Wenn ein Haufen guter Bands ein musikalisches Ballungszentrum im Westerwald errichten, ist es wieder Mair1 Zeit. Dieses Jahr sogar mit 97% weniger Regen. Dabei ist das Festival im rheinland-pfälzischen Montabaur eigentlich mittlerweile dafür bekannt, der reinste Swimmingpool mit Beschallung zu sein. Ein Grund mehr also, sich auf das Wochenende zu freuen.
FREITAG
Los ging es am Freitag auch direkt mit einer lokalen Band, die aber wohl bald die regionalen Grenzen übertreten dürfte. Was UNSAID. an Konzertenergie ablieferten, konnte sich nämlich richtig sehen lassen. Schnörkelloser Metalcore mit Vollgas in die Schokoladenseite. Und wenn man schon aus Montabaur kommt und daher gefühlte fünf Minuten Anfahrtsweg hat, gibt man natürlich sein Bestes.
Anschließend gingen mit HIS STATUE FALLS die Electrocore-Vertreter aus Saarbrücken auf die Zuschauer los. Während die harten Parts wirklich zu Gefallen wissen, konnte mich der eingestreute Elektroteil nicht wirklich begeistern. Die gute Laune hingegen schon. Fans der Gruppe haben das handwerkliche Geschick mit Sicherheit zu schätzen gewusst und genossen. Objektiv betrachtet also ein gutes Konzert.
Zwanzig vor fünf? Na dann raus auf die Bretter mit OCEANS OF PLAQUE. Das erste Konzert, bei dem man wirklich die Zähne festhalten musste, weil die Jungs aus Ulm extrem Druck machten. Eine gute Mischung aus Deathmetal, Hardcore und melodiösen Leihgaben, die einfach Spaß macht. Auch die Breakdowns sind nicht zu verachten und erschreckend wenig stumpf, wenn man es mit manch anderer Band vergleicht.
Weiter ging es mit den Punk Rock Fürsten aus Arizona: AUTHORITY ZERO. Wenn diese Band irgendwo auftritt, ist es jedes Mal so, als würde jemand eine große Torte auf die Bühne schieben und es springt tolle Musik heraus. Dadurch gab es leider auch keine großen Überraschungen. Man musste sich mit einer amtlichen Liveshow inklusive Spaßgarantie auf 50 Minuten einstellen. Endlich mal eine Garantie, die auch eingehalten wird.
Nachdem die Niederländischen JOHN COFFEY ihr Set vor einer gut gelaunten Menge ablieferten, betraten die Müncher EMIL BULLS die Main Stage. Auch hier spielte sich von Anfang an die Routine in den Vordergrund. Man merkte deutlich, dass hier die nötige Erfahrung bereit steht um das Publikum auf Touren zu bringen und anzuheizen. Generell begann nun eigentlich der Punkt des Abends, an dem auf ganzer Linie abgefeiert wurde. Da war die Band natürlich ein willkommener Einstand.
Pünktlich um 20:00 Uhr ging dann auch die Welt unter. Zum Glück nicht in Sachen Wetter. BREAKDOWN OF SANITY fuhren allerdings eine solche Klangwand auf, dass die Magengrube zum Tieftonoszillator wurde. Ergo eine wirklich gute Umsetzung ihres Sounds. Das Konzert hatte auch keine Anlaufzeit, oder wurde langweilig. Es ging einfach Song auf Song gut voran und das Publikum quittierte die sportliche Leistung der Gruppe mit reichlich guter Stimmung.
Zahllose Sweater, Shirts, Jacken und andere Dinge zum tragen kündigten schon den ganzen Tag die nächste Band an. Und wenn irgendwo die Bezeichnung „New York Hardcore“ fällt, ist im selben Satz meist von AGNOSTIC FRONT die Rede. Die Herren, die einfach nie genug davon bekommen, aufzustehen und sich Luft zu machen. Zum Glück. Als etablierte Zugpferde der gesamten Musikrichtung haben sie es natürlich leicht, die Besucher für sich zu gewinnen. Das Set lieferte auch keine Minute zum Verschnaufen, denn die Band packte wirklich rein was nur ging. In gewohnt unterhaltender Manier sorgte Stigma für die Power hinter Mirets Gesang, der wie eine Unterschrift des Bandsounds wirkt.
Als hätte man bei AGNOSTIC FRONT nicht schon genug zum Auspowern gehabt, folgten mit schnellen, punkigen Schritten die Kalifornier STRUNG OUT. Also noch einmal richtig schwitzen und mitgehen zum knackigen Sound, der die Füße unter Strom setzt. Wie man diese Leistung konstant eine ganze Stunde durchhalten kann, ist mir ein wenig ein Rätsel. Ich fürchte, die Band versucht irgendwann ihre Fans durch reine Party zu Boden zu spielen.
Tja. Und nun kamen die Headliner des Freitags. Ich habe tatsächlich das ganze Wochenende mit mir gerungen, was ich hier schreibe und ob ich überhaupt etwas über GUANO APES schreibe. Hat man zwischendurch vorbeilaufenden Festivalgästen zugehört, kam immer wieder die Frage, was die Band überhaupt dort zu suchen hatte. Spiegelt ziemlich exakt meinen Gedankengang wieder. Leider wurde der Auftritt nicht abgesagt und so wurde man über eine Stunde lang Zeuge, eines überlebensgroßen Egos und dem kläglichen Versuch, irgendwie hart wirken zu wollen. Dazu der schräge und schlichtweg schlechte Gesang – Keine subjektive Meinung. Ich habe auch andere gefragt. – machten die Hauptband nicht gerade besser. Es fiel eher in die Riege „auditive Traumatisierung“.
