25.07.2010: Converge, Gaza, Kvelertak, Kylesa - Matrix, Bochum

25.07.2010
 

 

An einem regnerischen Sonntag fanden sich allerhand Gestalten in die gemütliche Matrix in Bochum ein, um... fuck, nein! Keine Standardeinleitung für einen sowas-von-nicht-Standard-Abend! CONVERGE auf Clubtour wären ja schon genug der Freude, doch mit KYLESA, GAZA und nicht zuletzt KVELERTAK hat man ein derartig spannendes und erfrischendes Lineup am Start, dass... keine Ahnung! Jedenfalls: Großartig. Und so ist’s auch geworden.



Neulich noch auf dem Promotisch, heute schon zufällig Support einer schon länger geplanten Show: KVELERTAK machten und machen schon auf ihrem selbstbetitelten Debüt eine gute Figur, und auch als Opener der heutigen Show wissen sie zu überzeugen. Mit ihren norwegischen Texten und ihren Mix aus TURBONEGRO und Black Metal sind sie zwar einer DER Exoten des Abends, doch dank eingängigen und sehr tanzbaren Riffs kann man (oder: ich) gar nicht anders als sich von Anfang an dazu zu bewegen. Nicht alle sind so bewegungsfreudig, aber KVELERTAK haben halt den leidigen Opening-Slot – und dafür, dass es noch so früh ist, ging schon einiges.

Dass das mit den Opening-Slot ein leidiges Ding ist merkte man der Band auch nicht an: Bewegung und Spielfreude brachte jeder der Band mit, doch allen voran ihr singender Johan-Hegg-Verschnitt kam sympathisch rüber. Mit Plautze und Bart könnte er mal das Aushängeschild der Band werden. Dass sie musikalisch das Zeug haben mal an einen Punkt zu geraten, an dem man überhaupt von einem Aushängeschild sprechen kann sei dabei außer Frage gestellt, schließlich wissen KVELERTAK sowohl in Sachen Eingängigkeit, aber eben auch Tiefgang zu überzeugen. Besonders angetan haben es mir dabei diese paar etwas ausschweifenderen, ordentlich pathetischen und einfach nur großartigen Riffs, die vor allem Live so ihre Wirkung erzielen, und KVELERTAK für mich erst zu etwas mehr als einfach etwas kurzweiligen Spaß machen. Nochmal: Tolle Band, tolle Show, toller Opener!



Es überrascht, dass ausgerechnet GAZA in ihrer zwar chaotischen, aber in erster Linie vor allem atmosphärischen musikalischen Darbietung wie eine Vertonung zwischen Himmel und Hölle klingen, hieß doch Album Nummer 1 noch ganz plakativ „I Don’t Care Where I Go When I Die“. Doch es scheint wohl gerade diese, ähm, Unentschlossenheit zu sein, welche bei GAZA den Unterschied macht. Wie auch immer: GAZA sorgten auch Live heute wie auf Platte für Verstörung, offene Münder und Zerstörung. Das Set – allen voran Material der letzten beiden Platten, aber auch einen Song von „ganz früher“ abdeckend – bestach durch eine Atmosphäre, für die das Wort „intensiv“ wohl verdammt noch mal erfunden wurde. Highlights: Das schon auf Platte riesige „Hospital Fat Bags“, der dazu voll in seiner Welt steckende Sänger, der kurz vor „dem großen Part“ jenes Songs (ich hoffe ihr wisst, welchen ich meine) von der Bühne springt und wie ein Prophet vom Ende der Welt predigt, dazu ein höllisch kaputtes „He Is Never Coming Back“ oder ein verdammt schweres „Calf“, welches mit seinem dissonanten Riffing einen förmlich die Schlinge um den Hals legt. Groß auch, wie der Sänger nach „Hospital Fat Bags“ (=jede jede Menge Zerstörung) einfach mal gefühlte Minuten bei absoluter Stille einfach nur im Kreis auf der Bühne spaziert und wie (grotesk as fuck) ein Tigerentchen sein Mikro hinter sich her am Boden entlang zieht. Dass GAZA – Sadisten, wie sie sind - eine solche Stille irgendwann aber wieder mit apokalyptischen Höllengepolter brechen müssen, liegt auf der Hand...



