Alle Jahre wieder macht die Impericon Never Say Die! Tour im kleinen Luxemburg Halt. Dieses Jahr mischt sich der erste Schnee des Winters mit einem interessanten Bandpackage, bestehend aus alten und neuen NSD Gesichtern.
Für uns begann der Abend mit den bilingual begabten Kanadiern von OBEY THE BRAVE . Sympathisch und souverän wie sie sich geben, haben sie das Publikum bereits nach fünf Minuten in der Tasche. Und in dieser Location, in der fast schon babylonische Sprachverwirrung zwischen Deutschen, Franzosen und Luxemburgern herrscht, sammeln sie durch englisch-französische Ansagen weitere Extrapunkte bei dem Never Say Die!-typischen, eher jüngerem Publikum. Diese Band ist fast schon ein Phänomen: Mit einer überschaubar kurzen Bandbiografie, das Erscheinen des einzigen Albums liegt noch nicht einmal zwei Monate zurück, spielen sie bereits auf einer guten Mittelfeldposition einer großen internationalen Tour und werden vom Publikum abgefeiert, Mitsingen inklusive. Ich fühle mich musikalisch stellenweise leider sehr an Bands wie The Ghost Inside erinnert – aber gut, das Rad wird eben nicht immer neu erfunden, da ändert auch der Ex-Frontmann von Despised Icon nichts dran. Abgesehen davon spielen sie ein soundtechnisch solides Set, allerdings waren die „Gangshouts“ häufig so mickrig ausgeführt, dass man sie wohl auch ganz hätte weglassen können.
Es ist nun das dritte oder vierte Mal, dass ich den nächsten Act FOR THE FALLEN DREAMS schon sehe. Und irgendwie ist es mit ihren Auftritten wie mit dem Aussehen von ihrem Sänger Dylan Richter – es wird von Mal zu Mal schlechter (was ich ehrlich gesagt wirklich schade finde, da ich die Band privat sehr gerne mag). Dylan präsentiert sich heute mit frisch gebleichtem, akkurat gekämmten Seitenscheitel und sieht eher aus, als hätte ihn eine riesige Taube mit Wasserstoffperoxid-Durchfall erwischt. Sei es wegen diesem ungewohnten Anblick, oder wegen der Tatsache, dass die Band keine Aufsteller oder ähnliche Banner auf der Bühne präsent hat, so wirkt das Publikum während des ersten Songs ziemlich planlos und distanziert, bis der Frontmann die Band schließlich vorstellt. Aber diese Distanz sollte sich leider über das gesamte Set ziehen: Es wurden vor allem Songs der beiden letzten Alben Back Burner und Wasted Youth gegeben, nur dass sich das Publikum auf diesen Tanz nicht so recht einlassen will. Erst als sie gegen Ende älteres Liedgut wie „Never Again“ zum Beispiel spielen, springt der Funke über und besonderes die „älteren“ in der Crowd (was hier jenseits der 20 heißt) feiern die Band aus Michigan ab und der Pit kommt zumindest ein bisschen in Gang. In der Mitte des Sets meinte Richter einmal, dass dies das beste Publikum bisher auf der Tour war. Wenn das wirklich so ist, scheint es für die Jungs bisher nicht allzu gut gelaufen zu sein, denkt man sich beim Blick in unbegeisterte Zuschauergesichter. Ein musikalisch guter Auftritt, der allerdings einen etwas faden Beigeschmack hinterlässt.
