live-Musik, nämlich zum Beispiel Motocross-Profis, die Luftakrobatik vom Feinsten präsentieren. Ich hoffe den Leuten, die noch nie auf dem Groezrock waren, habe ich es einigermaßen schmackhaft gemacht, denn wenn das Wetter mitspielt (was halt im April noch nicht immer der Fall ist) ist das auf jeden Fall eines der empfehlenswertesten Wochenenden des Jahres. Aber zu den Bands.

Freitag

Als wir nach verhältnismässig (verglichen mit den letzten Jahren) wenig Andrang den Festivalplatz zum ersten Mal betreten, spielt auf der Main-Stage gerade mit Caliban die einzige deutsche Band des gesamten Wochenendes auf. Aber man weiß ja, wie sich an dieser Band die Geister scheiden. Ich persönlich bin auch kein großer Fan, erkenne im Vorbeigehen „My Time Has Come“ von ihrem vorletzten Album, höre mir noch einen Song an und sehe, dass sich schon relativ viele Leute im Zelt versammelt haben (allerdings fast ausschließlich vor der Musik-Box), also einige Leute mit Sicherheit froh über den kurzfristigen Ersatz-Slot dieser Band sind. Ich denke auch, es hätte schlimmer kommen können, denn Caliban passen ja recht gut in den Groezrock-Freitag hinein und sind ja nicht gerade ein unbekannter Name. Für mich geht es aber dann weiter zur Etnies-Stage.

Denn dort spielt die erste für mich richtig interessante Band an diesem Abend – die Swellers hätte ich mir zwar auch angeguckt, aber dafür waren wir schlichtweg zu spät da. Also ist die erste Band des Groezrocks, die ich mir vollständig gebe: This is Hell aus Amerika. Die Band war bereits 2008 am Start, dort allerdings auf der Eastpak-Stage also ohne Publikumsnähe. Dass sich diese Nähe für Hardcore-Bands eher auszahlt, zeigt sich gleich in „Prelude“, dem ersten Lied: Sofort stagediven mehr als ein Dutzend Leute, und ich staune nicht schlecht. Ich weiß nicht, ob das bei den Bands vor This Is Hell schon der Fall war, aber der Standard ist dafür, dass es kurz nach acht ist, schon relativ hoch! So wird durchweg bei fast jedem Lied frenetisch abgefeiert und gestagedivet, wobei auch der ein oder andere schwere Kerl im leeren landet, oder der ein oder andere sich ziemlich arg verletzt. Die meisten haben aber ihren Spaß, und das, wie bisjetzt jedes Mal wenn ich diese Band sah, eher an den alten Liedern, den Liedern vom ersten Album Sundowning, so liegen die Highlights des Sets ganz klar bei „Permanence“, „The Polygraph Cheaters“ und nicht zuletzt (von der Reihenfolge her schon) bei „Broken Teeth“. Es werden Lieder von Misfortunes gespielt, zum Beispiel „Reckless“ und sie kommen noch relativ gut an. Es werden Lieder von der Warbirds EP gespielt, recht zu Anfang des Sets das sehr oldschoolige „The Search“, welches ich für meinen Teil sehr mag. Das kommt auch noch ziemlich an. Aber die neuen Lieder, die This Is Hell präsentieren, zünden gar nicht. Das liegt wahrscheinlich daran, dass noch niemand sie kennt – ich finde sie aber musikalisch auch eher dürftig. Mal abwarten, was draus wird. Travis Reilly kündigt jedenfalls an, dass der neue Output „Weight oft he World“ heißen wird und am 8. Juni diesen Jahres, also ziemlich bald, erscheinen wird. Ich bin mal gespannt, was daraus wird, denn bisjetzt hab ich seltenst Leute getroffen, die nicht der Meinung waren, dass Sundowning bei weitem die beste Platte der Band war. Das wird wohl auch so bleiben. Nichts desto trotz ein super Auftritt mit genialer Stimmung und damit ein super Auftakt für mein persönliches Groezrock.



