Zur großen Sause ist offizieller Festivalstart in diesem Jahr bereits am Donnerstag. Zur Eröffnung dieser Feier konnte man sich keine Besseren einladen, als BERND BEGEMANN und DIE STERNE. Als spezielle Partygäste sind in diesem Jahr zusätzlich mehr Mücken als in den vergangenen gekommen. "Die Leute klatschen dieses Jahr keinen Applaus, sie schlagen Mücken tot.", stellt BERND BEGEMANN fest, als im Zelt die Mücken verschreckt auffliegen. Neben den Mücken gibt es direkt zum Einstieg vom Hamburger viel Sex auf der Bühne. In Songform. FRANK SPILKER darf dann auch mal ans Schlagzeug. Bevor DIE STERNE die Bühne entern und stapelweise Coversongs von ihrer 25 Jahre DIE STERNE Platte spielen. Vor der Zeltbühne wird getobt, frenetisch mitgesungen und getanzt. Die SHOUT OUT LOUDS setzen dem Ganzen dann noch die Geburtstagskrone auf. Schwedischer Indiepop. Klassiker, Tanzbein schwingen und so, Konfetti werfen. Fabelhaft! Grundsätzlich könnte man nach diesem Abend wieder nach Hause fahren. Klassischer kann das IMMERGUT FESTIVAL nicht mehr werden. Aber es heißt ja "drei Tage wach" und nicht "ein paar Stunden".
Der zweite Tag startet leider mit einer Absage. Gratulantin RONJA VON RÖNNE kann krankheitsbedingt leider nicht erscheinen. Die Besuchenden nehmen es gelassen, noch ein Eis, ein Kaltgetränk und als die erste Gratulantin JULIEN BAKER auf die kleine Bühne am Birkenhain tritt, schmort man schon in der Sonne. Das Geburtstagsständchen von JULIEN BAKER startet mild, sanft und bohrt sich dann tief bis in die Eingeweide hinein. Herz und so. Dabei tritt sie ein bisschen schüchtern und ohne viele Ansagen vor das Geburtstagskind.
Weil auf einer guten Party die Drogen nicht fehlen dürfen, hat man mit $ICK einen Autoren eingeladen, der davon ganz besonders viel Ahnung hat. Wie das so läuft mit dem Stoff und der Beschaffungskriminalität, gibt er aus seinem Buch mit losem Mundwerk preis. Fragen aus dem Publikum werden belustigt aber artig beantwortet. Doch wer braucht Drogen, wenn einem die Sonne während der Lesung das Hirn wegbrennt? So kann man anschließend gut aufgewärmt die Gehörgänge bei VOODOO JÜRGENS und FRIENDS OF GAS verwöhnen lassen, wenn man denn möchte. Pünktlich zum frickeligen Indie von WAND ist man dann wieder aufnahmefähig und bereit für alles, was die Nacht noch so bringen mag. DIE HÖCHSTE EISENBAHN im Anschluss sind ja auch schon so etwas wie Stammgäste auf dem IMMERGUT FESTIVAL. Eine lange Freundschaft will gepflegt werden und natürlich gratuliert man zum Wiegenfest. Als besondere Geburtstagsüberraschung haben DIE HÖCHSTE EISENBAHN gleich den gesamten BERLINER KNEIPENCHOR zur anständigen Überbringung des Geburtstagspräsentes mitgebracht. Das gibt Soundvolumen.
Wenn auf jeder Party ein paar Gläser zu Bruch gehen, dann sind dafür heute PREOCCUPATIONS zuständig. Brachialster Indierock reißt alles ab. Vor lauter Schreck vergisst man Konfetti zu werfen und ist ganz gebannt, welche wirren Dinge da noch aus ihrem Geburtstagspaket springen werden. Zum Runterkommen und um die Wogen wieder zu glätten, wogen die LOCAL NATIVES dann fast schon sanft anmutend über den Festplatz. Die Scherben wieder zusammengefegt, wieder Konfetti werfen, schwofen, durchatmen.
Was nun kommt, haben wohl einige erwartet. Das Zelt ist bis zum Anschlag gefüllt, als !!! die Bühne betreten. Man muss sich ja auch im Alter fit halten und so ist es nun Zeit für rhythmische Sportgymnastik. Sollte Aerobic im Zuge des 80´er Revivals wieder an die Oberfläche gespült werden, wäre das hier ein guter Einstieg. Und live sind !!! erfahrungsgemäß noch um viele Kilometerlängen besser als aus der Dose. Bewegung überall, hoch die Hände, Wochenende! Super! Super! Super! Eben !!!. Leben sollte genau so sein. Immer!
Auf keiner Geburtstagsparty darf der alte Onkel fehlen, der so vieles im Leben geprägt hat. An diesem Wochenende spielen BROKEN SOCIAL SCENE diesen alten Onkel, der in die Wange kneift und meint: "Wie groß du geworden bist." Wo wären gefühlt alle Indiebands ohne BROKEN SOCIAL SCENE? Sicherlich nicht auf Festivals wie dem IMMERGUT. Dooferweise hat man für den alten Onkel die Stolperfallen nicht aus dem Weg geräumt. Es knackt im Soundsystem und es fällt aus. Doch davon lässt sich der alte Herr nicht aus dem Tritt bringen. Schließlich ist man Profi. Das kann man schonmal verknusen. Entsprechend unaufgeregt geht das Set über die Bühne. Auf zur guten Nacht.