SAMSTAG
Am Samstag habe ich mich als erstes auf eine ganz bestimmte Band gefreut: SATANIC SURFERS. Als es Ende letzten Jahres plötzlich hieß, dass es sie wieder gibt, habe ich schon ein wenig gejubelt. Wie ein Mädchen. Das die Herren richtig Lust haben und es auch genießen wieder zusammen zu spielen, merkt man extrem deutlich. Ich hoffe, dass sie die jüngeren Festivalgänger genauso begeistern konnten, wie uns alte Säcke. Der irre Blick von Sänger Rodrigo dürfte auf jeden Fall auch jenen im Gedächtnis bleiben, die die Band bisher nicht kannten.
Es blieb weiterhin skandinavisch. ADEPT stürmten die Bühne und konnten auf tatkräftige Unterstützung hoffen. Immerhin war dies nicht der erste Auftritt auf dem Mair1 für sie. Dementsprechend ging es auch ohne Verschnaufpause in die Vollen. Besonders schön war, wie immer, die Synchronizität der einzelnen Mitglieder anzusehen. Das zeugt von Spaß an der Sache und wurde auch von den Fans mit Sprechchören und Zugaberufen gedankt.
Denkt man an harte Musik aus Deutschland, steht der Name CALIBAN weit oben auf der Liste. Und das nicht ohne Grund. Die Werke der Band sind beliebt genug, dass sie eigentlich ihre Setlist mit Dartpfeilen bestimmen könnten. Und dennoch kommen die Jungs auf die Mainstage und verbreiten trotz düsterer Bühnenbauten eine wahnsinnig gute Stimmung. Dem trug wohl auch zu, dass man den Familienzuwachs des Drummers Patrick verkünden durfte. Nimmt man noch den Hang zur Publikumsnähe hinzu, hat man ein Konzert, welches einem wirklich den Tag aufhellt.
Kaum fertig, wetzte man weiter zur EMP Stage um die Belgier von NASTY zu sehen und vor allem zu hören. Wer auf ein NASTY Konzert geht, weiß, worauf er sich einlässt. Blutende Menschen, harter Beatdown vom feinsten und minimalistisches Handwerk. Und das wurde auch geliefert. Eine Show, wie ein Vorschlaghammer, der auf die Gehörgänge einschlägt. Auch wenn die Band sehr tourfreudig ist, so spürt man keine Spur von Ermüdung, oder Spaßverlust. So soll es sein.
Die nächste Band musste man eigentlich nicht ankündigen. Auch nicht erklären, vorstellen oder gar schön reden. Wenn SUICIDAL TENDENCIES spielen, hat gefälligst die Hütte zu platzen. Dementsprechend war auch die Stimmung im Publikum. Dass die Kalifornier es wohl nie satthaben werden ihren genial groovenden Sound von sich zu geben, beweisen sie auf jedem Konzert. Es ist natürlich hilfreich wenn man dabei eine so loyale Fanbasis hinter sich stehen hat und einen Kultstatus einnimmt, von denen andere Truppen nur träumen können. Um es vorweg zu nehmen: SUICIDAL TENDENCIES war mit Abstand das beste Konzert des kompletten Festivals.
Dies soll natürlich nicht heißen, dass die nun folgenden TERROR schlecht waren. Im Gegenteil! Anfangs sah man perplexe Blicke und fragende Gesichter, denn der Mann dort oben am Mikro sah irgendwie nicht so richtig aus wie Scott Vogel. Was daran lag, dass eben jener Sänger mit seinen Bandscheiben zu kämpfen hat und erst einmal mit seiner Physiotherapie beschäftigt ist. Glücklicherweise wurde Ersatz gefunden: Bassist David Wood übernimmt kurzerhand die momentanen Auftritte. Und das macht er richtig gut. Zwar klingt es nicht ganz so aggressiv und pumpend wie bei Scott, aber auch kein Stück schlechter.
Zum krönenden Abschluss gab es dann die Skatepunk-Götter von MILLENCOLIN. Das die Schweden sich schon so lange kennen, merkt man. Nicht ein Anflug von Absprache nötig. Hier versteht man sich blind. Und nachdem es nun endlich wieder ein neues Album gibt, ist man wieder gierig auf Konzerte. Auch das wurde jedem bewusst, der an diesem Samstagabend vor Ort war. Eigentlich wollte man auch gar nicht nach Hause, sondern noch eine Stunde länger feiern. Allerdings war das Konzert so energiereich, dass dies wohl die wenigsten Gäste durchgehalten hätten. Einen besseren Abschluss könnte ich mir nicht vorstellen.
FAZIT
Nimmt man die grobe Fehlbuchung der GUANO APES einmal heraus, bleibt ein gutes, entspanntes und spaßerfülltes Festival. Die Konzerte waren mitunter phänomenal. Der Sound war leider durchgehend mittelmäßig bis Volksfestniveau, allerdings bin ich da auch wirklich sehr anspruchsvoll und fordernd. Man musste nicht schreiend zusammenbrechen oder dergleichen. Es gab viel Merchandise zu kaufen und die FMX Show konnte sich wirklich sehen lassen. Trotz enormer Platzbeschränkung boten die Fahrer schön ausgeführte Sprünge. Auch die, oft diskutierte, Security war natürlich vor Ort. Grundlegend entspannt und vor allem gut gelaunt. Mehr solche Menschen in dem Sektor und die Branche könnte glatt einen guten Ruf bekommen.
Abhängig vom Lineup kann ich nur jedem nahelegen das Mair1 im nächsten Jahr anzusteuern. Vor allem, da das Festival in 2016 sein zehnjähriges Jubiläum feiert. Und ich wette, dass dieser Anlass nicht ohne Folgen bleiben wird.