Weiter geht’s auf der Main-Stage mit der nächsten Ersatz-Band: Millencolin. Wer kennt diese Band bitte nicht? Hier hört man einige vertraute Songs (zumindest wie in meinem Fall die vor Machine 15) und muss erstmal wieder ein bisschen im Gedächtnis herumkramen, um mitsingen zu können. Songs wie „Battery Check“, „Penguins and Polarbears“ und natürlich „No Cigar“ sind selbstverständlich hängen geblieben, man fühlt sich ein bisschen zurückversetzt in die Zeit vor 5 Jahren. Wie man die Klassiker der Band kennt, weiß man eigentlich auch, dass Millencolin durch den Ruf einer langweiligen beziehungsweise schlechten Live-Band verfolgt werden. Das kann ich heute nicht bestätigen. Die Jungs um Sänger und Bassist Nikola Sarcevic (und auch dieser selbst) zeigen sich sehr sehr bewegungsfreudig, wechseln desöfteren ihre Plätze und machen einige Meter auf der Bühne. Die Setlist ist gut gewählt und vor allem ist der Sound hervorragend. Ein gelungener Act, um die meisten Leute tu entschädigen also und Millencolin reihen sich doch auch sehr gut in die Reihe der Punkrock-Legenden Face to Face und morgen Pennywise und Bad Religion ein.


Ich mache eine ausgiebige Pause, in der ich den Festivalplatz mal wieder ein bisschen erkunde (der Festivalmarket ist ja sowas von riesig!). Auf Agnostic Front kann ich nach den Auftritten die ich von der Band bisjetzt gesehen habe, heute mal verzichten, auch wenn ich die Musik wirklich mag. Aber es muss auch mal Zeit für ein paar Bier mit Freunden sein.



Face to Face waren wie This is Hell und Agnostic Front 2008 auch schon auf dem Festival vertreten, allgemein kennt man sehr viele Bands aus dem Line-Up schon aus Line-Ups der vorherigen Jahre. Damals hatte ich mich sehr gefreut, als es hieß Face to Face würden EINE Reunion-Show auf dem Groezrock 2008 machen und die Show war super. Dementsprechend war dieses Jahr die Vorfreude zwar da, aber etwas kleiner, da man ja etwa wusste, was einen erwartet. Der Überhit der Band, „Disconnected“, wird relativ am Anfang der Spielzeit verblasen, womit sie sicher einige Fans schon mal auf ihre Seite ziehen. Die Jahrzehnte alte Punk-Band hat natürlich einiges an Repertoire vorzuweisen und kann nicht nur in diesem Gesichtspunkt locker mit Bands wie Pennywise und co. mithalten. Mir kommt es immer so vor, als ob Face to Face unbekannter sind, als sie das sein sollten (und vor allem unbekannter als die meisten andere Punkrock-Bands, die es schon so lange gibt), daher empfehle ich sie an dieser Stelle noch mal jedem, der auf guten alten Punkrock steht. Im Vorfeld hatten sich viele Leute diese Band gewünscht, so sahnt sie auch immer fetten Applaus ab und dürfte sicherlich einiges an Merch vertickt haben. So ein paar Reunion-Shows auf dem Groezrock sind also sicherlich lohnenswert!



Um kurz vor halb eins ist es dann soweit und der vorgeschobene Headliner dieses Abends, Hatebreed mussten ja bekanntlich absagen, betritt gut gelaunt die Bühne. Auf den frischen Skapunk von den Mighty Mighty Bosstones habe ich nach dieser anstrengenden Anreise sowieso mehr Bock. Als ich den riesigen Banner mit dem Bulldoggen Motiv auf der Bühne sehe und Dicky Barett rotzig wie eh und je die ersten Lyrics ins Mikro schreit beginnt die Menge bereits, zu toben. Auch der Ersatzheadliner hat einige Leute vor die Mainstage bringen können. Der Frust über die zahlreichen Absagen wird mit den lässigen Offbeats der Bosstones weggeblasen. Alle zeigen sich tanzfreudig. Dicky Barett und seine Mannen sind traditionell in schwarz gekleidet und der zusätzliche Tänzer auf der Bühne schafft es das Publikum anzuheizen. Gespielt werden alle Hits, ob „Where’d you go“ oder „Royal Oil“ . Das zum großen Teil ältere Publikum zeigt sich textsicher. Als letzter Song ist dann wie schon erwartet „The Impression that I get“ an der Reihe. Die Bosstones können mit ihrem Mix aus traditionellem Ska mit Punkeinfluss wie im Vorfeld gedacht überzeugen. Ich kann mir für heute Abend kaum einen besseren Headliner vorstellen und verlasse vollkommen zufrieden das Festivalgelände.