Es gibt gewisse Touren, die einen heimlichen Headliner haben. Auch die NSD hat dieses Mal einen und heute Abend (und wie gehört habe, nicht nur hier in Luxemburg) sind es STICK TO YOUR GUNS. Man muss diese Sonnenschein-Kalifornier einfach mögen, wie sie vor Power und Charme sprühend die Bühne erobern. Nach dem Intro von „Diamond“ gehen auf der Bühne die Lichter an und die ersten Gitarrenschläge und Shouts treffen einen wie eine Faust in den Magen. Diese Energie und diese allgemeine Vorfreude des Publikums auf das kommende Set sind fast schon spürbar. Ab der ersten Minute ist die Luft am Brennen und die Crowd in Bewegung. Vor dem dritten Lied verkündet Sänger Jesse, dass das folgende Lied eine große persönliche Bedeutung hat und das, so habe er gehört, auch für viele ihrer Fans zutreffe – als sie dann „Amber“ anspielen ist das Gänsehaut pur. Insgesamt war das ein sehr gutes Set, mit einer schönen Mischung aus alten und neuen Songs und schaurig schiefen Mitsing-Chorälen aus dem Publikum zu „Against Them All“. Mir persönlich gefielen auch die zahlreichen Ansagen von Jesse, die inhaltlich von Leben mit Bestimmung bis hin zu einer Szene, die mehr und mehr zu einem Schwanzvergleich-Contest wird, variierten, anderen war das zu Sermon artig. Einziges Manko ist leider eine ziemlich schlecht abgemischte Bassdrum, die permanente Störschläge aufs Ohr schickt. Nach einer letzten persönlichen Ansage und „Such Pain“ war dann Schluss.
Dass für viele der Höhepunkt des Abends schon vorbei war, merkt man beim Blick in die durchaus schlanker gewordenen Reihen bei BLESSTHEFALL. Das zuvor schon durchschnittlich junge Publikum ist jetzt noch jünger und wirkt umso gestylter (bis auf ein paar Beatdown-Jogginghosen-Nasty-Menschen, die in den letzten Reihen stehen und Grimassen ziehen). Aber ich mache nun zum wiederholten Mal die Erfahrung, dass man gegen Blessthefall zwar so einiges sagen kann, man sie auf Platte nicht gut finden mag, sie aber live wirklich gute Arbeit leisten. Am heutigen Abend wirbeln sie mit Energie über die Bühne und sie scheinen wirklich Freude an dem zu haben, was sie tun. Mit viel Selbstironie und Witz fliegen ihnen die (Teenie)Herzen aus der Menge zu. Ein gutes, kurzweiliges und unterhaltsames Set, zwar nicht gerade aufregend, aber mit klasse Sound und guter Liveperformance.
Ich habe häufig die Erfahrung gemacht, dass Menschen, denen man vom diesjährigen Lineup der NSD erzählt hat, beim Namen des Headliners ein verwirrtes „wirklich, aber die waren vor zwei Jahren doch noch Vorband?!“ von sich gelassen haben. Doch der größte Fisch im Teich in diesem Jahr sind WE CAMES AS ROMANS, ebenfalls aus Michigan. Und ehrlich gesagt nein, ich verstehe es nicht, warum sie als Mainact gebucht wurden. Hatte bisher jede Band an dem Abend bisher etwas recht Liebenswürdiges ausgestrahlt, so wirken die Jungs dort auf der Bühne eher mit sich selbst und ihrem Wirken nach Außen beschäftigt, als tatsächlich anwesend zu sein. Überhaupt wird mit so vielen Soundeffekten neben den üblichen Elektroparts um sich geschmissen, dass man fast das Gefühl bekommt, als sollte von der eigentlichen Musik abgelenkt werden. Clean-Sänger Kyle Pavone hat sich zwar im Vergleich zu den Vorjahren deutlich im Gesang verbessert, trotzdem ließe sich noch weiter an seiner Trefferquote feilen. Warum er dann jedoch, ausgerechnet in diesen Momenten, in denen er (gerade) singen sollte, Stagedives versuchen muss, auch solche bei denen in besonders heroisch-stehender Pose verharrt, ist mehr als fraglich. Aber dann geht eben Mal das Mikro im Getümmel verloren und die Band überspielt die Stille eher etwas unbeholfen. Aber die Techniker an den Mischpulten haben allem Anschein nach auch den Befehl bekommen „Hauptsache es sieht gut aus“, so dass alle Nebelkanonen aus vollem Rohr feuern. Hätte man an diesem Abend mehr in die musikalische Leistung investiert und weniger auf die optische Erscheinung geachtet, wäre der Auftritt bestimmt besser geworden. Aber so ist leider recht viel Potential verpufft.
Insgesamt jedoch erscheint mir die diesjährige Never Say Die! Tour sehr gelungen, vor allem weil es einmal ein Lineup ist, dass sich traut, von dem üblichen Parkway Drive und Deez Nutz Package abzuweichen. Es bleibt zu sehen, wie das in den noch kommenden acht Tourstops ankommt!