Der Winter hat es doch noch geschafft. Es ist bitterkalt und der Eiswind will einem das Gesicht vom Kopf pusten. Dennoch muss man an diesem Sonntagabend raus und kann nicht still auf dem Sofa sitzen und dem Gehirn beim weich werden zuschauen, wahlweise dem Tatort. Vor dem Logo die Schlange. Der Abend ist ausverkauft der Laden vermutlich nicht nur wegen der Außentemperaturen bereits als LANDSCAPES ihre krachenden Hymnen ins Volk schmeißen rappelvoll. Heute gibt es sogar einen Sicherheitszaun vor der Bühne. Man erwartet etwas. Vielleicht. Wer einmal eine Mütze aufhatte, nimmt sie am heutigen Tag nicht mehr ab. Die Frisur, die Frisur. Dabei könnten LANDSCAPES diese so gut richten, mit Bass, Gitarre, Lärm und Gesang. Die niedrige Decke des Logos hält Shaun Milton nicht vom Crowdsurfen ab. Interaktion mit dem Publikum nennt man das wohl und das feiert das gebührend ab. Alles andere wäre wohl auch zu kalt.
Die Pausenzigarrette spart man sich heute, um der Erkältung vorzubeugen. CASPIAN lassen lange auf sich warten. Die Länge Umbaupause wird nur wenig später von DEFEATER übertrumpft. Der Weg zur Bar in beide Richtungen verstopft. Nüchtern bleiben ist vielleicht auch besser in Anbetracht des morgigen Arbeitstages. Und in Anbetracht dessen was CASPIAN wenig später abliefern. Direkt das Intro zieht einem die dicken Schuhe aus, richtet die Frisur auch unter der Mütze. Sauber, klar, kraftvoll schiebt sich die düstere Wolke aus dem was eigentlich Gesang untermalen soll durch die Massen. Wunderbar! Wer braucht eigentlich Gesang? Gesang? Dazu? Wozu? Was war nochmal Gesang? Der Großteil des Publikums wiegt sich andächtig und mitgenommen. Einige Menschen haben das was auf der Bühne passiert aber scheinbar nicht so ganz verstanden, pöbeln rum und schreien nach anständiger Musik. An dieser Stelle wünscht man sich eine Keule mit der man Respekt einprügeln kann. Hat man nicht, CASPIAN tun ihr übriges. Sie wärmen auf bis in den kleinen Zeh. Und als sie die Bühne nach 45 Minuten verlassen, fragt man sich unwillkürlich, was da heute denn bitte noch folgen soll. Die Menge steht vor einem und wer nicht pöbelte scheint begreifen zu wollen, was da gerade passiert ist.
DEFEATER bauen lange um. Und eigentlich flüstert das Trommelfell, dass man nun gehen sollte. Es war schon so schön, wie soll es noch schöner werden? Der Pöbel von nebenan feiert natürlich ebenso hirnamputiert wie vorher gepöbelt die letzte Band des Abends ab, bevor diese auch nur eine Seite angeschlagen haben. Bitte. Und es geht los. Sofort hat das Publikum die Bewegung und die Tanzschuhe, die CASPIAN ausgezogen haben, wiedergefunden. Man reibt sich in der Sardinenbüchse zu schreiender Verzweiflung, die einem von der Bühne entgegengeschleudert wird. DEFEATER liefern live ab, was man erwartet hat. Emotionen, der hintersten Ecke, die kein normaler Mensch jemals so zur Schau stellen könnte und es passt. Die Forderungen nach Wall Of Death wirken dagegen etwas unreif. So what? Meine Tanzschuhe habe ich nach dem Auftritt von CASPIAN leider nicht wiedergefunden und mein Kopf kann auch nicht mehr. Nachdem DEAFEATER "The Red, White and Blues" ziemlich zu Beginn des Sets abgeliefert haben, pelle ich mich in meine 298347 Schichten und verlasse mit einer Wolke kondensierender Clubluft das Logo, trete meinen Weg nach hause auf Socken an. Wohlgemerkt nicht, weil DEFEATER nicht ab dem ersten Takt begeistern, sondern weil CASPIAN wirklich so fantastisch waren, dass für den Rest kein Speicher mehr übrig ist. Das Schweben von CASPIAN trägt nach hause. Alleine dafür heißt es heute dankbar dafür zu sein, nicht auf dem Sofa geblieben zu sein.