Nach den ganzen Bands wird natürlich auf dem Zeltplatz noch weitergemacht, ich besuche deswegen mal die neue Innovation 2010: Die Zeltplatz-Bar. Diese ist allerdings so unterirdisch schlecht besucht (es gibt allerdings auch ein peinlich kleines Getränkeangebot!), dass ich mich gleich wieder entferne. Eigentlich schade. Könnte man besser umsetzen.


Samstag

Warum spielen die besten Bands auf dem Groezrock eigentlich generell samstags morgens?
Ist aber nicht weiter schlimm, denn schlafen kann man auf Festivals erfahrungsgemäß ja eh nicht länger als maximal acht Uhr. So kann man noch gediegen ein bisschen der Körperhygiene nachgehen und ein paar Einkäufe im nahegelegenen Spar-Markt (der sicherlich beim Groezrock immer krasse Einnahmen macht) tätigen, bevor es aufs Festival-Gelände geht.

Eine australische Band betritt heute als erstes die Eastpak-Stage. Es handelt sich um die 50 Lions aus Byron Bay und ich bezweifle, dass viele wissen, dass der Sänger dieser Band der Bruder des Parkway-Drive-Sängers Winston McCall ist. So ist es relativ leer, was mir entgegen kommt. Wer sich ein bisschen mit der australischen Hardcore-Szene beschäftigt, weiß nämlich, dass es dort mehr zu sehen gibt als Parkway Drive und die Deez Nuts. Ich bin jedenfalls froh, dass das Tourpaket um Parkway Drive nicht aufgrund des Vulkans auch noch absagen musste (dann wäre das Groezrock aber auch vor echte Probleme gestellt worden!) und schaue mir das Set noch leicht müde an. Begonnen wird mit „To The Test“, dem Opener der besten Platte der Band namens Time is The Enemy. Die ersten affigen Mosher finden natürlich direkt Gefallen an der Musik und so eröffnet sich ein ziemlich breiter Moshpit, in dem auch reichlich getwosteppt wird. 50 Lions präsentieren eine relativ ausgewogene Mischung aus ihrem neuen Album und dem eben angesprochenen Vorgänger-Album, es wird aber sogar ein Song von der Split mit Down to Nothing präsentiert: „The Realness“. Zunächst war ich sehr skeptisch bezüglich des neuen Albums, denn die Band ist ganz klar einen Schritt in Richtung gewaltigerer, moshigerer, prolligerer Sound gegangen, vor allem was die Stimme von Oscar angeht. Live zünden Songs wie „For the Worst“ oder „Life Expires“ aber sehr gut, was mich dazu veranlasst, der Platte noch mal eine Chance zu geben. Bei „Locrian“ verpassen die Emo-Kiddies und wasserstoffblonden 14-Jährigen dann auch den ersten Auftritt ihres Helden Winston McCall, der wie auf dem Album die Guestvocals übernimmt. Mir gefällt das super und ich bin mit dem Auftritt, der nicht nur perfekt begonnen wurde, sondern mit „Time Is The Enemy“ auch das perfekte Ende nimmt, überglücklich.

