Für den Raum Karlsruhe wird an diesem Abend eine Unwetterwarnung rausgegeben. Und während draußen die Temperaturen am frühen Abend deutlich absinken und es windig und regnerisch wird, wird es auch in der Karlsruher Stadtmitte stürmisch. Mit NORMA JEAN und EMPLOYED TO SERVE stehen zwei Bands auf der Bühne, die ordentlich Gas geben wollen. Der Funke springt bei beiden Acts schnell aufs Publikum über.
Doch der Reihe nach: Um 20 Uhr machen EMPLOYED TO SERVE den Anfang. Der britische Fünfer erweist sich als guter und galliger Aufheizer, der in der noch übersichtlich gefüllten Stadtmitte das Kommando übernimmt. Frontfrau Justine Jones tigert mit viel Präsenz über die kleine Bühne, erinnert mit ihren giftigen Shouts oft an WALLS OF JERICHOS Candace Puopolo. Die junge Band klingt zornig und schafft mit Tempowechseln, Breaks, Blast-Beats und dissonanten Riffs einen kompakten Sound. Neben Songs der ersten beiden Alben, mischt sich auch ein neuer Song in die Setlist – im nächsten Monat erscheint die dritte Platte der Band. „Hat uns jemand schon einmal vorher live gesehen?“, fragt Jones ins Publikum. Und tatsächlich gehen einige Arme nach oben. Schon jetzt ist klar, es wird warm werden in der süßen kleinen Stadtmitte. Die Band trägt unisono eine Jacke aus der eigenen Merchandise-Kollektion. Bei den schwülen Temperaturen kann man als Zuschauer nur hoffen, dass keiner der Musiker mit Hitzschlag umkippt. Doch alles geht gut, nach 40 Minuten gibt es für ein gelungenes und brachiales Set viel Applaus vom Publikum.
Ob es an dem Termin unter der Woche liegt oder am parallel stattfindenden DFB-Pokal Halbfinale? So richtig füllt sich auch bei NORMA JEAN die Stadtmitte nicht. Nur mehr als 100 Fans sorgen vor der Bühne dann aber doch für gute Stimmung und später auch für den ein oder anderen Moshpit. Die US-Amerikaner sind routiniert und seit Gründung schon mehr als 20 Jahre im Geschäft. Die Band hat in dieser Zeit eine Wandlung vollzogen, leider oft auch zu einem geplant mainstreamigen Sound. Der Mathcore aus den Anfangstagen? Ist inzwischen längst passé. Auf den späteren Alben regiert der Metalcore. Das Konzept ist meistens ähnlich, die Songs wie am Reißbrett entworfen: melodisch-eingängige Refrains treffen auf wuchtige Riffs und hallende Gitarrenmelodien.
Mit „I, The Planet“, „Everyone Talking Over Everyone Else“ und „Synthetic Sun“ startet die Band dann auch mit drei Songs aus dem aktuellen Album „Polar Similar“. Für NORMA JEAN ist es der letzte Auftritt in Deutschland bei ihrer derzeitigen Europa-Tour, am Wochenende gehts für die Jungs nach Russland. Frontmann Cory Brandan Putman wirft immer wieder die Arme nach oben, wickelt seine Faust um das Mikrofonkabel, lobt das Karlsruher Publikum für seine Mitsingkünste. Das eigentlich über zehnminütige „Disconnecktie: The Faithful Vampire“ wird abgekürzt, gefolgt vom treibend-polternden „The Anthem of the Angry Brides“. Hart kann die Truppe allerdings noch immer, wie im wild galoppierenden „If You Got It At Five, You Got It At Fifty“.
NORMA JEAN geben Gas, spielen sich gekonnt durch ihre vor allem neueren Alben. So richtig gut wird das Konzert aber erst gegen Ende, denn dann kriegt die Setlist doch noch einmal die Kurve zu alten Gefilden. „The End of all Things will be Televised“ wird kurzerhand mit dem krachenden „I Used to Hate Cell Phones But Now I Hate Car Accidents“ vom Debütalbum „Bless the Martyr and Kiss the Child“ vermengt. Als Zugabe wartet der Übersong „Memphis Will Be Laid to Waste“ bei dem Frontmann Cory Brandan Putman sich nicht nur mit Mikroständer ins Publikum wagt, sondern mit Justine Jones von EMPLOYED TO SERVE auch im Duett shoutet. Chapeau!
Nach 14 Songs in 70 Minuten gibt es vom Sänger für einige glückliche Fans eine schweißnasse Umarmung. Wohin die Reise der Band gehen wird? Bleibt spannend. Im März waren NORMA JEAN im Studio, ein neues achtes Album soll noch in diesem Jahr erscheinen. Man wünscht der Band ein wenig den Mut ihre vorhandenen sicheren Pfade wieder mal ein wenig zu verlassen. Fortsetzung folgt.
Setlist: Norma Jean
1. I, The Planet
2. Everyone Talking over Everyone Else
3. Synthetic Sun
4. Funeral Singer
5. Disconnecktie: The Faithful Vampire
6. The Anthem of the Angry Brides
7. 1,000,000 Watts
8. Sword in Mouth, Fire Eyes
9. Wrongdoers
10. If You Got It at Five, You Got It at Fifty
11. Blueprints for Future Homes
12. The End of All Things Will Be Televised / I Used to Hate Cell Phones But Now I Hate Car Accidents
13. Deathbed Atheist
Zugabe:
14. Memphis Will Be Laid to Waste