Es ist der 25. Februar 2016. 116 Tage vor Sommeranfang. Im LKA in Stuttgart hat es trotzdem gefühlte 30 Grad. Rotes Scheinwerferlicht umschmeichelt die Konturen zahlloser Menschen. Von der Decke hängen bunte Kreppbänder, die Fasching überlebt haben und sich leise in der Zugluft bewegen. Mit etwas Fantasie kann man sich so in einen amerikanischen Highschool-Film träumen, bei dem der Prom gerade ein Ende gefunden hat. In Stuttgart geht es aber erst jetzt richtig los. Lange war es still um SUM 41. An diesem kalten Wintertag machten sie zwischen Paris und Köln Halt in Stuttgart.
Aber zuerst hatte der Abend noch mehr zu bieten. Mit HOLLERADO und NEWDRIVE waren zwei exzellente Supportacts am Start, welche die Menschenmasse auch schon vor SUM 41 in Stimmung brachten. HOLLERADO machen gute-Laune-Alternative-Rock, der zum mitwippen einlädt. Zwar sind sie soundtechnisch ziemlich weit entfernt von SUM 41, aber zur gemütlichen Einstimmung auf den Konzertabend taugt es allemal.
Bei NEWDRIVE sieht es da schon anderes aus. Die Schweden überzeugen mit einem energetischen Punkrock-Poppunk-Mix. Gepaart mit eingängigen Melodien und Rhythmen bedienen sie die Bedürfnisse des wartenden Publikums. Sie sind quasi der Appetitanreger für SUM 41, der erste Gang, der Lust auf mehr macht. Diesen Platz direkt vor SUM 41 und noch dazu vor ausverkauftem Haus haben die Jungs großartig ausgefüllt und genutzt.
Bei SUM 41 denkt jeder an seine Jugend. An die American Pie Filme, die man begeistert mit Freunden geschaut hat. An die Blütezeit des Punkrock. An BLINK 182 und WEEZER. An Sommertage am Strand und Liebeskummer. Viele Leute im Publikum erzählen sich an diesem Abend Anekdoten aus der Vergangenheit. Kaum einer hat nicht für kurze Zeit einen Hauch von Melancholie über dem Gesicht schweben. Die Zeit ist auch an den kanadischen Jungs von SUM 41 nicht spurlos vorbei gegangen. Dennoch, der Zeitgeist von damals ist so spürbar, so greifbar, als wäre es erst gestern gewesen. Es fühlt sich an wie ein Anker in einer ziellosen Zeit. SUM 41 spielen sich in die Herzen des Publikums. Ein beliebter Song folgt dem nächsten. Von „Motivation“ über „Walking Disaster“ und „In Too Deep“ bis „No Reason“ ist alles mit dabei. Das Publikum ist dankbar und bewegt sich vom ersten Akkord bis zum letzten. Fast alle können jedes einzelne Wort mitsingen. Sänger Deryck lässt die Stuttgarter auch einige Male alleine singen. Und da ist er: Einer dieser Momente auf Konzerten, der einen unweigerlich ein Lächeln aufs Gesicht und Gänsehaut auf die Arme zaubert. Die Kraft der Stimmen, die Energie der Menschen, die darin steckt. Bei „Pieces“ kann man nur so dahinschmelzen. Deshalb geht der Abend auch viel zu schnell vorbei. Mit dem Hammer „Fat Lip“ endet das Set. Der Ausflug in die Jugend ist abrupt vorüber. Langsam bewegt sich die Masse in Richtung Ausgang, zäh wie Kaugummi, der sich an der Bühne verklebt hat. Eigentlich will man zurück, einfach noch ein bisschen da bleiben und Musik hören. Jetzt bleibt nur noch sehnlichst auf das neue Album und eine neue Tour zu warten.