Nach 20 Minuten Umbaupause ist dann die nächste Band aus diesem Tourpaket in den Startlöchern, die Warriors. Lange habe ich diese Jungs jetzt nicht mehr gesehen, daher bin ich sehr gespannt. In meinen Augen ist diese Band eine der experimentellsten Hardcore-Bands die es je gab, vor allem was die Riffs betrifft. Heute bemerke ich, dass sie das auch vom Aussehen her ist, denn die Band hat wohl einen neuen Bassisten, der ebenso eigen aussieht wie die beiden Gitarristen Charlie (hat was von einem Mexikaner) und Javier (den man sich auch im Gedächtnis behalten kann). Aber um auf die Musik zu sprechen zu kommen: Das Set basiert, leider meiner Meinung nach wie eh und je auf vor allem alten Songs von „War Is Hell“. So werden zum Beispiel „Transistor“, „The Cure“, „Slings and Arrows“ und „Ripped to Bone“ gespielt. Von der neusten Platte der Band wird nur „Genuine Sense of Outrage“, also der Titeltrack und der Übersong „New Sun Rising“, für welchen die Band jetzt auch Shirts angefertigt hat, gespielt. Dazu kommen noch wenige Lieder von dem Album Beyond the Noise, nämlich „I Won’t“ und „…And Yet They Say“. Alles in allem bin ich mit dieser Songauswahl sehr unzufrieden, was aber bei den Warriors leider nichts Neues ist. Die Leute im Moshpit wird es gefreut haben, da die alten Songs der Band mit Sicherheit die fettesten Gelegenheiten zum um-sich-schlagen bieten. Ich denke aber, die ganze Größe der Band zeigt sich erst auf den neueren beiden Platten. Da fällt mir ein: Genuine Sense of Outrage kam 2007 raus. Die Band könnte sich also ruhig mal an ein neues Output setzen! Sound ist wie auch schon bei den 50 Lions ziemlich gut.

Auf kaum eine Band hatte ich mich im Vorfeld mehr gefreut als auf Defeater aus Boston, denn diesen Fünfer hatte ich noch nie vorher gesehen. Also bin ich pünktlich um zwanzig nach eins an der Etnies-Stage, um mich an den Sing-A-Longs zu beteiligen. „The Red, White and Blues“ erklingt und sofort sind alle aus dem Häuschen, ähnlich wie bei This Is Hell gestern, wo Sänger Derek ja auch schon an Mikrofon war. Mir wird aber direkt bewusst, wie schrecklich der Sound ist, vor allem wenn man direkt vor der Bühne steht, wie ich das die ganze Zeit tat. Anhand der spielerischen Leistung der melodischen Hardcore-Hoffnung wird auch klar, dass die Monitore wohl auch nicht all zu viel hergeben, Defeater spielt nämlich regelrecht aneinander vorbei (an manchen Stellen), was bei den abenteuerlichen Songstrukturen der Band aber auch kein all zu großes Wunder ist. Trotz dieser Defizite (die den meisten eventuell auch gar nicht so krass auffallen wie mir) geht sehr viel ab und kein Song vergeht ohne dutzende von Stagedivern! Nichts desto trotz finden auch ruhige Passagen ihren Weg in die Performance, so zum Beispiel bei „A Wound and a Scar“ oder dem grandiosen „Cowardice“. Jeder in der ersten Reihe könnte vermutlich den Job des Sängers am heutigen Mittag übernehmen und so ergibt sich eine sehr familiäre Situation, die auch den Akteuren auf der Bühne gefallen dürfte. Es werden etwas mehr Songs von dem Album „Travels“ als von der neuen EP gespielt, aber an Sachen wie „Blessed Burden“, „Everything Went Quiet“ oder „Prophet in Plain Cloathes“ hat ja schließlich auch jeder seinen Spaß. Die Band entschuldigt sich für das verhältnismässig kurze Set, beteuert dass sie überglücklich ist, es nach Europa geschafft zu haben und spielt dann als Zugabe „The City by Dawn“. Nach etwa einer Minute ereignet sich dann entweder ein Stromausfall (was ich gelesen habe aber weniger glaube) oder Defeater wird schlichtweg der Saft abgedreht. Ich für meinen Teil habe sowas noch nie erlebt. Seltsames Ende des Sets. Diese Band muss ich mir definitiv nochmal in einigen Clubs anschauen, der verhältnismässig schlechte Auftritt war nicht ihre Schuld.