Über JENS BALZERs Schreibtisch hängt bestimmt so ein Merkspruch wie: "Packe so viele abstruse Fachbegriffe wie irgend möglich in deine Konzertreviews." Er schreibt Verrisse so, dass es die Verissenen vermutlich kaum verstehen, wie ihnen da gerade geschieht. Frau FISCHER, diverse Rechtsrockbands, die dies immer betreiten und andere werden hier ordentlich durch den Kakao gezogen. Für sonnenverschmorte und im Zweifel angetrunkene Hirne ist die Lesung aus seinem Buch als Einstieg ein kleiner Kraftakt, doch hinterher landet JENS BALZERs Buch auf der Leseliste. Dringend!
Das Hirn muss auch für HOMESHAKE noch ein bisschen wach bleiben. Wahlweise halt ganz abschalten und sich dem Sonnenbrand und den Mücken hingeben. HOMESHAKE haben im Gegenzug zu JENS BALZER vermutlich "Fummel so viel wie möglich an die Synthies rum" im Proberaum hängen. Seis drum.
Wieviel Hirn man dann noch für SCHORSCH KAMERUN braucht, sei mal so dahingestellt. Wenn jemand aus Scheiße Gold machen kann, dann er. So liest er auch nicht selbst aus seinem Buch vor, sondern lässt das JENS BALZER machen, der das viel besser könne. SCHORSCH KAMERUN selbst gibt zwischen den Leseteilen wirre Songs, untermalt mit einer Gratissoundapp aus dem Tablet zum Besten. Dabei weiß man nicht so recht, ob JENS BALZER währenddessen vor Lachen vom Stuhl fallen oder brechen möchte. Um Fassung wird gerungen. Lediglich den Hidden Track des Buches liest SCHORSCH KAMERUN dann doch selbst vor. Von ihm gesammelte und übersetzte Zitate von SCOOTER zu einem Text zusammengebastelt. Aus Scheiße Gold machen eben. Ganz großartig!
Gold macht dann auch FAZERDAZE allerdings ohne Scheiß. Nach so viel Quatsch ist es auch hilfreich, wieder auf den Boden des Festivalgeländes zurückgeholt zu werden. Mild, wie die Sommerbrise, die die Seifenblasen in Richtung Himmel treibt. FAZERDAZE bringt gut erzogen Blumen zum Geburtstag. So muss das.
Ungefähr ihren 18. Geburtstag dürften GIANT ROOKS vor Kurzem gefeiert haben. Hinter den Ohren noch nicht ganz trocken, zaubern sie fabelhaftesten Indiepop auf die Birkenhainbühne. Man erinnert sich an die noch jungen SATELLITE STORIES und sucht unweigerlich das Publikum nach ERLEND ØYE ab, der hier doch sicherlich seine Finger im Spiel hatte. Hat er aber wohl nicht. GIANT ROOKS kommen gar nicht aus Skandinavien, auch wenn sie so klingen. Sie sind aber merklich von den Reaktionen beeindruckt. Die werden noch ganz andere Dinger als die kleine Bühne hier rocken.
"Bilder einer Ausstellung" von MUSSORGSKI als Intro. Wenn russisch, dann mit Anlauf. Aber wie viele russische Indiebands kann man wohl aufzählen? Äääähhhmmm.... MOTORAMA! Ende. Ja genauso. Geheimtipp für alle, die auf diesen Friemelindierockkram stehen. Keine großen Entertainer. Es geht um Musik, Heimweh, Klang. Die Musik ist vereinnahmend genug.
ANGEL OLSEN ist wahrhaftig so ein bisschen zum Dahinschmelzen. Fein poppig, fließt es in die Gehörgänge. Darauf noch ein Kaltgetränk, kurz das Tanzbein entspannen. Bevor es mit Funksoulweltindie weitergeht. SINKANE! Man schraube den Zuhörenden die Ohren ab, ihre Mundwinkel könnten sich am Hinterkopf die Hand geben. Seeligst grinsend wird getanzt, das Herz geht auf. SINKANE bringen Liebe mit auf die Party. Zauberhaft!
Der Mann aus Portugal bringt auch ein Geschenk mit. Allerdings sieht er nicht so gut gelaunt aus. Man ist sich nicht sicher, ob PORTUGAL. THE MAN kein großes Bohei machen wollen, oder ob das einfach so ein Kunstding ist. Die Bühne bleibt mit Ausnahme einer Videoinstallation an der Rückwand im Dunkeln, Worte zwischen den Songs werden nicht verloren. Wir machen Musik und sonst sind wir hier für gar nichts zuständig. Ja, ist klar. Es ist nicht so, dass sie eben jene Musik ganz großartig können, aber bei der Show kann man sich eben auch zuhause die Platte reinwerfen. Zudem gibt es heute noch massivere Soundprobleme. Mit lautem Knall verabschiedet sich der Sound mehr als einmal. Es fühlt sich an, wie eine Ohrfeige. Sowohl wegen Sound, als auch wegen Auftritt. Zu schade. Das war wohl noch so eine Partygast, der sich irgendwie fehl am Platze fühlt. Man muss gehen, wenn es am Schönsten ist, heißt es immer. Also wird es Zeit, sich frisch zu machen.
Am Sonntagmorgen legt der DJ noch fast eine Stunde über den Durst auf, bevor er von der Bühne gefegt wird. Es sei immerhin auch sein 16. IMMERGUT FESTIVAL und das darf noch nicht zu Ende sein. Irgendwie mit eben diesem Gefühl schüttelt man das Konfetti zum Abschluss aus den Haaren, winkt nochmal kurz rüber und freut sich schon aufs nächste Jahr. Denn Geburtstag wird schließlich jährlich gefeiert! Danke liebstes IMMERGUT FESTIVAL für einen erneut sehr gelungenen Sommerauftakt.