Bei KVELERTAK hätte ich am liebsten die Formulierung DIE Exoten des Abends gewählt, aber das wäre nur die halbe Wahrheit gewesen. KYLESA – da muss man gar nicht lange drüber reden – sind halt anders als der übliche Shit. Und dafür muss man sie nicht mal gehört, dafür aber einfach auf der Bühne gesehen haben: Zwei verdammte Drumkits! Das bringen ja sonst nur MANOWAR. Doch KYLESA haben noch mehr: Eine (leider an diesem Abend in Punkto Sound etwas sehr im Ohr piepende, da verdammt hoch klingende) Sängerin, zwei ebenfalls schlichtweg cool klingende Sänger (Randnotiz: Die bedienen alle dabei noch 4-6 Saiten)und jede Menge Effektgeräte. Am Ende klingt das psychedelisch, druckvoll, aber vor allem mächtig. Besonders – gerade Live – gefallen die Drum-Eskapaden der beiden Herren der Kessel, welche in ihrer rhythmischen Wucht mich vor allen an die ebenso unkonventionellen (und großartigen!) HEALTH erinnern – auch wenn der Typ bei denen das ja alleine macht. Um es aber kurz zu fassen: KYLESA lieferten ein phänomenales Set, welches vor allem in Punkto Atmosphäre Freude bereitete.



Und nun: Die Band des Konsens. Doch es kommt einen wie eine Ewigkeit vor, wie lange man auf sie warten musste. Nicht weil der Support etwa schlecht gewesen wäre – eher im Gegenteil. Viel mehr kommt es einen aber so vor als hätte man einfach so viel schon erlebt. Jeder dieser Bands hätte bisher auch alleine als eigenständiger Headliner für einen Abend funktioniert, an dem man sich lange erinnert gehabt hätte.

Doch nun eben CONVERGE. Jakob Bannon legt bereits gefühlte 10 km gehend auf der Bühne zurück, bevor die Show überhaupt losgegangen ist. Zwischendurch blickt er unter seiner über die Stirn gehenden Kapuze auf die gespannte Audienz, und langsam wird’s auch einigermaßen voll, nachdem die vorigen Bands noch vor durchaus überschaubaren Reihen spielen durften. Wie aus dem nichts springt er wieder auf, reißt das Mikro in seine Hand, rattert schnell einer dieser üblichen Begrüßungsfloskeln runter und schon ist man wieder im Getümmel, im Getümmel zwischen „Hits“ wie „No Heroes“, „Homewrecker“ oder „Lonewolves“. Kurz und schmerzlos sollte die Devise heißen, CONVERGE spielten schon mal 3-4 (natürlich kürzere) Nummern am Stück ohne Unterbrechung hintereinander und gerade das aggressive Material der „Axe To Fall“ – trotz eines eher schleppenden „Worms Will Feed“ – fanden Einzug. Kein „Jane Doe“, kein „Phoenix In Flight“. Doch „kurz“ wäre schon fast wieder gelogen, denn CONVERGE haben sicher ne gute Dreiviertelstunde gespielt – und jeder, der CONVERGE kennt kann sich denken, dass das in die Gelenke geht. Aber das war schon okay so, schließlich haben CONVERGE so viel Power im Blut, dass man dann doch irgendwie immer konnte. Vor allem die Drums wussten nach den schon meisterhaften KYLESA wieder zu überzeugen, und plötzlich kam mir wieder eine Zeile aus Kollege Renés Review zur letzten CONVERGE in den Sinn: „Wer nach dem Konsum dieses Albums immer noch den abgedroschenen 'Jane Doe'-Vergleich bemüht, der soll sich für mindestens einen Song lang auf Ben Kollers Drumkit nageln lassen“.

Dass Mr. Netwon und Ballou natürlich auch wieder eine gute Figur machten steht außer Frage, aber wir wollen mal nicht zu sehr in vom Fanboy-Sein geschwängerten Lobeshymnen ausarten. Nur kurz: Alle vier Chaoten waren wieder sowohl sympathisch as fuck als auch musikalisch über allen thronend. Und da war es auch wieder okay, dass sie bei so einem Lineup sich Headliner nennen dürften. CONVERGE sind und bleiben halt einfach die Band des Konsens; die Band, die machen kann was sie will – und die Leute feiern’s. Da war auch völlig egal was da für Songs wieder gespielt wurden, denn klar: Jeder (auch ich) hätte da sicher ne andere Setlist zusammengestellt, doch CONVERGE machen halt was sie wollen, machen was ihnen Spaß macht, und haben dann eben auch Spaß – und das Publikum glücklicherweise mit ihnen. Und wenn dann „Last Lights“ mit liebgewonnenen, lebensbejahenden Zeilen noch mal zum Heiser werden aufruft, ja dann frisst man dieser Band endgültig aus der Hand. Wahnsinnig toller Abend.