Die Main-Stage wird kurze Zeit später von den überaus sympathischen Strike Anywhere beschallt. „Dead boohooohooys!“ – „Hand of Glory“ ist der erste Song und direkt geht’s rund. Die riesige Menschenmasse presst sich hin und her und auch Thomas und seine Mannen kommen direkt ins Schwitzen. Anhand der Resonanz der Fans hätten Strike Anywhere locker auch etwas später spielen können, denn die ist großartig. Der Sound ist, wie auch gestern auf der Mainstage fast makellos und so erfreut man sich an „Blaze“, „We Amplify“, „Aluminium Union“, „Sedition“ und vielen weiteren Hits von fast allen CD’s. Auch „Invisible Colony“, der erste Song vom neuen Album (das den alten eigentlich in nichts nachsteht) hat sich zu einer echten Hymne gemausert und schmückt das Set gut aus.



Der Auftritt von A Wilhelm Scream aus New Bedford verläuft ähnlich: Genialer Punkrock, großes Publikum, gute Resonanz, gut einstudierte Live-Performance, guter Sound. Neben Krachern der älteren Generation à la „The Rip“ oder „Killing It“ finden neuere, gut gelauntere Songs wie „The Horse“ oder „I Wipe My Ass With Showbiz“ auch guten Anklang in Meerhout. Die Band war 2006 und 2008 schon Teil des Groezrock, ist also, genau wie auch Strike Anywhere nicht nur zu einer festen Institution im Punkrock allgemein, sondern auch zu einer festen Institution geworden, wenn es um den Groezrock geht, ich hatte ihren Auftritt 2008 (bei sommerlicher Hitze und mit Wasser-Sprenklern) aber wesentlich besser in Erinnerung, vielleicht weil ich A Wilhelm Scream inzwischen schon so oft gesehen habe. Dennoch bringt es immer wieder meine Kinnlade zum runterfallen, wie diese Band ihre Instrumente hoch und runtershreddet. Absolut unglaublich, und das ist auch bei den neuen Songs der Selftitled EP, die Ende letzten Jahres erschienen ist, nicht anders. Was Gitarrenarbeit angeht sind die Mannen um Nuno Pereira schwer in die Knie zu kriegen, auch nicht von Metal-Giganten wie Despised Icon oder Parkway Drive. Mit dem Unterschied, das A Wilhelm Scream eben auch locker älteres Publikum, welches sich dem Punkrock nach wie vor zugehörig füllt – auch wenn er tot ist – auf ihre Seite ziehen können.

Die Bouncing Souls sind dann der dritte Halt am Punkrock-Nachmittag. Die schon etwas älteren Herren spielten ebenfalls auch 2008 auf, damals freudigerweise als Ersatz für Good Charlotte, womit sie sich sicher noch mal einige neue Fans gemacht hat. Wenn ich mir den Sänger anschaue, überkommt mich irgendwie immer das Gefühl, er geht generell nur unter Drogeneinfluss auf die Bühne. Was natürlich nichts daran ändert, dass Songs wie „Gone“, „Lean on Sheena“, „True Believers“ oder „Hopeless Romantic“ einfach nach all den Jahren immer noch Spaß machen und junge sowie alte Fans einen. Grinsend singen die meisten mit. Auch brandneue Songs wie „Sing Along Forever“ sind absolut hörenswert, die Bouncing Souls sind also nach mehr als 20 Jahren immer noch eine interessante Band in meinen Augen.

