Gibt es auch Bands abseits der Standard-Konstellation Gitarre-Schlagzeug-Bass und vielleicht noch Keyboard? Der heutige Abend zeigte: Ja, aber sowas von! Denn was da an Instrumenten und generell Musikmach-Konzepten aufgefahren wurde, ist schon irgendwie bahnbrechend – oder zumindest unglaublich erfrischend.
Da fingen schon ME AND JULES ganz groß an: Ein Duo, bestehend aus einer zierlichen, aber herzhaft singenden Gitarristin und einem, nunja, Keyboarder? Nein, das ist völlig untertrieben. Umkreist von mehreren Loop- und Sample-Geräten, verschiedenen Keyboards für verschiedene Sounds und anderen Kleinigkeiten wie einer Kinderflöte mit Mundharmonika-Sound (wie nennt man das Teil? Habe ich noch nie gesehen!) wirkte der schüchtern wirkende Herr mit versunkenen Blick wie in einem Raumschiff mit tausenden unübersichtlichen Knöpfen zum musizieren – und er wusste dieses Raumschiff zu manövrieren. Raus kam da am Ende eine recht eigene Form des breiten Singer-/Songwriter-Begriffs: Mit einer Sängerin/Gitarristin, die sowohl in Sachen Gitarrensound als auch Stimme an ruhigere SONIC-YOUTH-Momente erinnerte. Und vielen kleinen Soundtüfteleien und Verspieltheiten, die dem musikalischen Endresultat aber nicht die Nachdenklichkeit nahmen, sondern sie vielmehr unterstrichen. Gänsehaut Momente gab es zu Genüge – beispielsweise dann, wenn sich beide zaghaften Stimmen im Zuge der ruhigen Ekstase trafen. Zu kritisieren ist hier höchstens der billig wirkende Sound des immer mal wieder eingespielten Drumcomputers, der mehr nach Computer nicht hätte klingen können. Letztlich hinterließen ME AND JULES aber einen überraschend bezaubernden ersten Eindruck und machten Lust auf mehr.
Doch wo befanden wir uns eigentlich, während wir all dem lauschten? Im entspannten und kuschelig-kleinen Kölner Aetherblissement. Im Hintergrund flackert noch irgendwo das alte Club-Scheisse-Logo auf einem alten kleinen Röhrenfernseher, und wenn man daran denkt ist es wirklich schön, dass dieser Laden nicht abgerissen wurde. Ich weiß, es ist nicht das erste Mal, dass ich darauf hinweise, aber die Intimität und schlichtweg der Charme der sich in dieser Halb-Wohnung-Halb-Konzertlocation-Location mit all ihren kleinen Details ist einfach jedes Mal wieder schön, und mittlerweile fühle zumindest ich mich hier wie zuhause. Besonders möchte ich das in diesem Fall noch einmal hervorheben, weil im Gegensatz zu all den Hardcore- und generell härteren Shows (die ja auch hier alles andere als zu verachten sind!) gerade bei derartig ruhigen Shows wie heute diese Intimität deutlich wird. Alle waren sie eng um die Bühne verteilt, saßen auf der Treppe, am Rande der Bühne, standen mit Bier angelehnt an die Wand oder einfach in der Mitte. Und es war, als würden alle ein paar Freunden zuhören, die einfach mal ihre Instrumente ausgepackt haben und etwas Kleines vorspielen. Kleinere Unterhaltungen mit anderen im Publikum ergaben sich wie von alleine, ganz anders als bei vielen anderen Konzerten, bei denen die Anonymität des Einzelnen im Vordergrund steht und das Publikum schlichtweg fremd wirkt. Dies äußerte sich auch in dem Verhältnis zwischen Musikern und Publikum, wozu mir bei all den gegenseitigen Komplimenten und kleineren Späßen nur noch das Prädikat „süß“ einfällt. Einzig und allein die sich in den hinteren Reihen während des Konzerts lautstark unterhaltende Personen waren etwas ärgerlich – gerade bei Musik, die derartig ruhig ist, und deshalb stark von der Ruhe und Aufmerksamkeit des Publikums abhängig ist.
Doch es ist wie mit einem guten Buch, das man in der Bahn liest: Egal wie laut die Menschen um einen sind; man ist so sehr versunken, dass man nur noch die Personen im Buch hört. Am meisten war das beim Headliner SPACEMAN SPIFF gegeben, von dem ich im Vorfeld eigentlich gar nicht SO viel erwartet hatte. Bereits zweimal zuvor hatte ich mir ihn bereits Live als Support gesehen, und fand ihn da auch schon aufgrund seines großartigen Gitarrenspiels sowie seiner schönen Texte immer gut. Als Headliner jedoch übertraf er die anderen beiden von mir gesehenen Auftritte um Längen, und das hatte vor allem einen Grund: Felix Weigt. Ein unglaublich sympathischer Typ mit lustigen Sprüchen und Blick, aber vor allem: Multiinstrumentalist, und weit mehr als nur einfache Begleitung. Eine Aufführung der Instrumente und elektronischen Geräte die er hier bespielte würde den Rahmen sprengen, richtig begeistern konnte mich aber vor allem das einfach nur wundervoll gespielte Cello, aber auch das Banjo, welches zeitweise vom SPACEMAN SPIFF selbst in die Hand genommen wurde. Schön kamen dazu auch die vom Mischpult eingespielten Sounds wie etwas Rauschen von Wellen am Meer. Oder die Momente, in denen diese Ruhe mit lauteren und intensiveren Momenten gebrochen wurde.
Für das Endergebnis der Mischung all dieser zauberhaften Elemente fehlen mir immer noch die Worte. Normalerweise ist es auch so schön, einzig und allein SPACEMAN SPIFF und seiner Gitarre zuzuhören, doch all diese kleinen und großen Ergänzungen beflügelten die Wirkung der Songs um ein gewaltiges. Da störte man sich auch nicht daran, dass pro Song schon mal eine Minute Pause war, weil beide mal – manchmal auch improvisiert – die Instrumente wechselten oder tauschten. Ein Umstand, auf den die beiden schmunzelnd hinwiesen. Aber nicht nur hier zeigte sich das Duo locker aufgelegt, und man merkte, dass für beide quasi „Feierabend“, sprich die letzte Etappe der gemeinsamen Tour erreicht war.
Das Publikum nahm sowohl diese Lockerheit der beiden als auch die Schönheit der Musik dankbar wahr, und inmitten eines Songs rief auch einer mal ein „Ihr seid großartig!“ rein. „Ihr auch“, antwortete der Spaceman mit einem Lächeln auf die Lippen. Die perfekte Zusammenfassung dieses schönen Abends. Als SPACEMAN SPIFF und Felix Weigt ihr Set mit „Elefant“ dann abschließen, klatschte das Publikum minutenlang ununterbrochen – klar, dass die beiden dann auch nicht so einfach aufhören konnten.