Eine Stunde Rise and Fall? Lecker. So steht es zumindest auf dem Plan. Die belgische Hardcore-Band hat sicherlich einen immensen Heimvorteil, der die Etnies-Stage jetzt in einen Hexenkessel verwandeln wird. Und so ist es: Mit den Auftritten der amerikanischen Bands (This Is Hell und Defeater) kann die Deathwish-Maschine mit links mithalten. Speziell die Songs des neuen Albums „Our Circle is Vicous“ packen mich live so richtig. Diese sind zwar ruhiger, dafür aber auch wohl überlegter. Einigen gefällt das sicher nicht, mir dafür umso mehr, besonders wenn zu den atemberaubenden Songstrukturen des Pedalomaniacs Cedric dann noch die ebenso atemberaubende Tanzleistung des Sängers Björn kommt, beispielsweise bei „Built on Graves“ oder „To The Bottom“, bei denen gitarrenmässig unglaublich viel Abwechslung in wenigen Minuten geboten wird. „In Circles“ ist jedoch sicherlich der erwähnenswerteste Song der Platte, den können die ersten Reihen im Schlaf auswendig – und das muss auch so. „Live in Sin“ und „The Noose“ bringen die obligatorische Brutalität ins Set, hier kann sich der Moshpit ordentlich auslassen. Höhepunkt werden geschickt ans Ende des Sets gesetzt: Das unverkennbar wütende „Bottom Feeder“ zerlegt fast die Bühne, so wie die Kids drüber stampfen. „Forked Tongues“ legt dann als letzter Titel nochmal einen oben drauf. Erstaunlicher Auftritt, jedoch leider nicht mal 40 Minuten lang anstatt der angekündigten Stunde. Finde ich nicht so gut.



Zwar bin ich ganz klar näher am Hardcore-Lager, aber Born From Pain, die man ohnehin schon in Anzahlen des zweistelligen Bereichs live gesehen hat, lässt man mal für Sum 41 sausen. Wann sonst soll ich mir diese Band angucken, wenn nicht jetzt? Viele sehen das genau so und so ist der Ansturm vor der Mainstage auf seinem vorläufigen Höhepunkt. Den Anfang macht der „Hell Song“ – ist das eigentlich absichtlich ein Nickelback-Ripoff? Hört sich live ja noch mehr nach „How You Remind Me“ an. Daran schließt sich eine relativ dürftige Show an, die sehr den Anschein erweckt, als hätten Sum 41 irgendetwas zu vertuschen oder Zeit zu gewinnen – so sucht Sänger Deryck etliche Fans aus dem Publikum aus, um den Auftritt von der Bühne aus zu sehen und die Songs werden an den unnötigsten Stellen ellenlang gezogen. Glücklicherweise wird aber jeder Hit gespielt: „Fat Lip“, „In too Deep“, „Still Waiting“, „We’re all to Blame“ und so weiter und so fort. Mir hat jedoch „Pieces“ gefehlt, um mit der Setlist endgültig zufrieden zu sein. Sum 41 hätten ihren Job im Gesamtbild sicherlich etwas besser machen können, geben aber eine solide Show auf dem Groezrock Festival 2010 ab.

Den letzten Song von Born From Pain kriege ich noch mit, als ich dort ein paar Kumpels abhole. Er ist „Stop at Nothing“. Es ist ziemlich staubig und ich sehe dass auch die Niederländer auf der dritten Stage ordentlich abgeräumt haben. Staub aufgewirbelt im wahrsten Sinne des Wortes.




Jetzt sehe ich mich vor einige Probleme gestellt. Denn absolut jede Band ist meiner Meinung nach sehenswert, die jetzt noch drankommt. Ich fasse also schweren Herzens den Entschluss, AFI zu gucken und jede Band danach ein bisschen. Dass sich die Wahl für AFI und gegen Good Clean Fun als die goldrichtige erweist, wird mir relativ schnell klar. Denn die Show der ehemaligen Punkrock-Band haut mich einfach von den Socken. Die Stimme von Davey Havok kommt bei dem perfekten Sound der Mainstage (endlich mal, die letzten Jahre war das anders!) super raus, sein Gesang ist einfach sehr eigen und geschult, mit der Gewalt die er in seine Stimme legen kann, könnte er außerdem auch für jede Metal-Band fronten. Die Songauswahl ist auch super, auch alte Fans wie ich kommen auf ihre Kosten, denn es werden nicht nur Songs gespielt, die nach der MTV-Zeit kamen. Vor allem das Album Sing the Sorrow ist sehr stark vertreten. Früh wird „Girls Not Grey“ gespielt, was dafür sorgt, dass man von Anfang an bei der Sache ist. Später folgen auch „Death of Seasons“, „The Leaving Song pt. 2” und „Silver and Cold“. Für Fans noch älterer Stunde gibt es Lieder wie „Perfect Fit“ oder das perfekte „Days of the Phoenix“. Auch modernere AFI-Songs werden gespielt, so zum Beispiel „Medicate“ und „Love Like Winter“. Den Abschluss bildet natürlich „Miss Murder“, welches einige Leute aus dem Fernsehen kennen dürften, denn MTV erreicht ja bekanntlich nicht wenige Leute und einige Groezrock-Besucher dürften dort ja auch mal durchzappen. Unter dem Strich muss ich sagen, dass mir der Auftritt von AFI tatsächlich am besten von allen auf dem Groezrock 2010 gefallen hat, und damit hätte ich vorher sicherlich nicht gerechnet!



Nun beginnt ein hektischer Abend. Good Clean Fun schenke ich mir komplett. Was sich zu Parkway Drive an der zweiten Bühne versammelt hat, ist UNGLAUBLICH. Ohne Worte einfach. Es war eigentlich irgendwie klar, vor allem wenn man sich anguckt, welche Bandshirts der durchschnittliche Groezrock-Besucher so trägt, aber dass das Zelt randvoll ist und auch drum herum noch hunderte von Leuten stehen, das finde ich schon sehr krass. Gibt wohl wirklich noch Leute die die junge, aufstrebende Band aus Byron Bay noch nicht gesehen haben. Angesichts dieser Umstände und der Tatsache, dass ich sie wirklich oft genug gesehen habe, gebe ich mir die australische Nr. 1 im Metalcore nur solange, bis Pennywise anfangen. Unter den ersten Songs sind: „Boneyards“, „Idols and Anchors“, „Mutiny“, „Smoke Emi f You Go Em“ und „Carrion“. Im Gegensatz zu den Auftritten, die ich 2009 von Parkway Drive gesehen habe, ist das hier wieder eine echte Steigerung. Von der Publikumsbeteiligung muss ich glaube gar nicht anfangen zu sprechen. Da ja im Sommer das neue Album „Deep Blue“ herauskommen wird, wurden wahrscheinlich auch neue Songs gespielt. Ich bin wirklich gespannt, wo diese Band in ein paar Jahren steht und verweise hiermit auf das Interview, das ich mit Luke (Gitarre) gemacht habe.



Pennywise. Die habe ich wirklich noch nie gesehen. Und das werde ich auch nie. Denn was da auf die Bühne tritt, mit den Worten „Hi, we are Pennywise from California“, ist nicht Pennywise. Das ist leider eher eine Schande. In meinen Augen und Ohren zumindest. Mag sein, dass Zoli Teglas singen kann, aber mein Fall waren Ignite noch nie und wenn man eingefleischter Pennywise-Fan ist, passt diese Stimme einfach gar nicht zu den rotzigen Skatepunk-Hymnen. So wirkt der Ungar zwar bemüht, aber für mich springt da nicht mal ansatzweise ein Funke, und das trotz starker Songs wie „Society“, „Fuck Authority“ oder „Same Old Story“. Schade, dass ich mir das Ganze nie in der Ursprungsformation angucken konnte, das hätte mir sicherlich wesentlich eher gefallen, denn instrumentell ist alles in Ordnung und der Sound nach wie vor gut. So bin ich eher enttäuscht und gehe mit getrübter Laune rüber zu H2O.



Und dann merke ich, dass ich ein Volltrottel bin. Das komplette Zelt singt mit, als ich zu „Fairweather Friend“ anstapfe. Etliche Leute auf der Bühne und in der Luft. Das stellt definitiv die anderen Hardcore-Bands auf der dritten Stage in den Schatten. Ich hätte es wissen sollen. Barrieren sind immer ein Nachteil. Und H2O auf einem Riesen-Festival ohne Absperrung, wann sieht man sowas schon mal? Ich bin auch nur ein Mensch. „Guilty by Association“ und einige weitere Hits pflastern den Weg zum großen Finale. Viel mitbekommen habe ich dank meiner Fehlentscheidung ja leider nicht, aber ich bin mir 100% sicher, dass „What happened?“ die Party des Festivals ist. Wer sich davon überzeugen möchte, der sollte mal bei Youtube reinschauen. Diesen leider viel zu wahren Song (und ja, er hat sich auch an diesem Wochenende wieder zu tausenden bewahrheitet) kann jeder mitsingen. Und das tut man gerne. Die ganze Bühne ist voll mit Leuten, die Stagedives auf der Stage machen. Es wundert einen wirklich wie die Gitarristen noch in der Lage sind angesichts dieser überfüllten Bühne zu spielen, aber es funktioniert. Gemessen daran, wieviele meiner Leute mir nach der Show davon erzählten, wie großartig diese war, hätte ich mit AFI und dann H2O wohl den traumhaften Fahrplan gehabt. Aber man kann nicht alles haben. Denselben Fehler habe ich schließlich schon letztes Jahr gemacht, als ich Death Before Dishonor auf der Etnies Stage habe sausen lassen.

Als ich zurück in Richtung Mainstage schaue, sehe ich dass Pennywise gerade als letzten Song die „Bro Hymn“ spielen. Das Resultat ist klar: Auch hier ist die Bühne voller Menschen auf engem Haufen. Jahrelang wird und wurde dieser Song auf allen Campingplätzen dieser Welt gegröhlt – schön wenn manche Leute das jetzt auch mal in passenderen Momenten tun können als wenn man um halb vier nachts versucht, endlich davon abzusehen, dass einem das Gesicht eingefroren ist und einschlafen will.



H2O und AFI können nachfolgend dann wohl eher nicht mehr getoppt werden, auch wenn die Liveshow von Story of the Year zugegebenermaßen schon ziemlich spektakulär ist. Akrobatische Meisterleisungen und trotzdem ist jede Note da wo sie sein sollten. Am meisten abgefeiert werden definitiv Songs von Page Avenue, sprich „And The Hero Will Drown“, „In the Shadows“ und das alles in den Schatten stellende „Until the Day I Die“. Das ist allerdings auch die einzige Platte, mit der ich mich von dieser Band wirklich beschäftigt habe. Neue Songs mit Namen wie „The Ghost of You and I“ oder „Antidote“ oder “Our Time Is Now” höre ich heute zum ersten Mal. Sie gehen aber ganz gut ins Ohr und auch der Sound ist Mainstage-würdig. Gegenüber Parkway Drive hat sich das Zelt aber ganz deutlich geleert, was Story of the Year hoffentlich nicht persönlich nehmen.



Headliner: Bad Religion. Diesen Auftritt gucke ich mir nur aus der Ferne, dann aus dem Vorbeigehen an. 2008 war mir während dem Set einfach zu langweilig geworden, als dass ich mir das nochmal eine Stunde ansehen müsste. Musikalisch ist nichts auszusetzen, so werden unzählig viele Klassiker gespielt. „You“ und „Generator“ sind da sicherlich zu nennen. Ich gehe meinen Weg weiter Richtung Zeltplatz, von wo aus man den restlichen Auftritt auch noch ziemlich gut wahrnehmen kann.

Nach einer zum Glück wieder etwas wärmeren Nacht als der vorherigen geht es dann am Sonntagmorgen wieder Richtung Heimat. Man freut sich auf sein eigenes Bett und eine Dusche, die den ganzen Dreck und Staub abwäscht. Was während diesem Wochenende im Taschentuch gelandet ist, wenn man sich die Nase geputzt hat, war echt nicht mehr feierlich. Groezrock 2011 – bei gleichem Preis, ähnlich gutem Line-Up und akzeptablem Wetter wie 2010 definitiv wieder. Rancid, die ja im Gespräch sind, wären doch definitiv mal ein guter Anfang.